Ich habe dich vermisst

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Während der Autofahrt fühlte ich mich wie in einem schlechten Hollywood Film, so ekelig klischeehaft war das alles, aber ich liebte es gerade auch genau so. Das war eigentlich gar nicht meine Art. Außerdem fuhr ich das erste mal in einem Tesla und nervte Vincent gefühlt alle zwei Minuten mit einer neuen Frage über die unzähligen Gadgets dieses Autos, weshalb er irgendwann einfach zu lachen begann, wenn ich einen Satz oder eine Frage begann.

Stellte ich nicht gerade irgendwelche Fragen oder sah ihn einfach nur an, wanderte mein Blick aus dem Fenster der Beifahrerseite und auf die Straßen Berlins, die ich viel zu lange nicht mehr gesehen hatte. Gemischte Gefühle überkamen mich, verband ich doch so viele unterschiedliche Emotionen mit dieser Stadt und irgendwie machte es mich immernoch traurig, dass ich diese Stadt nicht zu meiner gemacht hatte.

Da ich mich dennoch ziemlich gut hier auskannte, erkannte ich, als Vincent den Wagen zum stehen brachte, dass wir uns in Lichtenberg befanden.

,,Willkommen in meinem Block"

Seine Stimme klang zwanghaft gansterhaft und brachte mich zum lachen, doch vielmehr deswegen, weil wir uns in einer Siedlung mit wunderschönen Altbauten befanden, die alles andere als ,,Ghetto" schrien. Den Koffer aus dem Wagen gehievt, schloss er die Haustüre zu einem wunderschönen weißen Altbau mit zwei Etagen auf und ich folgte ihm bis auf die erste Ebene, wo er meinen Koffer abstellte und seine Wohnungstüre öffnete.

,,Herzlich Willkommen in meinem geordneten Chaos. Immer hereinspaziert."

Er stand bereits einen Meter in seiner Wohnung und hatte meinen Koffer hinter sich hergezogen, als er diese Worte an mich richtete und ich ihnen Folge leistete. Der Flur war breit und hell von dem Tageslicht, dass durch das Wohnzimmer in ihn floss. Die Einrichtung war clean aber bedacht, die hauptsächlich dunklen Möbel, die ich sehen konnte, bildeten einen perfekten Kontrast zu den hellen Wänden und dunklem Holzboden.

,,Komm ruhig durch. Magst du was trinken?"

Vincent war bereits einige Meter vor, durch den Flur gegangen und sah mich von dort aus an, wie ich die ersten Eindrücke immernoch auf mich wirken lassen musste. Außerdem sah ich noch nichts von dem Chaos, das er beschrieben hatte.

,,Gerne ein Wasser oder so"

,,Gern. Komm mit, dann zeig ich dir die Küche. Lass die Schuhe einfach an, Dag ist hier heute Morgen auch einfach so durch, macht also keinen Unterschied mehr."

Wieder fand ich keine Worte, sondern folgte ihm einfach mit einem Lächeln auf den Lippen. Meine Güte, ich benahm mich ja, als ob mich das erste Mal ein Typ zu sich nach Hause mitnimmt.

Doch auch die Küche ließ mich staunen, denn diese war offen und grenzte an das Wohnzimmer, dass einen breiten Balkon an der linken Seite besaß, durch den beinahe das gesamte Tageslicht in die Wohnung strömte. Eine Wand war geschmückt mit Gitarren, an einer anderen hingen goldene Platten oder wunderschöne Bilder. Diese Wohnung war mehr als schön und absolut nach meinem Geschmack.

,,Gefällt es dir hier?"

Er reichte mir ein Glas mit Wasser und ich bemerkte, dass ich wieder einmal völlig abwesend gewesen war.

,,Und wie. Wie ich sehe, hast du auch einen guten Geschmack für Kunst."

Mein Blick wanderte zu der Wand mit den Bildern und er sah mich ungläubig an.

,,Findest du ? Wenn ich ehrlich bin, habe ich die gar nicht selbst ausgesucht. Ich bin künstlerisch nicht so begabt."

,,Ich kann die Bildungslücke da schließen wenn du willst, oder ich male dir einfach welche, dann kennst du wenigstens auch mal den Künstler deiner Bilder."

Keine Ahnung wieso ich das jetzt vorgeschlagen hatte. War das zu aufdringlich gewesen? Ja ich liebte das Malen und war auch der Überzeugung, dass ich es einigermaßen gut beherrschte, aber ihm so auf die Füße zu treten, war nun wirklich nicht meine Art. Zu meiner Überraschung schien ihm dieser Gedanke, jedoch nicht so zu missfallen, wie ich es zunächst dachte.

,,Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du auch noch malen kannst oder? Was kommt denn demnächst noch spontan ans Licht? Hattest du zufällig noch ne Hauptrolle in einem Kinofilm oder sowas? Aber ultra gern, ich lass dir da freie Hand, wenn du da echt Bock drauf hast. Würd mich freuen was von dir hier hängen zu haben.

Erneut lächelte ich nur und nahm das mit Wasser gefüllte Glas an mich. Dann trat er wieder hinter der Kücheninsel hervor und bewegte sich auf mich zu, legte seine Hände um meine Hüfte und küsste mich. Das erste mal nach einer viel zu langen Zeit. Auch innerlich schien mein Körper damit sonderlich überfordert zu sein, denn es kribbelte nur so vor sich hin. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen und Oberschenkeln aus, als hätte jemand plötzlich das Fenster geöffnet und wir stünden mitten im Durchzug. Dann war sie plötzlich wieder weg und das kribbeln wandelte sich zu einem wohlig warmen pulsieren, dass es mir fast zu warm in meinem weißen Oversized Strickpulli erschienen ließ. Der Durchzug hatte sich gelegt und mein Körper sich wieder an seinen gewöhnt.

Ich war mehr als froh, dass er diesen Schritt endlich gegangen war, denn von Intimität war seit Südafrika nichts mehr wirklich vorhanden gewesen. Gut, über das Handy war das auch schwierig, dennoch hatte ich Angst, dass uns diese Zeit ohne den anderen, voneinander entfernen würde. Nur zu gerne wäre ich ihm auch schon an den Bahngleisen um den Hals gefallen, als er sich jedoch auch eher zurückhielt, war ich verunsichert gewesen und hielt mich zurück. Der Kuss jetzt seinerseits wirkte da wie ein Befreiungsschlag und ließ mich fühlen, als sei ich gerade zum Ritter geschlagen worden. Ein außerordentlich schönes Gefühl, auf das wir beide hatten viel zu lange verzichten müssen.

,,Ich hab das so verdammt vermisst. Ich habe dich vermisst."

,,Ich dich auch Vincent"

Zwischen Liebe und Musik, Kapstadt und Berlin - SDP FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt