Berlin

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Komplett nervös rutschte ich auf dem viel zu unbequemen Sitz des ICEs von rechts nach links, alle paar Minuten fiel mein Blick auf das Display meines Handys. Entweder um den aktuellen Track zu wechseln oder nachzusehen, ob es eine neue Nachricht von Vincent gab.

Die ersten Tage in Deutschland waren unglaublich und absolut ereignisreich. Von stundenlangen Gesprächen mit meiner Mama und meiner Familie über die Zeit in Südafrika, bis hin zu Emailverkehr und Telefonaten mit den Produzenten, welche die ersten Materialien des Drehstoffs gesichtet hatten und Feedback gaben. Anfragen für Interviews und der erste Drehtermin für die Mini-Dokumentation, welche nach meinem Tauschabend über mich ausgestrahlt werden soll. Komplett surreal und völlig überfordernd für eine Persönlichkeit wie mich, die in einem solchen Maß keine mediale Präsenz gewohnt ist. Zumindest nicht für meine eigene Person.

Mit dem Tag meiner Ankunft in Deutschland, waren das viele Ereignisse für nur 5 Tage und wenig Zeit um wirklich anzukommen, zu entspannen und das alles auch wirklich zu verarbeiten, was da in 1,5 Wochen intensivster Zeit auf einem anderen Kontinent passiert war. Und so war ich mehr als froh darüber, dass Vincent mich über diese Zeit fast schon virtuell betreute.

Ständig waren wir entweder über Textnachriten, Anrufe oder auch FaceTime in Kontakt miteinander. Er beruhigte mich, wenn mir der ganze Trubel zu viel wurde, weckte mich, wenn ich aufgrund einer viel zu langen Nacht mal wieder fast verschlief oder fragte einfach nur nach meinem Tag und zeigte Interesse an meinem Alltag. Dass dieses ganze Tam Tam für ihn nicht alltäglich, aber gewöhnlich war, zeigte seinen Vorteil spätestens dann, als er mir abermals verklickern musste, dass es völlig normal sei, dass Radio Sender Interviews mit mir führen wollen und jetzt nunmal Interesse an meiner Person bestünde. Surreal.

Doch der größten Nachteil war an jedem einzelnen Tag zu spüren; und das war das Vermissen. Es war unglaublich, wie schnell man sich an jemanden gewöhnen, sich nach seiner Stimme, seinem Geruch oder seinem Lachen sehnen konnte. Zwar stand das Datum meiner Anreise nach Berlin relativ schnell fest, jedoch zog sich so jeder dazwischenliegende Tag umso mehr und bis ich jetzt im ICE saß, verging gefühlt eine Ewigkeit.

Jetzt war der Tag gekommen und es fühlte sich besonders gerade total komisch an daran zu denken, dass ich in zwei Stunden wieder vor ihm stehen würde. Dass, das einfach jetzt Realität und kein schönes Tagträumen mehr sein würde. Fast schon fühlte es sich an, als würde ich ihn das erste Mal treffen.

,,Hat der Zug Verspätung? Muss nur wissen, wann ich ungefähr losfahren muss."

Ein breites Grinsen machte sich beim Lesen der Nachricht auf meinem Gesicht breit. Dann ein kurzer Blick auf den Display in der Mitte der Decke des Zuges, der die nächsten Halte ankündigte: bisher nur 5 Minuten Verzögerung.

,,Bisher nur 5 Minuten. Also werde ich gegen 13.30 dann da sein."

Nur wenige Augenblicke vergingen von dem Moment an, ab dem ich die Nachricht abgeschickt hatte, als mein Handy wieder vibrierte.

,,Ich habe schon nicht vergessen wann du ankommst ;) Will nur wissen, inwiefern sich das verschiebt. Freu mich auf dich."

Und wieder musste ich grinsen.

Die letzten Stündchen der Fahrt gingen mit einem alten Hörbuch der Drei ??? dann doch schneller um als gedacht und ehe ich mich versah stand auf dem Monitor der Deutschen Bahn dann Berlin Hauptbahnhof und ich wusste, dass ich ihn in ein paar Minuten endlich wieder sehen würde und das auch endlich nicht mehr ausschließlich über ein Handy Display.

Mit viel zu vielen anderen Menschen, die gleichzeitig mit mir ausstiegen, bahnte ich mir meinen Weg mit meinem viel zu großen Koffer, der definitiv nicht auf die Deutsche Bahn Maße ausgelegt war, aus dem Zug heraus und über den Bahnsteig. Etwas abseits der strömenden Menschenbewegung, die sich von den unten gelegenen Fernzuggleisen nach oben drängte, blieb ich an einem der ausgestellten Fahrpläne stehen um einen Blick auf mein Handy zu werfen. Ob Vincent oben auf mich warten würde? War er überhaupt schon da?

Doch die Fragen erübrigten sich mir dann schließlich auch, als mich eine Hand von hinten an der Schulter berührte, gerade als ich mein Handy entsperren wollte, und ich dann endlich wieder vor ihm stand. Es war Vincent, der mich mit einem breiten Lächeln ansah und sofort fiel ich ihm um den Hals.

,,Endlich bist du da."

Seine Stimme klang leise und ruhig in meinem rechten Ohr, als ich noch immer in seinem Armen lag. Fast schon hatte ich vergessen, wie es sich in diesen anfühlt.

Für einen kurzen Augenblick verweilten wir so, bewegten uns leicht von rechts nach links, ehe er von mir und ich von ihm ablassen konnte.

,,War die Fahrt denn halbwegs erträglich?"

,,Erträglicher als 4 Stunden auf der Autobahn auf jeden Fall."

Wir lachten und sein unsicherer Blick, den er bekam als er nach der Zugfahrt fragte, war wieder verschwunden. Dann machte er einen Schritt um mich herum, griff grinsend nach meinem Koffer und zog ihn dann zu sich. Gut, dann konnte er den eben schleppen.

,,Warum grinst du so?"

,,Den Koffer kenn ich noch aus Kapstadt, wenn du jetzt genauso viel eingepackt hast, kannst du eigentlich für immer hier bleiben. Mal gut, dass der für den Zug nicht zu schwer werden kann hm?"

Spielerisch landete meine Handfläche leicht ermahnend auf seinem linken Oberarm und mein Mund ging, überrascht von seinem Seitenhieb, ein kleines Stückchen wundernd auf, bevor ich ihn zurechtwies.

,,Hey da hat mich wohl jemand ganz besonders vermisst. Die 50, beziehungsweise 100 $ haben ganz schön weh getan für nur 5 Kilo zu viel. Das ist ne Frechheit, dass die das für den Rückflug nochmal genauso berechnen. Als würden sich 5 Kilo innerhalb von 1,5 Wochen mal eben in Luft auflösen."

Meine Meckerei schien ihn nur noch mehr zu amüsieren, denn sein Gesichtsausdruck verzog sich vor Lachen immer mehr.

,,Ach komm, das war doch nur ein Spaß. Je mehr Klamotten du bei hast, desto länger kannst du bei mir bleiben, also hab ich da absolut nichts gegen. Lass uns schonmal nach oben fahren. Mein Auto steht ein paar Meter von Bahnhof weg, Berlin ist ein einziges Verkehrschaos, das kann ich dir schonmal sagen. Auf dem Weg erzähl ich dir von meinem groben Plan für heute; dann kannst du Anregungen und Kritik dazu äußern."

,,Ich bin ja mal gespannt, ob du das auch noch so siehst wenn du den Klopper das erste Mal hochheben musst, aber gut das klingt doch nach nem Plan."

Amüsiert nickte er und wir setzten uns in Bewegung. Auf den unzähligen Rolltreppen, die uns in das Erdgeschoss des Bahnhofs brachten, erzählte er mir von seinem Tag und, dass Dag eigentlich mitkommen wollte, um mich abzuholen und, dass es ganz schön viel Überzeugungsarbeit brauchte, ihn davon abzuhalten und stattdessen damit zu vertrösten später gemeinsam Essen zu gehen. Das war nämlich der Plan für heute; zunächst gemütlich zu ihm in die Wohnung, entspannen und dann gegen Abend, gemeinsam mit Dag Sushi essen. Das war nun wirklich ein Plan, mit dem ich leben konnte und zu Sushi konnte ich eh nie nein sagen, wenn er dann noch dabei war scheinbar erst recht nicht.

Freunde es ist offiziell: Willkommen zum zweiten der der Sing meinen Song Story! Als ich die angefangen habe, hätte ich nie damit gerechnet jetzt einen zweiten Teil davon zu schreiben, aber umso happier bin ich! Ich hoffe natürlich sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und dass wir uns bei dieser Story wiedersehen :) Viel Freude damit.

Zwischen Liebe und Musik, Kapstadt und Berlin - SDP FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt