21) Lebkuchenherz

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Der Duft nach Essen stimmt Lydia versöhnlich, als sie in das kleine Restaurant eintritt, wo sie sich mit Tine für die Mittagspause verabredet hat. Es war ein äusserst stressiger Morgen und sie wurde am Telefon mehr als einmal angeschnauzt. Mittlerweile zählt sie die Stunden bis zu den Festtagen, welche eine dringend benötigte Pause von der Kanzlei versprechen.

Lydia wird von Tine mit einer dicken Umarmung begrüsst, als sie sich zu ihr an einen Tisch in der hintersten Ecke setzt.

«Ich muss dir etwas gestehen», sprudelt es so gleich aus ihrer Freundin.

Lydia schnappt sich eine Brotstange aus einem kleinen Körbchen und stopft sie sich in den Mund.

«Was denn?», will sie kauend wissen und versucht ihren Mund hinter einer Hand zu verstecken. Tines schlechtes Gewissen ist gemischt mit einer gewissen Aufregung.

«Ich habe Anna spontan eingeladen, zu unserem Mittagessen dazuzustossen.»

Lydia hält kurz inne. Sie verengt ihre Augen.

«Ok»

«Ja weil...» Tine gestikuliert mit ihren Händen, weil es ihr offenbar schwerfällt etwas laut auszusprechen. «Ich finde einfach, dass ihr beide so gut zueinander passen würdet und-« Ihre Wangen laufen rot an, da sie an Lydias Gesichtsausdruck lesen kann, was sie von dieser Idee hält. «Ich dachte...»

«Du dachtest, dass ich so Cecile vergessen kann?», hilft Lydia aus. Tine beisst sich auf die Unterlippe.

«Ja... eigentlich geht es mich gar nichts an aber dich so zu sehen, macht mich ganz traurig. Ich weiss von Anna, dass sie dich seit eurem letzten Zusammentreffen gerne nach einem Date fragen würde.»

Lydia seufzt. Der Appetit ist ihr nun doch vergangen. Nicht wegen der Vorstellung von einem Date mit Anna, sondern weil es sich einfach so grundsätzlich falsch anfühlt.

«Tine... du weiss doch, dass es damals ein rein freundschaftlicher Abend gewesen ist und bei mir hat sich in dieser Hinsicht auch nichts geändert.»

«Aber Liebe auf den ersten Blick gibt es doch eigentlich gar nicht. Manchmal muss man einer Sache eine zweite Chance geben», versucht Tine sie zu überzeugen.

Obwohl Lydia verärgert ist, schenkt sie ihrer Freundin ein Lächeln.

«Da kann schon sein. Aber es wäre unfair Anna gegenüber, wenn ich spüre, dass da nichts Festes draus werden könnte.»

Tine macht ein enttäuschtes Gesicht.

«Ok. Du hast ja Recht. Tut mir leid, Lydia... Ich sollte nicht Amor spielen, wenn du gar nicht auf der Suche bist.» Lydia zuckt mit den Schultern und spielt mit ihrem angebissenen Brot. «Ich werde sie anrufen und sagen, dass ich sie ein anderes Mal treffe, ok?»

«Ach Unsinn, sie ist doch bestimmt schon auf dem Weg hierher. Aber vielleicht ist es besser, wenn ich gehe, bevor sie da ist. Dann könnt ihr zwei euch eine schöne Mittagspause machen. Sei mir bitte nicht böse...»

Tine schüttelt den Kopf.

«Es tut mir wirklich leid. Ich mach das wieder gut bei dir, ok? Nach den Feiertagen gehen du und ich schön essen und du wirst von mir eingeladen.»

Lydia zwinkert ihr zu, als sie sich vom Stuhl erhebt und die erst vorhin ausgezogene Jacke wieder über ihre Schultern legt.

«Mach dir keine Sorgen. Das holen wir nach.»

Gerade als sie gehen will, ruft Tine sie nochmals zurück.

«Sehen wir uns trotzdem morgen am Weihnachtsmarkt?», will sie hoffnungsvoll wissen.

Die AnwältinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt