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Aguni lief mir bis zu meinem Zimmer hin hinterher. Ich wollte die Tür gerade hinter mir zu machen, da kam er allerdings mit rein. "Jetzt warte doch mal", sagte er, fast schon außer Atem. "Saskia, ich hab das für dich getan", sprach er dann weiter. "Soll ich dir jetzt dankbar dafür sein, dass du einen anderen Menschen umgebracht hast?" Ich blieb weiterhin mit dem Rücken zu ihm stehen. "Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich alles tun würde, um dich zu beschützen, weil du meine kleine Schwester bist." "Aber es ist doch nichts passiert. Du hast einen Menschen ermordet, der letztendlich nichts getan hat, weil Chishiya dazwischen kam!" "Du denkst wirklich, dass er unschuldig ist, nur weil es nicht dazu gekommen ist?"

Natürlich dachte ich das nicht. Natürlich wusste ich, dass Akio schuldig war und natürlich hätte er eine Strafe dafür verdient gehabt. "Darum geht es nicht", antwortete ich knapp. "Worum dann?" "Verstehst du nicht, dass ich einfach nicht möchte, dass du hier unzählige Menschen einfach so umbringst? Jeder einzelne Tod wird dich verändern Aguni, und das nicht ins positive", erklärte ich. "Das ist nun mal mein Job hier, Saskia. Wenn es dir nicht passt, dann geh." Aguni wurde lauter. "Ich weiß, dass du das nicht ernst meinst", sagte ich dann. "Takeru hat dir doch die Regeln erklärt. Verräter werden umgebracht", erinnerte er mich an Takerus Worte, ganz zu Beginn meiner Ankunft hier. Ich schwieg und sah meinen Bruder an. "Versuchte Vergewaltigung gehört definitiv zu Verrat." "Ich finde es trotzdem nicht gut. Eigentlich hättest du das gar nicht erfahren sollen!" "Ich bin aber froh, dass ich es weiß. Wie soll ich dich sonst beschützen?" Wieder schwieg ich. "Na gut, wenn du sauer sein willst, dann sei sauer. Aber sei nicht sauer auf Chishiya, denn ich habe ihm damit gedroht, ihn umzubringen, wenn er mir nicht die Wahrheit sagt. Er hätte es mir nämlich nicht von alleine erzählt. Akio selbst hat es seinem vermeintlichen besten Freund erzählt und dieser hat es mir erzählt. Ich hab Chishiya lediglich gefragt, ob es die Wahrheit ist und er war ehrlich. Vielleicht auch, um dich zu schützen."

Ich blickte Aguni an und wusste nicht, was ich sagen sollte. "Geh, bitte. Ich möchte alleine sein", sagte ich dann. Aguni nickte und lief zur Tür, blieb dann aber doch nochmal kurz stehen. "Ich weiß, es ist schwer und eigentlich hatten wir dieses Gespräch schon einmal, aber du solltest langsam akzeptieren, dass diese Welt hier anders ist, als die Welt, wie wir sie kannten. Ich hab mich verändert, um mich selbst und meine Freunde zu schützen. Das ändert aber nichts daran, dass du meine Schwester bist und ich dich liebe." Mit diesen Worten verließ Aguni mein Zimmer und ich ließ mich auf mein Bett fallen.

Einige Stunden lag ich da und dachte nach. Diese Welt hier löste Gefühle und Gedanken in mir aus, die mich absolut überforderten. Ich weiß nicht, was richtig und was falsch ist - alles was ich weiß ist eigentlich, dass ich irgendwie überleben und in die richtige Welt zurückkehren möchte.

Auf einmal klopfte es an meiner Tür. Ich versuchte es zu ignorieren, aber es klopfte erneut. Genervt rollte ich die Augen, stand dann aber auf und öffnete sie.

"Was willst du, Chishiya?", fragte ich, als ich sah, dass er vor mir stand. "Nach dir sehen", antwortete er knapp. "Gut, das hast du hiermit erledigt. Dann kannst du ja jetzt wieder gehen." Ich wollte die Tür schließen, doch Chishiya war schneller als ich und trat ins Zimmer ein. "Saskia, sei nicht sauer auf mich, nur weil ich deinem Bruder die Wahrheit gesagt habe, nachdem er mich bedroht hat", sprach er, während ich mit dem Rücken zu ihm stand. Ich überlegte kurz, dann setzte ich mich auf mein Bett. "Das bin ich gar nicht", antwortete ich dann. "Warte, bist du nicht?", fragte er dann, sichtlich verwirrt. "Nein, du hast auch nur dein eigenes Leben gerettet. Eigentlich bin ich sauer auf diese Welt, weil sie die Menschen ins negative verändert. Ich möchte einfach nur nachhause!", äußerte ich. "Hast du schonmal überlegt, ob Aguni nicht auch noch andere, außer dir mit dieser Aktion gerettet hat?" "Wie meinst du?", entgegnete ich und sah ihn fragend an. "Akio war wirklich kein guter Mensch. Er hat schon mehrere Frauen missbraucht, nur dieses Mal, hat er es bei der Falschen versucht." "Ich dachte, das wären nur Gerüchte?" "Quatsch, das ist die Wahrheit! Wie viele Frauen haben sich schon über seine Übergriffe beschwert. Die waren nur nicht die Schwester vom Anführer des Militärtrupps. Wenn du also Schwierigkeiten mit dem Gedanken hast, dass Aguni das für dich getan hat, dann denk darüber nach, wie vielen anderen Frauen er damit geholfen hat. Ich denke nicht, dass es ihn zu einem sehr viel schlechteren Menschen macht, wenn er einen schlechten Menschen umbringt."

Ich schluckte kurz, denn darüber hatte ich noch nicht nach gedacht. "Kann ich dich mal etwas anderes fragen?" "Klar", nickte er. "Wie hast du es geschafft, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mir zu helfen?"

Chishiya schluckte, dann sah er mich an. "Ich hatte dich den ganzen Abend im Auge", erklärte er dann. "Aber wieso?" "Erinnerst du dich nicht an die Worte von deinem Bruder? Dass ich dafür sorgen soll, dass du lebst, außerhalb und in den Spielen?" "Ach, das ist doch Blödsinn. Sonst hattest du mich auch nicht die ganze Zeit im Auge. Sag mir, warum du mich beobachtet hast und warum du mir geholfen hast", wiederholte ich nochmal.

"Weißt du, vielleicht bin ja nicht nur ich dir sympathisch, sondern vielleicht bist du mir auch ganz sympathisch. Vielleicht liegt mir ja etwas an dir", sagte Chishiya dann und verließ mein Zimmer.

Magical Hearts » Chishiya || Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt