# 19

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- Mona -

„Da bist du ja endlich!“, rufe ich lachend, als ich mich durch die immer noch dicht gedrängten Studentenmasse von der Tanzfläche hinunter schiebe und Zoe im Anschluss daran mit einer festen Umarmung und zwei Wangenküssen begrüße.

„Endlich ist gut“, entgegnet meine beste Freundin und grinst mich verschmitzt an, als wir uns wieder voneinander lösen, „ich bin schon mindestens eine Viertelstunde hier. Aber so abgelenkt, wie du warst, ist es ja auch nicht sonderlich überraschend, dass du das nicht mitbekommen hast.“

Oh…

Schuldbewusst beiße ich mir auf die Unterlippe und weiche Zoes Blick peinlich berührt aus.

Ich kann nicht bestreiten, dass das zwischen Hannah und mir auf der Tanzfläche vorhin mehr als offensiv gewesen ist.
Und ich gebe auch zu, dass ich mich ein wenig in unserer provokativen Zurschaustellung verloren habe, was aber nicht unbedingt an Hannah lag, sondern an einer anderen…rotblonden…Schönheit…die ich in diesem Moment gerne an Hannahs Stelle gehabt hätte.
Mehr als gerne sogar…

„Du…du hast Hannah und mich also zusammen gesehen“, sage ich leise und ziehe meinen Kopf noch ein Stück mehr zwischen meine Schultern, als Zoe nickt.

„Na ja, ihr wart ja schwer zu übersehen“, erwidert sie belustigt und legt mir mit einem beruhigenden Lächeln eine Hand auf die Schulter, als ich beginne, unruhig auf der Stelle hin und her zu treten, „mach dir keine Gedanken, okay? Ich habe dir doch gesagt, dass ich keine Gefühle für Hannah habe, von daher bin ich auch nicht eifersüchtig oder so was. Auch wenn ich trotzdem nicht bestreiten kann, dass Romy, Imke und ich ziemlich überrumpelt gewesen
sind, als Thomas uns…“

„Romy?!“

Ruckartig hebe ich meinen Kopf und starre Zoe mit weit aufgerissenen Augen an, die mich wiederum etwas verwirrt anblinzelt, bevor sie nach kurzem Zögern erneut nickt.

„Ja, ähm…Romy und Imke. Die Beiden haben mich hierhin begleitet, weil ich nicht alleine zur Party gehen wollte und…“

„Wo ist sie?!“

„Äh, also Imke ist gerade mit Thomas zur Bar…“

„Herrgott, Süße!“, stoße ich ungeduldig hervor und schnaufe tief durch, „ich meine doch nicht deine bebrillte Mitbewohnerin und ihren zukünftigen Ehemann! Ich meine Romy!“

„Ja, das dachte ich mir schon“, murmelt Zoe und für einen kurzen Moment schwingt etwas in ihrem Blick mit, was ich nicht ganz zuordnen kann, ehe sie mit einem knappen Räuspern eine Haarsträhne hinter ihr Ohr streicht, „Romy ist wieder gegangen.“

„Gegangen?!“

„Ja“, Zoe zuckt mit den Schultern, während meine Augen noch größer werden, „sie meinte, sie würde sich nicht besonders gut fühlen, was aber eigentlich auch nicht sonderlich überraschend ist. Immerhin wollte sie von Anfang an nicht mit zur Party kommen.“

„Verstehe“, murmle ich fast schon teilnahmslos, wohingegen meine Gedanken sich mehr und mehr überschlagen.

Ist…ist Romy etwa gegangen, weil sie…weil sie Hannah und mich zusammen auf der Tanzfläche gesehen hat?
Gut, vor ein paar Tagen hat sie Lea und mich auch zusammen gesehen, aber das war immer noch etwas anderes.
Schließlich habe ich ihr während meines Kusses mit Lea permanent in die Augen geschaut und insgeheim gehofft, dass Romy sich wie ich vorgestellt hat, dass sie an Leas Stelle wäre…
Aber hier, bei dem Kuss mit Hannah, habe ich sie ja nicht mal bemerkt…
Denn wenn das wirklich so sein sollte…wenn Romy sich deswegen nicht mehr so gut gefühlt haben und gegangen sein sollte…bedeutet das doch, dass…dass…

„Zoe?“ Ich versuche, meine Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen, als ich meinen Kopf wieder hebe und meiner besten Freundin fest in die Augen schaue. „Wann…wann genau ist Romy gegangen?“

- Romy -

Diese selbstherrliche, egozentrische, hochmütige…arrgghh!

Begleitet von dem energischen Klackgeräusch meiner Schuhe schnaube ich abfällig auf und stapfe weiter über den Bürgersteig hinweg die dunkle Straße entlang, welche vereinzelt von einigen Laternen beleuchtet wird.

Diese obszöne Szene auf der Tanzfläche…
Die ordinären Küsse…
Die anstößigen Berührungen…
Diese ganze…dreiste…Präsentation…der beiden...und dann auch noch im Beisein der gefühlt halben Studentenschaft!
Haben die Zwei kein Schamgefühl oder was?!
Es hätte nicht mehr viel gefehlt und sie hätten es auch gleich dort vor Ort miteinander treiben können, wenn sie es nicht mittlerweile sowieso schon in irgendeiner stillen Kammer tun!
Oder direkt irgendwo auf dem Flur!
Mona war da beim letzten Mal ja auch nicht allzu wählerisch…

Mein immer noch zugeschnürter Brustkorb zieht sich bei der aufsteigenden Erinnerung noch
weiter zusammen, bis ich schließlich fast schon ergeben aufseufze und meine Schritte nach und nach verlangsame.

Was…verdammt, was ist denn nur los mit mir?!
Diese Wut…diese Missgunst…diese abschätzigen Gedanken gegenüber Mona…
So…so kenne ich mich überhaupt nicht!
Ich lasse mich doch auch sonst nicht von so einem frivolen Verhalten irgendwelcher Leute reizen.
Im Gegenteil, es ist mir sogar ziemlich egal.
Sollen sie doch machen, was sie wollen.
Es sind schließlich alles erwachsene Menschen.
Also, warum…verdammt noch mal…warum stört es mich dann so sehr, dass Mona mit dieser Hannah so ein Verhalten an den Tag legt?!
Es könnte mir doch eigentlich genauso egal sein!

Ich meine, ich weiß zwar, dass Mona mich aus einem mir völlig unbekannten Grund anzieht, aber das bedeutet einerseits noch lange nicht, dass ich diesem rein körperlichen Verlangen auch nachgeben muss oder gar möchte, und andererseits erklärt es auch noch lange nicht, weshalb ich seit diesem Anblick dieses beengende Gefühl in meinem Körper spüre.

Fast so, als würde mir jemand den Hals zudrücken und zeitgleich dazu meinen Brustkorb mit einem Hammer in seine Einzelteile zertrümmern…

Das…das ist doch nicht normal…oder?
Schließlich kenne ich diese Frau nicht mal wirklich.
Oder zumindest nicht besonders gut, da man bei unseren sporadischen Begegnungen in der WG ja wohl kaum von richtigem Kennenlernen sprechen kann.

Beispielsweise, als sie mich ziemlich rüpelhaft beim Üben für den Musikakademieauftritt gestört und…und sich ganz dicht hinter mich gestellt hat…
So dicht, dass…dass ich ihren Atem in meinem Nacken spüren konnte…
Oder…oder als sie plötzlich in der Küche bei Zoe saß, als…als ich gerade aus der Dusche kam…

Zu dem zugeschnürten Gefühl in meinem Hals und Brustkorb gesellt sich ein pulsierendes Ziehen in der Mitte meines Körpers, welches mich scharf einatmen und anschließend mit einem harten Schlucken wieder ausatmen lässt.

Schluss jetzt!
Ich muss mich endlich zusammenreißen und aufhören an Mona zu denken!
Aber wie…verdammt noch mal…wie bekomme ich diese verfluchte Frau nur aus meinem Kopf?!

„Ist das nicht ein bisschen riskant, so spät noch alleine unterwegs zu sein?“

Leben Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 2) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt