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- Mona -

„Mona, bleib hier! Ich bin noch nicht fertig!“

„Ich aber!“, fauche ich wutschnaubend zurück und werfe die Autotür, nachdem ich mich auf der Rückbank aus dem beherzten Griff meiner Mutter gewunden habe und ausgestiegen bin, mit einem derart lauten Schlag hinter mir zu, dass unser Chauffeur Martin auf seinem Fahrersitz hinterm Steuer erschrocken zusammenzuckt.

Meine Mutter hingegen scheint der kräftige Knall keineswegs beeindruckt zu haben.
Zumindest deuten ihr erzürnter Blick in meine Richtung und das erboste Beben ihrer Nasenflügel, mit dem sie auf der anderen Seite des Autos aussteigt, nicht unbedingt darauf hin, auch wenn ich dies nur am Rande mitbekomme, so schnell wie ich mich von dem Geschehen abwende und über den Bürgersteig hinweg durch die mittlerweile herrschende Dunkelheit in Richtung meines Wohnhauses stapfe.

Was für ein furchtbarer Abend!
Ein furchtbarer Abend mit furchtbar anstrengenden Menschen und diesen unendlich vielen und furchtbar langweiligen Unterhaltungen!
Und dabei hätte dieser Abend doch eigentlich so schön werden sollen…

Wütend und wehmütig zugleich zupfe ich im Gehen an dem Stoff des unmöglichen Fummels, in welchen meine Mutter mich, begleitet von diversen Androhungen und Schimpftiraden, mehr schlecht als recht hineinbugsiert hat.
Meinen zunehmend wachsenden Protest und Widerstand hat sie dabei nicht im Geringsten interessiert.
Aber warum sollte sich etwas, was schon seit meiner frühesten Kindheit eine Art Tradition zwischen uns ist, so plötzlich über Nacht einfach ändern?

Ich hole tief Luft und stapfe weiter über das dunkle Pflaster des Bürgersteigs, wobei die Absatzschuhe an meinen Füßen aufgrund der zunehmenden Heftigkeit meiner Schritte immer bedenklichere Geräusche von sich geben.

Mir ist bei bestem Willen schleierhaft, wie mein Großvater und dieser Adalbert Fürchtenhans schon so lange eine erfolgreiche Geschäftspartnerschaft miteinander führen können.
Dieser Mann hat das Charisma einer Trauerweide und dessen Stamm wahrscheinlich in seinem Hintern stecken!

Und sein Junior ist mindestens genauso schlimm!

So viel zu Zoes mutmachender Hoffnung, dass mich mein erster Eindruck bezüglich des Geschäftspartnersprosses vielleicht trügen könnte.
Weit gefehlt, meine Liebe!
Um Lichtjahre weit gefehlt, wenn wir ganz genau sein wollen…

„Das könnte dir so passen, Fräulein!“, höre ich meine Mutter hinter mir zetern und bleibe mit einem genervten Augenrollen stehen, „hast du überhaupt auch nur ansatzweise eine Ahnung, in was für eine missliche Lage du deinen Großvater und mich da soeben gebracht hast?! Hm?! Hast du das, Mona?!“

„Du wirst es mir ja sicherlich gleich verraten, inwiefern ich das getan habe, nicht wahr?“, entgegne ich und drehe mich nach kurzem Innehalte so gleichgültig wie möglich zu meiner Mutter um, deren verkniffener Mund sich mehr und mehr verzieht.

„Du bist wirklich nicht in der Position, mich derart herablassend anzuschauen, junge Dame“, sagt sie leise und ich muss mich arg zusammenreißen, um nicht vor ihrem bedrohlich langsamen Näherkommen zurückzuweichen. „Was du dir heute Abend geleistet hast, ist nicht zu entschuldigen. Diese halbherzigen und fast schon zynischen Beiträge zu unseren Konversationen. Dein trotzig-kindisches Benehmen, was so gar nicht deiner Erziehung entspricht. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, krönst du diesen Auftritt auch noch mit deinem unmöglichen Verhalten gegenüber Ludwig Fürchtenhans…“

„Der Kerl wollte mich küssen!“, unterbreche ich die Aufzählung meiner vermeintlichen Schandtaten, wobei meine Stimme vor Abscheu und Ekel nur so trieft, „da muss sich der feine Herr nicht wundern, wenn er sich für seine unverschämte Aktion auch eine dementsprechende Reaktion einfängt!“

„Du hast ihn vor der gesamten Restaurantgesellschaft geohrfeigt und mehr als degradierend beschimpft!“ Der abrupte und für ihre Verhältnisse viel zu aufgebrachte Schrei meiner Mutter lässt mich erschrocken zusammenzucken. „Kannst du auch nur im Geringsten erahnen, was dein Verhalten für Konsequenzen für unsere Familie haben wird?! Für deinen Großvater?! Für mich?! Nein! Und es interessiert dich auch nicht! Du hast doch überhaupt keinen Schimmer von Verantwortung oder Aufopferungsbereitschaft! Dir ist alles um dich herum gleichgültig, solange du weiterhin dein egoistisches  Verhalten an den Tag legen und deiner unnatürlichen Leidenschaft frönen kannst! Du…du bist eine Schande für unsere Familie!“

Leben Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 2) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt