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- Mona -

„Das war wirklich eine vortreffliche Idee Ihrerseits noch einen letzten Trunk außerhalb der von uns bereits besuchten Lokalität zu uns zu nehmen, meine verehrte Mona.“

„Ja…total vortrefflich“, murmle ich und presse meine Zähne mittlerweile so fest aufeinander, dass es an ein Wunder grenzt, dass der Spross von Adalbert Fürchtenhans nicht schon längst die Flucht vor meinem gereizten Zähneknirschen ergriffen hat.

Aber nein, in dieser Hinsicht hat der junge Ludwig bisher leider keinerlei Anstalten gemacht.
Im Gegenteil.
Nichts hat ihn an diesem Abend aus der Fassung bringen können.
Weder mein fast schon vulgäres Verhalten beim Essen, meine provokativen Aussagen und Ansichten noch meine mehr als fehlenden Manieren während des gesamten Abends.
Nichts, aber auch wirklich nichts, hat dafür gesorgt, dass dieser versnobte Knilch mit
gerümpfter Nase aufsteht und hoch erhobenen Hauptes davon stolziert.
Absolut rein gar nichts!
Es ist wirklich zum Durchdrehen!
Und das würde ich auch bald tun, wenn mir nicht endlich bald jemand dieses gepuderte Pudelgesicht mit blondierter Föhnfrisur und wässrig blauen Augen vom Hals schafft!

„Oh ja, in der Tat. Überaus vortrefflich würde ich sogar sagen. Und dann auch noch in einem solch bemerkenswerten und außergewöhnlichen Etablissement.“

„Das ist eine stinknormale Bar.“

„Stinknormal...“ Ludwig verzieht über meine scheinbar belustigende Wortwahl seine hauchschmalen Lippen zu einem Schmunzeln, von dem ich unter anderen Umständen einen Würgereiz bekommen hätte, „nun denn, das mag vielleicht sein. Aber nichtsdestotrotz trägt sie in meinen Augen einen recht ungewöhnlichen und zugleich doch erheiternden Namen. „The Tipsy Deer“. Hach, das erinnert mich an den letzten Jagdaausflug von meinem Vater und mir. Waren Sie schon einmal jagen, meine verehrte Mona?“

„Nein.“

Und ich habe es auch nicht vor!
Himmel, wie schafft dieser Kerl es eigentlich mir von Atemzug zu Atemzug unsympathischer zu werden?

„Dann müssen Sie mich unbedingt einmal auf unseren nächsten Ausflug begleiten. Ich bin mir sicher, dass Sie daran Gefallen finden würden.“

„Nein, danke. Ich bevorzuge gleichrangige Gegner, die sich auch adäquat wehren können und nicht unschuldige Rehe oder Kaninchen“, knurre ich immer mehr um Fassung bemüht, während ich die Tür zum besagten „Etablissement“ aufdrücke und Ludwig hinter mir erneut in ein Gelächter ausbricht, welches einer Mischung aus dem Wiehern eines gebärenden Pferdes und dem Hohlklang einer verrosteten Gießkanne gleicht.

„Mona, Mona. Ich muss schon sagen, an Ihnen ist wirklich eine Komikerin verloren
gegangen“, sagt er und wischt sich eine Lachträne aus seinem rechten Augenwinkel, was ich wiederum nutze, um seufzend die Augen zu verdrehen.

„Wenn Sie das sagen“, erwidere ich tonlos und drehe meinen Kopf gelangweilt zum Barraum, welcher sich überraschend weitläufig vor uns erstreckt.
Von dem dezent gedimmten und warmen Lampenlicht angestrahlt, sind diverse Sessel und Stühle zu kleinen Sitzgrüppchen angeordnet und mit einem gewissen Abstand über den Raum verteilt worden, sodass auch bei etwas weniger Trubel trotzdem ein gewisses Maß an Privatsphäre für die Gäste gewährleistet ist.
Die Bezüge der Sessel und Stühle sind mit feinem Leder überzogen, welches jedoch nicht den typisch steifen Eindruck macht, sondern vielmehr gemütlich wirkt, genauso wie die kleinen Tische aus dunklem Holz in der Mitte der jeweiligen Sitzgruppen ein niedliches Bild abgeben.
Alles in allem wirkt die Bar recht einladend – trotz ihres etwas ungewöhnlichen Namens.
Aber gut, irgendwie muss man ja neue Gäste auf sich aufmerksam machen.
Und abgesehen davo-…

Meine Gedanken stoppen abrupt und meine Augen weiten sich um ein Vielfaches, als sie mit ihrem Blick an einer etwas abgelegenen Sitzecke hängen bleiben, in welcher zwei Personen sitzen.
Von der einen Person, ein Mann mit dunklem Haar, sehe ich nur den Hinterkopf, da er in seinem Sessel mit dem Rücken zu mir gewandt sitzt.
Auf die andere Person hingegen habe ich einen nahezu perfekten Blick.
Die rotblonden Haare.
Die funkelnden blauen Augen.
Und das unverkennbare süße Lachen, mit welchem Romy einen Großteil des Barraums erfüllt…

- Romy -

„Das hast du nicht wirklich gemacht, oder?“, frage ich und bedecke meinen kichernden Mund mit einer Hand, während David sich schulterzuckend in seinem Sessel zurücklehnt.

„Mir blieb ja nichts anderes übrig. Und das hatte ich auch damals meinem Einsatzleiter gesagt, nachdem er mir zuvor vollkommen irritiert dabei zugesehen hatte, wie ich in unserer klassischen freiwilligen Feuerwehrsbekleidungsmontur und mit einer Packung Leckerlis in der Hand über das Garagendach der alten Dame auf den angrenzenden Baum geklettert bin und so nach und nach den dicken Findus heruntergelockt habe. Auch wenn er mich anfangs ziemlich angefaucht und ein paar Mal nach mir gehauen hat. Zumindest, bis er die raschelnde Leckerlitüte in meiner Hand bemerkt hat.“

„Ja, das war wahrscheinlich das ausschlaggebende Argument“, stimme ich David nickend zu und schlage mit einem amüsierten Lächeln meine Beine übereinander, wohingegen David mit
einem erneuten Schulterzucken ebenfalls nickt.

„Gut möglich. Zumindest hat das auch Frank damals behauptet. Also, mein Kumpel, den ich hier besuche. Wir haben uns bei der freiwilligen Feuerwehr kennengelernt und sind nach seinem Umzug hierhin in Kontakt geblieben. Und jetzt besuchen wir uns alle paar Monate
immer mal wieder, je nachdem, wie es gerade zeitlich bei uns passt. Und übermorgen muss ich ja auch schon wieder zurückfahren.“

„Oh“, ich beiße mir schuldbewusst auf die Unterlippe, „würdest du dann nicht eigentlich lieber deine restliche Zeit hier mit deinem guten Freund verbringen?“

„Nein, ehrlich gesagt nicht“, entgegnet David kopfschüttelnd und grinst mich breit an, als meine Augenbrauen sich fragend heben, „ich meine, ich müsste doch ein ziemlicher Idiot sein, wenn ich freiwillig auf einen wunderschönen Abend mit einer noch viel wunderschöneren Frau verzichten würde, findest du nicht?“

„Ich…ähm…“
Unschlüssig in dem, was ich auf Davids Worte erwidern soll, blinzle ich einfach nur ein paar Mal und spüre gleichzeitig zu meinem Ärger, wie eine leichte Wärme in meine Wangen steigt, was David wiederum kurz auflachen lässt.

„Habe ich dich in Verlegenheit gebracht? Das tut mir Leid…“ Mit einem verschwörerischen Zwinkern richtet David sich auf und lehnt sich ein Stück zu mir vor, bevor er mit gesenkter Stimme fortfährt. „Aber wenn du möchtest, könnte ich mich noch ein wenig adäquater für meine Worte entschuldigen. Das Apartment, welches ich für meinen Aufenthalt hier gemietet habe, ist schließlich nur ein paar Straßen entfernt.“

E-Entschuldigen?
A-Apartment?!

Mit einer Mischung aus Überrumpelung und Fassungslosigkeit starre ich David aus immer größer werdenden Augen an.

Das…das kann er doch nicht ernst meinen!
Klar, er ist ganz nett und wir haben uns bislang recht gut verstanden, aber…aber wir kennen uns doch trotzdem kaum!
Eigentlich gar nicht!
Und abgesehen davon…ich meine…er und ich…wir…zusammen…das…das…

„Guten Abend. Ich hoffe, ich störe nicht?“

Immer noch mehr als überfordert mit der ganzen Situation drehe ich meinen Kopf zur Seite und damit zu der sichtlich kühlen Stimme, die so plötzlich neben uns erklungen ist, nur um im nächsten Moment meine Augen noch weiter aufzureißen, als ich Mona neben unserem Tisch stehen sehe…

Leben Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 2) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt