Epilog

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- Mona -

„Das heißt, du hattest bezüglich David schon damals ein schlechtes Gefühl gehabt?“

„Ja“, Romy nickt langsam und seufzt tief, während sie meinem besorgten Blick bewusst ausweicht, „und du glaubst gar nicht, wie oft ich mir im Nachhinein Vorwürfe deswegen gemacht habe. Dass ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört und auch später diese ganzen kleinen Zeichen und Hinweise, die es gegeben hat, nicht gesehen habe…nicht sehen wollte. Ich hätte Jojo und mir so viel Schmerz in den letzten Jahren ersparen können, wenn ich einfach rechtzeitig die Reißleine gezogen hätte und gegangen wäre, als es noch einfach war…oder zumindest einfacher, als es letztendlich gewesen ist. Und vor allen Dingen hätte ich…hätte ich dich dann auch nicht damit hineingezogen…“

„Stop.“ Noch bevor Romy protestieren oder mir erneut ausweichen kann, umfasse ich ihre Schultern mit meinen Händen und bringe sie so dazu, wieder zu mir zu sehen, „du hast mich in überhaupt nichts hineingezogen, verstanden? Und du solltest dir auch keine Vorwürfe
machen. Du hast damals die Entscheidung getroffen, die für dich, und vor allen Dingen unter Berücksichtigung deiner besonderen Umstände, am besten gewirkt hat…genauso wie ich.“

„Was…was meinst du damit?“, fragt Romy langsam und mustert mich mit schief gelegtem Kopf aus ihren blauen Augen, was mich wiederum aufseufzen lässt.

„Nach meinem Zusammenbruch an diesem Abend…ging es mir eine zeitlang nicht gut. Und wenn Zoe und auch Imke nicht da gewesen wären, wäre ich mit Sicherheit aus der Uni geflogen und früher oder später auf der Straße gelandet. Ich habe mich komplett hängen lassen, bis ich…bis ich damit begonnen hatte, mich vollkommen von meinen Gefühlen abzuschotten. Stattdessen habe ich mich angefangen, mich auf mein Studium zu konzentrieren. Voll und ganz. Ich habe jede freie Minute in der Uni verbracht, habe bis tief in die Nacht gelernt anstatt auf Partys oder zu irgendwelchen Frauen zu gehen und habe am Ende meines Studiums sogar als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Und diesen Lebensstil habe ich auch nach der Uni fortgeführt. Ich habe mich mit vollem Einsatz in meinen Lehrerinnenjob reingekniet und bin bis spät abends in der Schule geblieben. Sei es um Klausuren zu korrigieren oder den
Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten. Und so hat es auch nicht lange gedauert, bis ich mich recht schnell zu einer der kompetentesten Lehrerinnen der Schule hochgearbeitet hatte. Und als unser alte Direktor mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, seine Nachfolge anzutreten, habe ich nicht lange gezögert und gleich zugesagt, auch wenn dadurch einige weitaus ältere und vor allen Dingen erfahrenere Kollegen übergangen worden sind, welche mir das jedoch allesamt glücklicherweise nicht Übel genommen hatten.“

Ich hole tief Luft und streiche Romy mit einem Finger liebevoll über die Wange, die mich immer noch aus ihren großen blauen Augen betrachtet.

„Also hast du dich in deiner Arbeit vergraben, weil du…weil du dich nicht mit deinen Gefühlen auseinandersetzen wolltest?“

„Ganz genau“, ich nicke leicht, „und auch wenn ich mittlerweile weiß, dass so etwas langfristig alles andere als gesund ist und man sich lieber mit seinen Gefühle auseinandersetzen sollte, war es damals für mich die Strategie gewesen, die mich aus meinem Loch rausgeholt hat. Zumindest für einen gewissen Zeitraum. Und dass wir uns dann nach so langer Zeit völlig unverhofft wieder begegnet sind, war dann meine letztendliche Rettung gewesen, weil ich so endlich mit all dem vergangenen Ballast zwischen uns abschließen konnte.“

„Verstehe“, Romy erwidert mein Nicken mit einem sanften Lächeln, ehe sie sich mit zögernder Miene auf die Unterlippe beißt, „und was ist mit deiner Mutter? Ich meine, habt ihr euch nach dieser Auseinandersetzung noch einmal gesehen?“

„Nein.“ Ich schüttle den Kopf und lockere meine mit einem Mal steifer werdende Körperhaltung, indem ich meine Schultern vor- und zurückrollen lasse. „Seit unserer
Auseinandersetzung an diesem Abend habe ich sie nicht mehr gesehen. Und sie hat auch in all den Jahren nie versucht Kontakt zu mir aufzunehmen. Aber das ist auch gut so. Ich habe sie nie vermisst, im Gegensatz zu Wilhelmine. Wahrscheinlich wird meine Mutter ihr untersagt haben, Kontakt zu mir aufzunehmen, nachdem ich mich ihr gegenüber derart unverschämt verhalten habe. Es würde mich zumindest nicht wundern.“

Leben Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 2) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt