8| Chapter VIII

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Die ganze Nacht lang wälzte May sich unruhig im Bett herum. Der Schlaf war ihr fern und diesmal nicht bloß wegen dem Ungemütlichen Gips. Ständig fragte sie sich, was Xavier ihr wohl erzählen wollte und ständig machte sie sich Vorwürfe, dass sie ihn nicht hätte unterbrechen sollen. Diese dämliche Frage. Die hätte sie auch zum Schluss noch stellen können. Aber nein, natürlich hatte sie es verbockt, was den auch sonst?! Wütend über sich selbst drehte May sich auf die Seite. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie den dunklen Boden finster an, als wäre es seine Schuld, dass sie so doof gewesen war. Warum hatte sie das eigentlich gefragt? Die Antwort war ihr doch schon vorher klar gewesen. Xavier würde sie nicht erkennen, solange sie sich nicht bereitwillig zu erkennen gab.

Heute war der letzte Tag vor dem großen Poe-Cup Wettbewerb. Der Unterricht wurde heute schon etwas früher beendet, damit sich die Kandidaten ausreichend für das morgige Ereignis vorbereiten konnten. May war bloß froh darüber, den Unterricht so frühzeitig verlassen zu dürfen. Sie hatte die letzte Nacht so erbärmlich geschlafen. Gähnend packte sie ihre Bücher in die Tasche und verließ den Klassenraum. Normalerweise hätte sie nun noch drei Stunden Unterricht gehabt, doch zum Glück war es heute nicht so. Das Gebrabbel der Schüler um sie herum verpuffte in ihren Ohren zu nebeligen Geräuschen, während sie schlurfend zum Schulgarten humpelte. Dort angekommen ließ sie sich erschöpft unter ihrem Lieblingsbaum fallen. Es war eine knorrige Weide mit langen auf den Boden fallenden Ästen. May warf ihre Tasche und die Krücke neben sich auf das frisch gemähte Gras. Es duftete gut. Sie schloss die Augen und atmete den Geruch des Grases ein. Doch der Geruch veränderte sich aufeinmal. Es roch nun nach süßen Parfüm und Weichspüler. Verwirrt öffnete May die Augen. Eine pinke Silhouette schwebte vor ihren müden Augen. Sie hatte gewisse Schwierigkeiten, ihre Sicht scharf zu stellen, doch als die Gestalt zu reden begann, erkannte May sie sofort;
"May! Ich hab dich überall gesucht! Du musst mir unbedingt helfen"
"Man Enid, kann dir nicht wer anders helfen?" seufzte May "Ich bin echt total müde, verdammt!"
"Aber.. aber wer soll mir denn bitte sonst dabei helfen, das richtige Make-up für morgen rauszusuchen?" beklagte Enid sich mit verzweifeltem Unterton.
"Keine Ahnung" gähnte May und schloss die Augen wieder "Frag Wednesday oder so"
"Bitte?" schnaubte Enid empört "Die ist doch viel zu sehr mit ihrem 'Monster' beschäftigt. Außerdem hat sie keine Ahnung von Make-up!"
"Dann frag halt Yoko, meine Güte!" langsam war May wirklich genervt. Sie wollte doch bloß ihre Ruhe haben..
"Na schön!" gab Enid eingeschnappt zurück und trippelte davon.
Im Nachhinein tat Enid ihr doch leid. Etwas freundlicher hätte sie sein können. Aber in diesem Moment wollte sie nichts als Ruhe. So müde war sie.
Müde...
So endlos müde..
Eine tiefe Welle von Schlaf überrollte sie und eine weitere Traumerinnerung spielte sich vor ihren geschlossenen Augen ab;

Sie war in einem dunklen runden Raum, welcher ringsum mit deckenhohen Regalen, alten Bildern und schwarzen Säulen gesäumt war. Vor ihr stand Xavier und hielt ihre Hand.
"Ich darf doch garnicht hier sein, Xav!" protestierte sie leise.
"Keiner wird jeh davon erfahren, dass du hier warst, keine Sorge!" beschwichtigte er sie und streichelte ihr über den Handrücken. Sie spürte eine Gänsehaut von dort ausgehend.
"Das mag schon sein, aber was wenn..."
"Shh!" unterbrach Xavier sie und hielt ihr mit der anderen Hand den Mund zu. Das Geräusch vom schaben von Stein auf Stein kam vom oberen Treppenabsatz, von wo nun auch Licht in den düsteren Raum schien.
"Versteck dich!" flüsterschrie Xavier mit Panik in den Augen. Und dann.. Dunkelheit.
Pure Dunkelheit.
Und das Gefühl, in Watte gepackt zu sein.

Ein kühler Windhauch strich May durch ihr kurzes weißes Haar. Benebelt öffnete sie die Augen und realisierte, dass sie noch immer auf der Wiese saß. Der Himmel hatte sich rötlich verfärbt. Die Sonne ging langsam unter. Hatte sie wirklich so lange geschlafen? War sie so müde gewesen? Und der Traum. Nur noch Bruchstücke davon wirbelten in Mays Kopf herum. Sie versuchte etwas genaues aus der Traumerinnerung fassen zu können, doch sie schaffte es nicht. Dennoch wusste sie, worum es ging.

Painful Memories || Xavier Thorpe FF (ABGEBROCHEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt