Es war Samstag Früh. Der Tag des Rabentanzes war angebrochen. May war so nervös, dabei sollte der Ball erst am Abend beginnen und bis dahin waren es noch Stunden. Dieser Ansicht jedoch waren Bianca und Divina nicht.
Mit ihren Kleidern und Taschen voller Make-up und sonstigem Beautykrams, standen die beiden vor der Zimmertür von May und Yoko.
"Guten Morgen ihr süßen" begrüßte Divina sie voller Eifer "Wer ist bereit, herausgeputzt zu werden?!"
"Mädels.. wir haben's erst halb Neun" Gähnte May, als sie ins Zimmer geplatzt kamen.
"Du hast recht! Wir sind viel zu spät!" meinte Bianca "Jetzt haben wir viel weniger Zeit, um uns fertig zu machen"
"Eigentlich meinte ich-" versuchte es May, doch sie brach ab uns seufzte geschlagen. Yoko war auch soeben aufgestanden, aber direkt Feuer und Flamme.
May entschied sich ersteinmal ins Bad zu verschwinden. Als sie wieder heraus kam, hatten die drei Anderen schon das ganze Make-up Zeugs auf dem Boden vor dem Wandspiegel ausgebreitet und brabbelten auf dem Teppich hockend, munter durcheinander.
"Machen wir zuerst das Make-up" schlug Yoko vor "Sonst werden unsere Kleider schmutzig, wenn wir die zuerst anziehen"
"Dabei müsste mir aber jemand von euch helfen!" warf May ein.
"Wie? Beim Anziehen?" harkte Bianca lachend nach.
"Natürlich nicht!" kicherte May "Ich meine beim Schminken. Alles was ich kann, ist Pickel abdecken und Maskara auftragen"
"Kein Problem, komm her!" forderte Divina und klopfte einladend auf den Boden vor sich. Behutsam kniete May sich dorthin.
"Ich würde sagen, bei dir müssen wir garnicht so viel machen. Man könnte glatt neidisch auf deine perfekte haut sein" meinte Divina, während sie in ihren Schmink-Utensilien kramte "Machen wir bei dir einfach nur die Augen und konturieren ein wenig die Nase und Wangen, was sagst du?"
May zuckte die Schultern. Sie wollte Divina einfach machen lassen. Irgendwie würde sie schon wissen, was sie tat.
"Uuund.. fertig" sagte sie etwa eine halbe Stunde später triumphierend "Willst du gucken?" sie hielt May einen Handspiegel hin. Unsicher, was sie darin sehen würde, sah May hinein.
"Na, überrascht?" fragte Divina grinsend, als sie nichts sagte.
"Und wie!" erwiederte diese "Das ist echt toll geworden"
Ihre Nase sah aufeinmal schmaler aus und das helle Blau ihrer Augen wurde durch den dunkelbraunen Liedschatten deutlich hervor gehoben. Der Eyeliner war weiß, die Wimpern dafür wurden ihr lang und schwarz gemacht, um mehr Kontrast herein zu bringen. Ihre Wangen hatten einen hauch Rosa abbekommen und an den Wangenknochen glänzte sie, ebenso an der Nasenspitze und über den leicht rosa Lippen.
"Zeig mal her!" forderte Bianca. May sah zu ihr auf und lächelte.
"Wow" sagten Bianca und Yoko im Chor. "Das hast du echt krass hinbekommen, Vina" bemerkte Yoko.
"Danke" gluckste Divina "Jetzt bin ich aber dran"
"Du kannst dir ja schonmal das Kleid überziehen, May" sagte Bianca und zog sich ihren Eyeliner das dritte mal nach "Wir sind auch gleich fertig"
May nickte und ging zu ihrem Kleiderschrank. Dort stand die Tüte mit dem Kleid, welches sie gestern noch gekauft hatte. Langsam zog sie es heraus und hielt es vor sich. Es war schlicht, aber dennoch sehr schön. Sie hatte sich für ein beigefarbenes Kleid entschieden. Das Farbthema des diesjährigen Rabentanzes war zwar Weiß, aber ein weißes Kleid wäre zu sehr in Mays Haut- und Haarfarbe übergegangen. Sie hängte es kurz über die geöffnete Schranktür, knöpfte ihr Bluse auf und schlüpfte in das Kleid hinein. Es passte wie angegossen. Aber es war wirklich kurz. Und kurze Ärmel hatte es auch. Kritisch begutachtete sie ihren Körper. Sie war so dünn, dabei aß sie genug. Anscheinend hatte sie nicht den richtigen Stoffwechsel. Mit Daumen und dem kleinen Finger konnte sie ihr Handgelenk umfassen und ihren Oberschenkel mit zwei Händen locker. Aber das war es nicht, was sie störte. Viel mehr waren es die Narben, welche sich leicht bräunlich überall an ihrem Körper abzeichneten. Zum Glück war das Kleid nicht Rückenfrei, den dort waren die grässlichsten Spuren. Aber die an Armen und Beinen waren deutlich zu sehen. May hatte noch nie so viel von ihrem Körper gezeigt, seit sie diese Striche quer über sich verteilt trug. Vermutlich würde sie angestarrt werden. Zur sicherheit zog sie sich eine weiße Neilonstrumpfhose über. Das verdeckte die Narben an den Beinen zwar nicht, ließ sie aber blasser wirken. Aber was tat sie bloß mit ihren Armen? Sollte sie einfach so dort Aufkreuzen?
Verärgert über sich selbst, schüttelte May den Kopf. Es war doch egal, was die anderen denken würden. Sie jedenfalls würde sich einen schönen Abend machen. Und von den Narben mal abgesehen, sah sie in diesem Kleid wirklich toll aus. Es hatte einen V-Ausschnitt, durchsichtige Puffärmelchen und einen leicht fallenden Faltenrock.
"Hey, das steht dir!"
May zuckte zusammen, als Bianca plötzlich hinter ihr stand.
"Aber was ist mit deinen Armen?" geschockt sah sie auf Mays Arme.
"Nichts, alles gut!" tat May mit einem Wink ab "Dein Kleid ist übrigens Bombe!"
"Findest du?" breit Lächelnd drehte Bianca sich im Kreis, sodass ihr Türkisfarbenes Paillettenkleid sich klimpernt um sie wirbelte.
"Und wie findet ihr Meins?" kam es von Yoko, die hinter ihrer Kleiderschranktür auftauchte.
"Dein ist auch voll schön" erwiederte May. Bianca bestätigte mit einem Nicken.
"Hört auf anzugeben!" protestierte Divina lachend. Sie war noch mit ihrem Make-up beschäftigt.
"Jaja" Yoko verdrehte verspielt die Augen "Machst du mir die Haare, May?"
"Klar""Fast fertig" sagte May und steckte die letzte Haarspange in Yokos Frisur.
"Sieht toll aus, danke"
Sie beide Knieten vor dem Wandspiegel, Yoko vorn und May hinten.
Mit dem Blick auf Mays Spiegelung fragte Yoko "Woher hast du die Kette?"
"Hm?"
"Die Kette! Ich hab die noch nie bei dir gesehen. Die ist schön"
"Danke" sagte May sanft Lächelnd und bürstete nocheinmal Yokos Haar durch "Die hab ich von Xavier"
Irgendwo von weiter hinten im Zimmer hörte sie, wie Bianca sich an irgendwas verschluckte. Ein Gefühl der Schuld bahnte sich in Mays bewusstsein, doch vorerst ignorierte sie es.
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Painful Memories || Xavier Thorpe FF (ABGEBROCHEN)
FanfictionABGEBROCHEN ××× May Kingster. Mit Narben vom Leben gezeichnet, doch spüren konnte sie das nicht. Um so mehr machte es ihr Angst. Angst, dass sie es doch irgendwann spüren könnte und an dem Schmerz zerbricht. Hätte sie doch nur gewusst, dass es noch...