Der Unterricht war an diesem Freitag vorbei. Im Vergleich der letzten Tage war es heute ungewöhnlich kalt draussen, weshalb die meisten Schüler ihre freie Zeit im Schloss verbrachten. Die Meisten.
May war eine der wenigen, welche sich noch draussen aufhielten. Langsam wurde aber auch ihr sehr kühl. Rein wollte sie aber nicht. Fast alle waren drinnen, was bedeutete, dass es sehr eng sein würde. Also entschied sie sich dazu, ein wenig umher zu spazieren, um sich warm zu halten.
Am See angekommen machte sie Halt. Die Wasseroberfläche war glatt, nicht eine kleine Welle war zu sehen. Der graue Himmel darüber spiegelte sich im dunklen Wasser und es sah so aus, als wäre da gar kein Wasser, sondern ein zweiter Himmel.
Ein zarter Windhauch wehte May durch das weiße Haar und ließ es ihr Gesicht umspielen. Sie musste Blinzeln, da ihr eine Haarsträhne ins Auge geweht wurde. Fröstelnd schlang sie ihre dünne Jacke um den Körper. Dabei verrutschte ausversehen ihre Kette, dessen Anhänger nun klar sichtbar auf ihrer Brust glitzerte.
May beachtete es nicht, sonder blickte weiterhin auf die spiegelnde Wasseroberfläche.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich jemand genau neben sie stellte und ebenso auf den See hinaus sah. Für einen Moment sagte keiner etwas. Beide sahen still geradeaus. Nach einigen Minuten brach die Gestalt neben May das Schweigen.
"Die Kette" sagte er, weiterhin auf das Wasser starrend.
May drehte den Kopf und sah Xavier fragend an.
"Woher hast du die?" langsam drehte auch er seinen Kopf und sah May direkt in die Augen. Sein Blick war ernst, aber nicht unfreundlich.
Sie wusste erst nicht, was sie darauf antworten sollte. Wie von selbst wanderte ihre Hand zu dem Anhänger und griff danach.
"Ich habe sie geschenkt bekommen" erwiederte sie unsicher und leise. Es war die Wahrheit. Mehr musste sie eigentlich nicht sagen.
Xavier sah ihr weiterhin mit dem ernsten Blick in die Augen, dann wandte er sich ab und beobachtete das Gras unter seinen Füßen, welches sich sanft mit dem Wind bog.
"Von wem?"
"Wie bitte?"
"Von wem hast du sie? Die Kette, meine ich" er sah wieder auf, sah ihr diesmal aber nicht in die Augen.
"Ich wüsste nicht, wa-" stammelte May.
"Von Elayne? Du kanntest sie auch, oder?" unterbrach Xavier sie "Bevor du am Sonntag vom Friedhof verschwunden bist, hast du über sie geredet, als würdest du sie kennen. Du meintest, sie wäre nicht im Sarg gewesen, als dieser verbrannt wurde" er machte eine kurze Pause, begann dann aber wieder zu sprechen "Du konntest das ja schließlich nicht wissen, wenn du sie nicht auch gekannt hättest"
May viel dazu nichts ein. Sie hatte dazu keine Ausrede parat. Also sagte sie nichts, sinder lies Xaviers Worte auf sich wirken.
"Warum also hast du mir diese ganzen Fragen zu Elayne gestellt, wenn du sie doch sowieso schon kanntest?"
"Ich.. ehm-" doch auch dazu viel ihr nichts ein. Ihre Äugen glänzten. Tränen quollen auf, doch May hielt sie zurück.
Ich würde es dir so gern sagen! dachte sie, während sie ihm in seine schönen grauen Augen sah. So gerne, wirklich! Aber das hier ist noch nicht die Zeit dazu..
"Ich kann nicht-" versuchte May zu erklären.
"Was kannst du nicht?"
Es verwirrte May, wie ruhig Xavier war. Wieder spürte sie diesen seltsamen Stich in der Brust, welchen sie schoneinmal gespürt hatte, als sie die Kette ausgepackt hatte.
"Ich.." ihre Stimme versagte und ihr Blick schwankte zum Boden. Sie musste sich wieder zusammen reißen. Doch der Knoten, der sich in ihrem Hals verfestigte machte die sache recht kompliziert.
Langsam machte Xavier einen Schritt auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck zeigte nun Verzweiflung. Das zu sehen versetzte May einen noch heftigeren Stich.
"Bitte!" flehte er mit gebrochener Stimme "Wenn du etwas weißt.. bitte sag es mir! Gibt es auch nur die geringste Chance darauf, dass sie noch lebt?"
May schluckte. Was sollte sie darauf nur antworten? Wenn sie Ja sagen würde, wäre das nur die halbe wahrheit und zudem würde Xavier noch mehr Fragen stellen. Und wenn sie Nein sagen würde, wäre das auch wieder nur die halbe Wahrheit. Außerdem konnte May an den verzweifelten Gesichtsausdruck ausmachen, dass es ihn zerstören würde, wenn sie Nein sagte. Und einfach Nichts sagen? Dann würde er denken, dass sie etwas verheimlichte. Was auch stimmte. Und keine Ahnung tendierte vermutlich eher zu Nein.
"Du musst doch etwas wissen!" sagte Xavier leise und flehend.
"Ja! Ich meine Nein, ich meine-" sie zögerte. Xavier sah sie fragend an.
"Naja also.. die Sache ist schwierig zu erklären" stotterte May "Also ich würde jetzt nicht sagen, dass sie tot ist, aber naja wie soll ich das bloß erklären..?"
Sie sah, wie sich Hoffnung in Xaviers Blick stahl. Und sofort bereute sie es, das gesagt zu haben.
"Also lebt sie noch?" fragte er hoffnungsvoll.
May seufzte. Wie konnte sie es bloß erklären, ohne etwas falsches zu sagen?
Schlussendlich entschied sie sich für die Antwort, die sie später sicher bereuen würde;
"Ja.. Ja sie ist am Leben"
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Painful Memories || Xavier Thorpe FF (ABGEBROCHEN)
FanfictionABGEBROCHEN ××× May Kingster. Mit Narben vom Leben gezeichnet, doch spüren konnte sie das nicht. Um so mehr machte es ihr Angst. Angst, dass sie es doch irgendwann spüren könnte und an dem Schmerz zerbricht. Hätte sie doch nur gewusst, dass es noch...