Nach dem Schock der Explusion hatte Direktorin Weems den Schülern erlaubt, bis zum Nachmittag im Dorf zu bleiben und ein wenig runter zu kommen, vorrausgesetzt sie würden sich um punkt 17 Uhr wieder am Busplatz versammeln.
May lief alleine durch die Straßen. Ihre Freundinnen waren im Weathervane, aber sie selbst hatte fürs erste genug von dem Laden.
Gerade kam sie am Friedhof vorbei, als sie jemanden am Eingang dort sah. Er sah sich einmal schnell um, als ob er sicher gehen wollte, dass ihm niemand gefolgt war und betrat dan den Garten der Trauer. Bei näherem hinsehen bemerkte May, dass es Xavier war. Sie hatte eine leise Ahnung, wen er dort am Totenbett besuchen würde. Ihr war klar, dass es seine eigene Angelegenheit war und dass er Zeit für sich brauchte, doch ihre Neugierde siegte. Leise folgte sie Xavier zwischen den Grabsteinen entlang. Keinesfalls wollte sie als Stalkerin abgestempelt werden, doch von Xavier bemerkt werden war ebenso wenig in ihrem Sinn. Also schlenderte sie betont lässig zwischen den Gräbern umher, dennoch so leise, dass Xavier sie eigentlich nicht bemerken sollte.
Nach kurzer Zeit schien er endlich das gefunden zu haben, was er gesucht hatte. Es war ein filigraner weißer Grabstein mit verschnörkelter Inschrift.Elayne Maya Reece
*31.07.2005 - 27.09.2020✞︎
Xavier ließ sich auf die Knie nieder und starrte auf den glatten Stein. Er murmelte etwas, doch May war zu weit entfernt um es hören zu können. Sie stand einige Meter von ihm entfernt. Ihre Deckung hatte sie vollkommen vergessen, doch das war egal. Xavier würde sie ohnehin nicht bemerken, solange sie sich nicht bemerkbar machte. Vorsichtig kam sie ein paar Schritte näher. Sie konnte nun hören, was Xavier sagte, auch wenn es nur sie letzten fünf Wörter waren; "...Es tut mir leid, Elayne"
Eine einzelne Träne kullerte über seine Wange, während er eine leicht in Mitleidenschaft gezogene, weiße Rose aus seiner Jacke holte. Er küsste die weiße Blume und legte sie sachte auf die Erde vor dem marmornen Grabstein.
"Du mochtest sie wirklich sehr, nicht wahr?" sagte May sanft. Xavier schrack heftig zusammen und rappelte sich auf.
"Oh Gott, hast du mich erschreckt!" keuchte er mit einer Hand auf sein wohl vor Schreck rasendes Herz gepresst. May weitete entschuldigend die Augen "Nein nein nein, es tut mir leid, ich wollte nicht-... also das heißt-.. ich war bloß-...!" stammelte sie ohne irgendwelche Worte richtig fassen zu können. Sie wurde rot. Xavier nahm die Hand von seinem Herz und steckte sie in seine Jackentasche. Er lächelte. Traurig und freundlich zugleich.
"Alles gut. Und ja, ich mochte sie sehr. Ich habe dir ja mal ein wenig erzählt, damals als-"
"Als du auf der Krankenstation gesagt hast, dass ich gewisse Ähnlichkeiten mit ihr habe, ich erinnere mich" unterbrach May ihn.
"Genau, und um ehrlich zu sein erinnerst du mich von Tag zu Tag mehr an sie" erwiederte Xavier leicht nostalgisch.
"Erzähl mir mehr von ihr!"
May setzte sich auf eine Bank, welche zufällig im der nähe stand und sah Xavier erwartungsvoll an. Kurz zögerte er, bevor er sich zu ihr setzte und sich räusperte;
"Wir haben uns vor circa vier Jahren hier in Jericho kennengelernt. Dort hinten im Weathervane. Mein Vater hatte mich hierher verschleppt um mit mir Nevermore zu besichtigen. Er war sich nicht ganz sicher, ob das die richtige Schule für mich ist. Jedenfalls haben Elayne und ich uns direkt prima verstanden. Ich weiß nicht mehr genau, wie es zu unserer ersten Unterhaltung gekommen ist. Wir haben einfach irgendwann über irgendwas angefangen zu reden" er machte eine kurze Redepause und als May nicht's dazu zu sagen hatte, begann er erneut.
"Naja jedenfalls ist es dann halt dazu gekommen, das wir Freunde wurden. Ich würde sogar sagen, dass sie meine beste Freundin war. Ich war seit dem dann öfter mal mit dem Bus hier in Jericho, um sie zu besuchen. Sie wohnte nämlich hier. Und als ich dann auf der Nevermore Academy augenommen wurde, hab ich sie ab und zu heimlich in die Schule geschmuggelt, wenn ich mal nicht in die Stadt durfte. Wenn ich sie nicht allermindestens einmal in der Woche sehen konnte, erlitt ich halbschwere Depressionen" er gab einen trochenen Lacher von sich, damit es bloß halb so schlimm klang "Sie hatte also tatsächlich keine Absonderlichkeit?" harkte May nach.
"Angeblich nicht. Sie hat immer steif und fest behauptet, sie sei ein Normie, aber so ganz geglaubt hab ich ihr Das nie"
"Und... was dachtest du, was ihre Fähigkeit war?"
"Ich weiß es nicht, aber bei diesem Thema hat sie sich immer seltsam verhalten, als ob sie etwas verheimlichen wollte. Ich hab dann einfach irgendwann angefangen so zu tun, als würde ich ihr glauben"
"Darf ich... darf ich fragen, wie sie.. naja.. umgekommen ist?" fragte May leise und zaghaft. Erneut schwammen Tränen in Xaviers Augen "Ich.. ehm.." begann er mit brechender Stimme.
"Ist schon gut. Tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen" plapperte May um ihren Fehler grade zu biegen.
"Nein, ist schon okay. Ich rede halt nicht gern darüber, das ist alles. Ich vermisse sie nur so sehr.. Ich würde alles tun, um sie noch einmal in den Arm nehmen zu können"
Mays Herz schlug höher, als sie das hörte "Warst du etwa-" begann sie tonlos "Du warst in sie verliebt?"
Xavier lächelte schwach mit tränenden Augen "Ich denke schon, ja" er schniefte und räusperte sich dann, damit er sich wieder fing "Aber das bringt auch nichts. Sie liegt jetzt da unten unter der Erde. Nur noch Staub und Erinnerung" dann schwieg er. May fühlte sich wie betäubt. Sie wollte aufstehen, doch sie schaffte es nicht. Sie saß nur da, neben Xavier und sah ihn an. Am liebsten hätte sie seine Hand in die ihre genommen, doch sie ließ es.
Schließlich gewann sie ihre Kraft wieder und stand auf. Schnellen Schrittes ging sie auf das Friedhofstor zu. Xavier jedoch rührte sich nicht. May zögerte. Dann wandte sie sich nocheinmal zu ihm um.
"Der Sarg war leer" sagte sie mit fester Stimme.
"Was?" fragte Xavier und hob den Kopf "Was meinst du damit der Sarg war leer?"
"Als Elaynes Leiche verbrannt werden sollte, war ihr Sarg leer. Unter diesem Stein ist bloß Holzstaub vergraben" und ohne eine Antwort von Xavier abzuwarten, ging sie.
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Painful Memories || Xavier Thorpe FF (ABGEBROCHEN)
Fiksi PenggemarABGEBROCHEN ××× May Kingster. Mit Narben vom Leben gezeichnet, doch spüren konnte sie das nicht. Um so mehr machte es ihr Angst. Angst, dass sie es doch irgendwann spüren könnte und an dem Schmerz zerbricht. Hätte sie doch nur gewusst, dass es noch...