Meine Sinne arbeiteten auf Hochtouren als ich durch den Wald rannte. Auf der Suche nach dem kleinsten Zeichen von Emily. Plötzlich erspürte ich einen leichten Windhauch mit Emilys Geruch. Sofort folgte ich dem Geruch und kam an ein Gestrüpp. Kurzerhand lief ich hindurch. Als ich wieder hinaus trat, stockte mir der Atem. Ein Schritt weiter und ich wäre 4 Meter tief gefallen. Das Problem war, dass Emily wahrscheinlich nicht so viel Glück gehabt hatte wie ich. Sie lag unten und bewegte sich nicht. Das war allerdings noch nicht das Schlimmste. Ein Wolf war ihr bedrohlich nahe. Um genau zu sein war es der schwarze Wolf.
Ohne wirklich nachzudenken was ich tat rief ich ihm zu: „Hey, lass sie in ruhe.“
Der Wolf hob den Kopf und starrte mich mit seinen roten Augen an. Ich glaubte erkennen in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Es hatte funktioniert, er achtete nicht mehr auf Emily. Nur hatte ich jetzt das Problem, dass ich in seinem Fokus stand. Er machte sich daran an einer nicht so steilen Seite des Abhangs zu mir hinauf zu kommen. Ich hatte ein kleines Déjà-vu als ich zurückwich. Wurde das Glück dieses mal wieder auf meiner Seite sein? Gerade als ich mich verwandeln wollte um mich zu verteidigen, sprang ein roter Schatten aus dem Gebüsch und riss den schwarzen Wolf von der Anhöhe. Unter mir sah ich einen rot, schwarzen Ball auf dem Boden rollen. Als sie voneinander abließen erkannte ich das der rote Schatten ein feuerroter Wolf war. Sein Fell war zottelig und schimmerte in den verschiedensten rot und orange Tönen. Ich brauchte nicht lange um zu verstehen, dass dies der Elementwolf des Feuers war. Oder anders gesagt, mein Vater. Die beiden Wölfe standen sic nun gegenüber und starrten sich nur an. Es sah aus, als würden sie einen stillen Kampf führen. Als erstes verwandelte sich mein Vater zurück. Auch jetzt ließ er den anderen Wolf nicht aus den Augen. Schließlich wurde der schwarze Wolf auch wieder ein Mensch. Er war ein Mann mit schwarzen Haaren und gebräunter Haut. Beide gingen aufeinander zu und dann passierte etwas was ich nicht erwartet hatte. Sie umarmten sich. Ich verstand die Welt nicht mehr. Dieser Wolf hatte versucht mich umzubringen. Gerade war er noch kurz davor gewesen auch Emily zu verletzen und Kai umarmte ihn jetzt einfach.
„Was ist hier los?“, fragte ich weil ich Antworten wollte.
Mein Vater ließ von dem Schwarzhaarigen ab und antwortet mir: „Lucy zum Glück geht es dir gut. Dir hatte was passieren können.“
„Ja mir geht es gut aber nicht wegen ihm. Wer ist er?“, dabei zeigte ich auf den anderen Mann.
„Lucy das ist Damion. Er ist mein bester Freund und sowas wie mein Bruder.“, bekam ich endlich als Antwort.
Bitte was? Das meinte er jetzt nicht ernst, oder?
Um meine Ungläubigkeit auszudrücken sagte ich: „Also damit ich das richtig verstehe. Der Wolf, der mich und Emily umbringen wolle ist dein bester Freund.“
Emily! Ich hatte sie fast vergessen. Schnell kletterte ich zu ihr herunter und schaute nach ihr. Sie hatte eine kleine Platzwunde am Kopf, aber ansonsten sah sie okay aus.
„Geht es ihr gut?“, fragte Kai hinter mir.
„Ich denke schon. Allerdings hat sie eine Wunde am Kopf und sie ist nicht bei Bewusstsein. Man sollte sie besser schnell untersuchen.“, sagte ich zu ihm.
„Ich bring sie schnell ins Krankenhaus.“, meinte er und schon hatte er sie sich auf den Rücken gehoben und sich wieder in einen Wolf verwandelt.
Mit ihr auf dem Rücken war er im Wald verschwunden bevor ich überhaupt richtig reagieren konnte. Ich stand auf und stellte fest, dass ich jetzt mit Damion alleine war. Mir war dabei nicht wohl und hatte angst, dass er sich gleich in einen Wolf verwandeln und mich angreifen würde. Ich drehte mich schnell um und wollte Kai folgen und damit so schnell wie möglich aus Damions Reichweite.
„Lucy warte mal.“, sagte Damion als er erkannte was ich vor hatte.
Ich drehte mich wieder zu ihm um und fragte unsicher: „Was ist?“
„Ich wollte mich entschuldigen. Ich weiß du wirst es nicht vergessen und ich kann es nicht ungeschehen machen was passiert ist, aber es tut mir ehrlich leid. Ich wollte das nie und ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen.“, sagte er fast flehend.
Ich verschränke die Arme vor der Brust: „Und warum sollte ich das tun?“
Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sagte: „Es ist schwer zu erklären. Mein innerer Wolf ist sehr willensstärk und leider auch sehr gefährlich und blutrünstig. Wenn er einmal die Kontrolle übernommen hat gibt er sie so schnell nicht wieder ab und auch so hab ich immer damit zu kämpfen das er nicht die überhand gewinnt. Nur dein Vater schafft es ihn zurück zu drängen. Er ist wie meine Familie und ich würde alles für ihn tun.“
Ich war nicht ganz überzeugt von seiner Geschichte. Jedoch war seine Stimme voller Reue und Ehrlichkeit, dass ich anfing ihm zu glauben. Außerdem stimmte es mit dem überein was ich gesehen hatte. Als mein Vater aufgetaucht war hatte Damion sich zurück verwandelt und bis jetzt noch keine Anstalt gemacht mich zu verletzen. Ich entschied im erstmal zu vertrauen. Aber nur auf Probe.
„Ich denke darüber nach.“, sagte ich versöhnlich zu ihm.
Wenn er immer noch eine Gefahr darstellen würde hätte mich mein Vater nicht mit ihm alleine gelassen. Hoffte ich zumindest.

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Wolf of Ice
LobisomemLucy zieht mit ihrer Mutter in eine kleine Stadt. Zum ersten mal lebt sie dort unter Ihresgleichen. Den Werwölfen. Nur will sie eigentlich gar nichts damit zu tun haben. Sie wäre lieber ein ganz normaler Mensch. Ausgerechnet muss sie dort auch noch...