Montag?
An die Nachwelt...
Ich habe mich dazu entschieden einen Ausschnitt aus meinem Leben in schriftlicher Form festzuhalten, falls sich die Dinge ändern und die momentane Situation einer besseren weicht. Ich weiß nicht, ob das jemals der Fall sein wird, ich weiß nicht, ob ich diese Aufzeichnungen lebend beenden werden kann.
Ich lebe in einem Raum, einer Wohnung. Seitdem es begonnen hat, habe ich diesen nicht verlassen. Es gibt ein sehr großes Fenster, das in die eine Wand eingelassen ist. Ich stehe momentan daneben und blicke auf die gegenüberliegende Seite. Die Wand ist einfarbig weiß und hat eine Tür, die sich nicht öffnen lässt. Links davon steht eine minimalistische Einbauküche. Sie verfügt über einen kleinen Schacht, der für Abfälle aller Art zuständig ist. Es scheint keine Mülltrennung zu geben. Ich weiß nicht wohin dieser Schacht führt und werde es wahrscheinlich niemals herausfinden.
Vor der Einbauküche sich zwei tiefe Barhocker und ein Runder Metalltisch. Dort esse ich Tag für Tag. Alle Möbel hier sind an dem Boden befestigt, daher kann ich den Tisch und die Hocker nicht verschieben. Die Küche endet, wo die linke Wand beginnt, diese besteht jedoch einzig aus mehreren Regalen, die allesamt mit Vorräten gefüllt sind. Genug, um hier Jahre zu überleben und das macht mir Angst. Es ist wie eine gewaltige Vorratskammer in der Größe einer Zimmerwand. Sie endet, wo die Wand mit dem Fenster beginnt. Es nimmt beinahe den kompletten Platz ein. Gardinen gibt es nicht. Rollläden gibt es nicht. Links neben dem Fenster ist ein Fernseher in den Beton eingelassen. Er steht weit in den Raum hinein und nimmt damit jedwede Möglichkeit sich zu verstecken. Deshalb stehe ich auch rechts neben dem Fenster und nicht dort. Hier gibt es einige Zentimeter kahle Wand die breit genug für mich sind.
Der Fernseher funktioniert und hat zwei Programme. Auf dem ersten läuft eine Dauerschleife der allerersten Folge von Tom und Jerry und das zweite zeigt ununterbrochen eine Liveaufzeichnung von Frank Sinatras „fly me to the moon". Ich weiß nicht wieso. Davor steht ein Sessel. Mitten im Raum befindet sich mein Bett. Darauf liegt eine schwarz weiß gezackte Bettdecke und ein Kissen. Ich hasse das Bett.
Auf der rechten Seite befindet sich, in die Wand eingelassen, die Toilette und daneben ein Waschbecken. Der Wasserhahn tropft immer ein wenig. In der Ecke, also mit etwas Abstand rechts neben der Tür, ist eine kleine Nasszelle. Hier dusche ich manchmal. Es gibt kein warmes Wasser, vermutlich damit die Glaswände nicht beschlagen. Davor steht eine Waschmaschine an der Wand. Der dazugehörige Wäscheständer steht zwischen der Tür und der Dusche ebenfalls an einer Wand. Er ist sehr üppig, und natürlich auch am Boden befestigt.
Zwischen der Waschmaschine und dem Waschbecken ist ein türloser Schrank, der in die Wand hinein geht. Dort lagen am Anfang acht Paar schwarze Socken, acht schwarze Unterhosen, acht schneeweiße Jogginghosen und acht schwarz-weiß karierte Hemden. Mittlerweile liegen sie im Zimmer verteilt. Ich trage sie, wasche sie, lasse sie trocknen und trage sie erneut. Und ich habe das Gefühl, jedes Mal ein wenig mehr verrückt zu werden. Ich weiß nicht wie lange ich schon hier bin, denn das ist nicht meine Wohnung. Ich lebe hier, ich habe alles, um hier zu leben. Ich kann mir die Zähne putzen, kann jeden Tag essen was immer ich will.
Auf dem runden Tisch lagen anfangs drei Bücher, in eines schreibe ich gerade, die anderen beiden liegen noch dort. Während dieses hier lediglich ein leeres Tagebuch ist, das ich zu füllen versuche, sind dort auf dem Tisch tatsächlich Geschichten. Die eine ist eine gebundene Ausgabe von Franz Kafkas „die Verwandlung" in Originalsprache. Ich habe sie nicht gelesen. Darunter liegt eine ebenfalls gebundene Ausgabe von Edgar Allan Poes „das verräterische Herz" in Originalsprache. Ich kenne die Geschichte, aber habe das Buch selbst nicht angerührt. Und das, obwohl ich jeden Tag an diesem Tisch sitze und esse. Es gibt drei Teller und drei Tassen, alle in weiß.
Generell sind die Farben in diesem Raum unproportional verteilt, falls das einen Sinn ergibt. An der Wand, über dem Wäscheständer, hängt ein Telefon. Es ist eines der alten mit Drehscheibe und giftgrün. Natürlich funktioniert es nicht. Aber all das ist nicht der Grund weshalb ich angefangen habe, mein Leben hier zu dokumentieren. Es geht um das Fenster und den riesigen Augapfel, der davor schwebt.
Ich habe mich an seinen Anblick gewöhnt, nicht jedoch an seine Präsenz. Seitdem ich in diesem Raum bin, schwebt er draußen vor dem Fenster und beobachtet mich unabdinglich bei allem was ich tue. Ich kann sehen, wie die Pupille mich verfolgt. Er ist fast so groß wie das Fenster selbst und kann dadurch in jede Ecke des Raumes blicken (Außer dorthin wo ich mich grade befinde, sonst würde ich hier nicht stehen). Der Augapfel ist nicht blutig oder dergleichen, er ist beinahe sogar klinisch sauber. Nicht eine unnötige Ader ist auf der weißen Lederhaut zu erkennen.
Die Augenfarbe einfach als blau zu bezeichnen, wäre absurd. Sie ist viel mehrschichtiger und detailreicher als eine einzelne Farbe es ist, aber mir fehlen die Mittel das, was ich sehe auch nur annähernd wahrheitsgetreu zu beschreiben. Daher bin ich gezwungen von einer Iris zu reden, so blau wie die Flammen der Hölle, als Metapher für das, was mich durchgehend beobachtet. Ich weiß nicht was dieses Auge bezweckt, ich weiß nicht woher es kommt. Wenn ich an ihm vorbei blicke, kann ich den Himmel sehen und nichts anderes, also gehe ich davon aus, mich in einem Hochhaus zu befinden.
Ich halte den Alltag hier nicht mehr aus, daher habe ich mich dazu entschlossen, in dieser Ecke auszuharren und mein Leben zu dokumentieren, in der Hoffnung, dass der Augapfel irgendwann verschwindet. Mehr kann ich nicht hoffen.
Dieses ist also der erste Tag. Auf dem Boden neben mir stehen fünf Plastikwasserflaschen von denen eine leer ist. In meiner Hosentasche befinden sich viele verschiedene Müsli und Proteinriegel. Ich bin dazu entschlossen, mich vor dem Auge zu verstecken, für genügend Zeit.
Ich weiß nicht wie spät es ist, weil es hier keine Uhren gibt. Manchmal kann ich die Sonne draußen sehen, dann weiß ich, dass es Zeit zum Mittagessen ist.
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I
Horror"Im still standing" ~Elton John "fly me to the moon, let me play among the starts" ~Frank Sinatra (Ol' blue eyes) Hallöchen, diese Geschichte ist tatsächlich recht interessant. Sie handelt von einem Mann, der seit geraumer Zeit in einem einzigen Z...