XI

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sechster Tag

Ich hatte einen Traum. Eine Erinnerung in Form eines Traums. Während des Essens. Nach dem Essen. Es gab Fisch, gebratenen Fisch. Wir saßen an einem Tisch in der Lobby. Wir waren hier, vor dem Experiment. ein Mann, zwei Frauen und ich. Junge Erwachsene. Ich kenne sie, war ein Teil von ihnen. Eine der Frauen heißt Maria. Sie ist in Zimmer 3056. Ich war in Zimmer 2201. Die anderen haben auch davon erzählt. Wir haben uns alle dazu entschlossen mitzumachen. Sie waren meine Freunde. Sind meine Freunde. Der Fisch war von hier. Er hat mir geschmeckt. Wir waren nicht alleine, jeder der Tische war voll. Dennoch nicht genug für knapp Zehntausend Leute. Das ist belanglos. Wir haben uns über das Experiment unterhalten.

Unsere Zimmer. Wir wussten nicht, was auf uns zukommt. Wie auch? Niemand wusste das. Es war ein letztes gutes Essen für so viele. Ich muss nach ihr sehen. Ich kenne ihre Zimmernummer, kenne ihren Namen. Kenne Sie, wahrscheinlich. Die andere Frau hat blonde Haare. Ich weiß nicht mehr wie sie heißt.
Ich muss Maria finden.


Ich befinde mich im 15. Stock. Der Gang, der sich vor mir erstreckt, ist gleich wie in jedem anderen Stockwerk auch. Es müssen um die Fünfzig Stockwerke sein, in diesem Gebäude. Es sind über neuntausend Zimmer. Ich stehe vor dem Zimmer 2945. Es ist dem Treppenhaus noch recht nahe, zumindest im Vergleich zu den anderen Hundert Zimmern, die sich im Gang vor mir erstrecken.

Gegenüber jeder Zimmertür steht der kleine Tisch mit den blauen und gelben Flyern. In Zimmer 2945 liegt ein toter Mann. Ich habe durch den Türspion geschaut. Er liegt auf dem Boden vor dem Bett, mit dem Rücken zu mir. Sein Körper ist in einem leicht verwesten, aber sonst unberührten Zustand, was einen Sinn ergibt, da hier keine Tiere sind. Ich habe während meines gesamten Aufenthalts in Zimmer 2201 kein einziges Insekt gesehen.

Der Mann scheint sich nicht selbst umgebracht zu haben. Er ist im mittleren Alter und bis auf die weiße Jogginghose vollkommen unbekleidet. Vor ihm liegt ein zerbrochener Teller, verschimmelte Teile des dazugehörigen Essens liegen auf dem Bett. Seine rechte Hand ist um die schwarzweiß gezackten Bettdecke verkrampft. Er ist korpulent. Oder war es. Vielleicht ist er erstickt. An seinem eigenen Essen. Das könnte Jahre her sein. Möglicherweise. Der Augapfel vor dem Fenster hat als stummer Zeuge zugesehen. Er spürt meine Anwesenheit, wenn ich durch den Türspion schaue. Alle haben sie gespürt, und alle haben mich versucht in das Zimmer zu locken. Doch ich werde früher oder später sowieso Marias Zimmer betreten, zumindest ihres.

Der Gang ist unendlich lang und ich habe aufgehört, den anderen Zimmern Beachtung zu schenken. Es ist sinnlos, noch mehr Leichen zu sehen. Ich gehe, während ich weiter schreibe. Die Kronleuchter hängen hell leuchtend von der Decke und ich bemitleide die Toten. Nicht sehr, aber ein wenig. Es wäre schön einfach einschlafen zu können. Oder aufzuwachen.


Ich stehe vor Marias Raum. Der Gang hat einen knick nach rechts gemacht, nur um sich dann wieder vor mir zu erstrecken. Aber ich habe es geschafft. Die Tür von Zimmer 3056 ist in keinster Weise anders, als die der anderen und das überrascht mich nicht. Der Türspion ist dort, aber ich werde die Tür direkt öffnen, ohne vorher durchzuschauen. Es hat etwas von einer Überraschungsfeier. Oder von Schrödingers Katze. Ich kenne das Gedankenexperiment von dem Tier, das entweder tot oder lebendig ist.

Nein!
Schrödingers Katze ist gleichzeitig tot und lebendig Tom.
So lange bis jemand nachschaut.
Aber wenn wenn dieser Nachtrag entsteht,
hast du eh andere Sorgen.
Hätte ich so Vieles eher gewusst...
aber keine Angst Kumpel,
Zukunfts Tom wird dir die Story nicht vorweg verraten
Diese Notiz ist vielleicht mein letzter Eintrag
Sollte das jemand anderes außer mir lesen
hoffe ich inständig,
dass sich die Dinge geändert haben.

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