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Dritter Tag

Ich habe die restliche Nacht nicht mehr geschlafen. Meine Beine haben sich wieder gemeldet und dieses Mal intensiver. Ich lehne mich bereits so gut es geht an den kalten Beton, aber es hilft nicht. Der Platz, der mir bleibt ist so eng, dass ich durchgehend mit einer Schulter die angrenzende Wand berühre. Anders geht es nicht.

Ich habe zum Frühstück bereits zwei Riegel gegessen, aber der Hunger wird größer. Ich weiß nicht wie lange ich es hier noch aushalte. Von meiner Position aus, habe ich einen guten Blick auf den Raum. Er hat sich natürlich nicht verändert. Die Wand, die eine einzige Vorratskammer ist, sieht verlockend aus. Bis zur Decke stehen dort verschiedene Lebensmittel. Nichts was gekühlt werden muss, aber neben Konserven auch Dinge Wie Mehl und Zucker oder Kekse und Weingummi. Es gibt Früchte, Brot und Nudeln, ich könnte mir auch einen Tee kochen, oder den ganzen Tag Softdrinks trinken. Das einzig seltsame an den Lebensmitteln ist, dass alle neu verpackt worden sein müssen. Als Hersteller ist ein Unternehmen namens W&J GmbH&Co.KG angegeben und ich glaube nicht, das es existiert.
Es gibt keine Nährwerte Angaben, und auch kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Ich hatte anfangs gehofft, wenigstens dort irgend einen Hinweis auf meinen verbleib zu bekommen, aber wurde enttäuscht.

Das Essen ist trotzdem nicht schlecht. Ich habe oft Nudeln gegessen. Einmal habe ich versucht einen üppigen Teig zu backen und er war tatsächlich genießbar. Sonst esse ich viele Kekse und trinke Wasser. Auch wenn die Früchte nicht zu schimmeln scheinen, gehe ich kein Risiko ein. Ich weiß, dass ich es hier womöglich besser haben könnte, aber ich will mich dem Auge nicht vollends unterwerfen, das bringe ich nicht über mein Herz.

Zum Augapfel kann ich nicht viel sagen. Ich betrachte ihn als Entität, manchmal fällt mir ein, dass er Gott selbst sein könnte. Aber das glaube ich nicht. Meistens nicht. Ich weiß, dass ich nie wirklich in die Kirche gegangen bin, bevor alles begann. Mittlerweile habe ich größtenteils aufgehört ihn zu hinterfragen. Dennoch bin ich zu dem Schluss gekommen, mich gegen ihn zu wehren. Mit den Möglichkeiten die ich habe und diese bestehen nun mal aus der Ecke.


Die erste Flasche ist voll. Ich weiß, dass es Schiffbrüchige gibt, die in ihrer Not den eigenen Urin trinken, aber soweit wird es nicht kommen. Ich erinnere mich an Robinson Crusoe. Er hatte es schlechter als ich.

Draußen ist Donner. Regen. Ich kann nicht aus dem Fenster sehen, aber ich höre das Geräusch.

Er versucht mich herauszulocken!

Es hat noch nie geregnet seitdem alles begann, ich habe noch nicht einmal Wolken gesehen. Ich frage mich, ob er noch dort ist. Ob er sich verändert hat. Draußen scheint ein Gewitter zu toben. Was würde passieren, wenn ein Blitz den Augapfel träfe? Rein spekulativ.

Der Regen hat wieder etwas angenehmes. Es erinnert mich an den Wasserhahn, der nicht mehr tropft. Ich schaue grade zu ihm. Man würde vielleicht meinen, zu einem guten Waschbecken gehört ein Spiegel. Damit läge man entweder falsch, oder man läge richtig und das Waschbecken hier ist kein gutes. Ich habe mein Gesicht seit einer Ewigkeit nicht mehr betrachtet und das macht meine Situation nicht besser. Auch, weil ich weiß, dass es durchgehend von jemand anderem betrachtet wird. Aber ich habe andere Sorgen.

Mein Magen hat sich gemeldet. Ich war seit drei Tagen nicht mehr vernünftig auf der Toilette, so dumm es klingt. Das ist insofern ein Problem, als dass ich hier nur eine begrenzte Zeit stehen werden kann. Noch sind Bauchkrämpfe das einzige, mit dem ich zu kämpfen habe, aber das könnte Übermorgen schon anders aussehen. Ich werde mir mit Sicherheit nicht in die Jogginghose machen, ebenso wenig auf den Boden. Das ist es mir nicht wert, noch nicht. Die Schmerzen im Bauch sind ertragbar, also werde ich hier stehen bleiben. Ich will gar nicht erst an meine Beine denken und wenn ich das nicht tue, spüre ich sie auch nicht.  Das Gewitter tobt noch draußen. Es fühlt sich gut an, mal wieder Regen zu hören.

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