Kapitel 3

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Noras POV:

Der kalte Wind weht mir um die Nase und ich ziehe den Kragen meiner Jacke an mein Kinn. Ich kann es nicht erwarten bis endlich Frühling ist. Die kalte Jahreszeit zieht sich schon viel zu lange.

Ich schaue auf die U-Bahn Anzeige. In drei Minuten kommt endlich meine Bahn. Ich ziehe mein Handy aus der Jackentasche und öffne Spotify. Über meine Kopfhörer ertönt jetzt „Threads" von Indy: „I would rather go to space, than end up cold in your arms. I could watch you fade away, while I stay comfortably drunk. And I hate to feel it changing, say I'm wrong."

Ich seufze leise als das Lied ertönt. Der Text trifft einen wunden Punkt. Helena und ich sind seit 4 Jahren zusammen. Ganz klischeehaft sind wir nach 3 Monaten zusammen gezogen und haben zwei Katzen adoptiert, Max und Moritz. Helena ist Künstlerin und nach jahrelanger relativ erfolgloser Arbeit, wurde sie vor einem halben Jahr das erste Mal für eine Ausstellung angefragt. Das war ein echter Durchbruch für sie. Ich freue mich so sehr für sie und bin unfassbar stolz. Aber irgendetwas hat sich seit dem verändert. Fast jeden Abend ist Helena unterwegs, sie hat viele neue Leute kennengelernt und unsere tiefe Bindung kommt mir auf einmal nicht mehr so tief vor.

Die U-Bahn rauscht in den Bahnhof und der Windstoß, der mir dabei entgegen gedrückt wird, löst ein Gefühl von Routine in mir aus. Ich steige in die Bahn und suche mir einen Platz am Fenster. Dann krame ich ein Buch aus meinem Rucksack, während die ersten Töne des nächsten Liedes auf meiner Playlist erklingen: „Midnight Rain" von Taylor Swift.

Ich schlage die eingeknickte Seite von „Das Ende des Kapitalismus" auf und fange an zu lesen. Als die U6 über die Weidendammer Brücke fährt, blicke ich kurz auf. Berlin wird gerade in ein wunderschönes Licht getaucht. Diese Stadt ist manchmal so laut, so anstrengend und so reizüberflutend. Aber in Momenten wie jetzt gerade, liebe ich Berlin.

Ich steige am Mehringdamm aus und laufe durch die Kälte zu unserer Wohnung.

Nachdem ich die Treppen zu unserer Altbauwohnung im 3. Stock erklommen habe, schließe ich die Wohnungstür auf. Sofort kommt mir Moritz entgegen und der orange-rote etwas übergewichtige Kater drückt direkt sein ganzes Gewicht an mich und miaut fröhlich. Ich streife meine schwarzen Vans von den Füßen und beuge mich zu ihm runter um ihn zu streicheln.

„Hey Babe!", ruft Helena und guckt aus der Badezimmertür während sie ihre Haare stylt. Ich gehe lächelnd auf sie zu und umarme sie von hinten: „Selber hey Babe.", sage ich während ich ihr einen Kuss auf den Nacken hauche und ihren Duft einatme. Sie legt die Haarbürste weg und dreht sich um. Dann wirft sie ihre langen schwarzen Locken in den Nacken und beißt sich auf die Lippen. Ich liebe es wenn sie das tut. Helenas Gesicht ist nun direkt vor meinem und ich schaue tief in ihre braunen Augen. Ich nehme ihr Gesicht zwischen meine Hände und gebe ihr einen langen intensiven Kuss, bei dem meine Zunge leidenschaftlich ihre umkreist. Ich verlagere meine Lippen an ihren Hals und fahre mit meinen Händen an ihrer Taille lang, was ihr ein leises „Mhh" entlockt. Plötzlich schiebt sie mich von sich weg. „Es tut mir unfassbar leid diesen heißen Austausch zu beenden, aber ich muss gleich los", grinst sie mich an.

„Wo musst du denn hin?", frage ich enttäuscht. „Ich bin zu einer Galerieeröffnung in Charlottenburg eingeladen. Das ist echt super wichtig, dass ich da zum networken bin. Da sind sicher viele andere Galeristen und Aussteller.", antwortet sie rechtfertigend. „Okay.", sage ich und kann einen leicht genervten Unterton nicht unterdrücken.

Ich gehe in die Küche und schenke mir ein Glas Rotwein ein. „Ich bin dann mal weg, bis später!", ruft Helena aus dem Flur und lächelt mich nochmal entschuldigend an. Sie trägt einen schwarzen Body, der einen ziemlich tiefen Ausschnitt hat und eine weite helle Stoffhose. Dazu schwarze Plateauboots. Ihre Haare liegen wild auf ihrer Brust. „Bis später, du siehst heiß aus.", sage ich lächelnd. Helena schmunzelt und zieht die Tür hinter sich zu.

In Gedanken nippe ich an meinem Rotwein. Diese subtile Distanz zwischen uns ist für mich immer schwerer zu ertragen. Ich weiß nicht wann wir das letzte Mal einen romantischen Abend zu zweit, geschweige denn Sex, hatten. Es muss ewig her sein.

Ich schnappe mir mein Glas und setze mich mit meinem Laptop an den Esstisch. Vielleicht kann ich wenigstens noch ein paar Mails abarbeiten. In meinem E-Mail Postfach sehe ich eine Mail von Annalena, die sie mir vor 5 Minuten geschickt hat:

"Liebe Nora,

anbei sende ich dir meine Rede zu feministischer Außenpolitik. Ich komme beim letzten Punkt irgendwie nicht weiter. Kannst du da mal drüber lesen und mir deinen Input geben?

Danke dir und liebe Grüße

Annalena

P.S.: Wir können den Input auch bei einem Kaffee morgen diskutieren. :)"

Mein Herz macht einen Hüpfer und ich muss sofort schmunzeln. Ich stelle mir vor wie Annalena haareraufend und fluchend über ihrer Rede sitzt. Das habe ich schon oft beobachtet, wenn sie so ins Schreiben vertieft war. Ich arbeite jetzt ungefähr seit einem Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Grüne Fraktion und Annalena hat mich von Anfang an fasziniert.

Ich tippe eine Antwort auf ihre Mail:

„Liebe Annalena,

lass uns gerne deine Rede morgen bei einem Kaffee durchgehen. Ich freu mich.

Liebe Grüße

Nora

P.S.: Mach endlich Feierabend. ;)"

In der Aussicht auf einen Kaffee mit Annalena nippe ich schmunzelnd an meinem Rotwein. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, das zwischen uns irgendwas ist. Ich kann nicht benennen was genau es ist, aber ich weiß dass ich viel zu oft auch außerhalb der Arbeitszeit an sie denke.

Ein paar Sekunden später macht es erneut *Ping* und ich lese ihre Antwort:

„Mach doch selber Feierabend. ;)"

Mit einem Grinsen im Gesicht klappe ich den Laptop zu.

Ein paar Stunden später liege ich im Bett und höre den Schlüssel in der Wohnungstür. Max und Moritz springen sofort vom Bett auf um Helena zu begrüßen.

Auf leisen Sohlen schleicht Helena sich ins Bad und legt sich anschließend zu mir ins Bett.

Sie zieht mich in eine Umarmung und ich rieche Alkohol und Zigaretten. In meinem Kopf ziehen Gedankensschleifen ihre Kreise. Bevor ich in einen tiefen Schlaf falle, sehe ich Annalena vor mir, wie sie mir begeistert ihre Kaffeetasse entgegen streckt. 

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