Kapitel 4

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Noras POV:

Als ich am nächsten Morgen erwache, zieht mir ein angenehmer Kaffeeduft in die Nase. Ich blicke an mir herunter und sehe Max und Moritz eingerollt und völlig friedlich auf meinem Bauch schlafen. Langsam strecke ich einen Arm aus und ernte für meine Bewegung böse Blicke von den beiden Katern, bevor sie vom Bett springen.

Ich gehe langsam in Richtung des Kaffeeduftes in die Küche und entdecke eine dampfende Kanne frisch aufgebrühten Kaffees. Helena scheint schon weg zu sein. Das herumliegende Kaffeezubehör deutet darauf hin, dass sie ihr im Kaffeeseminar gesammeltes Wissen direkt in die Tat umgesetzt hat.

Nach einer schnellen Tasse Kaffee, streife ich mir mein Oversize T-Shirt und meinen Tanga aus und steige in die Dusche. Während das Wasser meinen Körper herunter läuft, denke ich nochmal an Annalenas Mail von gestern. Hat sie mit mir geflirtet? Während ich mir über diese Frage den Kopf zerbreche, driften meine Gedanken immer wieder in eine Richtung, die absolut nicht angemessen für unser Arbeitsverhältnis ist. Ich frage mich wie es sich anfühlen würde sie zu küssen und sie zu berühren. Bevor ich diesen Gedanken weiter spinnen kann, unterbreche ich mich schnell selbst, indem ich mir den Wasserstrahl direkt ins Gesicht halte. Schluss jetzt Nora. Das ist absolut unprofessionell.

45 Minuten später stehe ich vor der Bundesgeschäftsstelle und gehe die Treppen hoch zu meinem Büro. Als ich etwas gedankenverloren den langen Flur entlang gehe, kommt auf einmal viel zu schnell eine kleine Frau aus ihrer Bürotür gestürmt und kracht direkt in mich hinein.

Ich erschrecke durch den Aufprall und sehe, dass es Annalena war, die soeben in mich herein gerannt ist.

„Oh mein Gott, Nora! Tut mir so leid! Ich muss dich zu Tode erschreckt haben.", sagt sie schuldbewusst. Ich schaue in ihre blauen Augen und ihr Duft steigt mir in die Nase. Ich kann diesen Duft gar nicht richtig beschreiben. Aber er erinnert mich an eine Bibliothek, in die man sich flüchtet, wenn man Ruhe braucht und überfordert ist. Wie ein safe space. So unsicher sie mich auch regelmäßig macht, so ein wohliges Gefühl verspüre ich trotzdem immer in ihrer Nähe.

Durch den Zusammenstoß sind ihr diverse Haarsträhnen aus ihrer ansonsten perfekt sitzenden Frisur ins Gesicht gefallen. Mit einem tiefen Blick in ihren Augen fährt sie mit der rechten Hand durch ihre Haare um sie wieder in Position zu bringen. Ich frage mich, ob sie weiß was sie damit für eine Wirkung auf mich hat. Sofort steigt mein Puls und ich frage mich wie sie reagieren würde wenn ich sie jetzt einfach an die Wand drücken und leidenschaftlich küssen würde.

„Nora?", Annalena reißt mich aus meinen Gedanken und ich schäme mich unmittelbar für diese. „Wir sind wohl ein bisschen sehr hektisch heute morgen, was?", lache ich. „Ich hab schon viel zu viel Kaffee getrunken und gestern noch so lange an der Rede gesessen, das zeigt wohl jetzt seine Wirkung.", entschuldigt sie sich. „Der Kaffee war übrigens nicht so gut wie deiner gestern.", fügt sie schmunzelnd an und blickt mir dabei wieder tief in die Augen.

„Du solltest doch Feierabend machen. ICH habe mich an deine Anweisung gehalten, Annalena.", sage ich lächelnd. „Ja ich weiß, aber dann war ich noch bei Robert und Clara und hatte auf der Rückfahrt einen Gedankenblitz, den ich noch einarbeiten wollte." - „Dann müssen wir aber zusehen, dass wir die Rede heute finalisieren, damit du dir nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen musst.", sage ich aufmunternd. Sie atmet tief ein: „Unbedingt. Können wir uns gleich direkt zusammen setzen?".

„Ja, klar. Ich lese einmal drüber und komme dann zu dir, ja?", frage ich sie. „Klingt gut.", sagt sie und dreht sich um um wieder in ihr Büro zu verschwinden.

Erst jetzt fällt mir ihr Outfit auf. Sie trägt einen schwarzen locker sitzenden Jumpsuit mit V-Ausschnitt. Der Stoff schafft es perfekt ihren Körper zu umspielen. Dazu trägt sie schwarze High Heels. „Ach Annalena?", rufe ich ihr nach. Sie dreht sich nochmal um und schaut mich an. „Ja Nora?", sie lächelt. „Soll ich dir noch einen Kaffee machen?", frage ich. „Nichts lieber als das, Nora.", sie strahlt mich an und schließt ihre Bürotür hinter sich. Ich halte einen Moment inne und seufze. Wann wir angefangen haben, uns immer öfter als notwendig beim Vornamen zu nennen, weiß ich nicht mehr. Aber wenn sie meinen Namen sagt, läuft immer eine kleine Ameisenschar in meinem Magen umher.

Fünfzen Minuten später stehe ich mit zwei Kaffeetassen vor Annalenas Schreibtisch und halte ihr ihre Tasse vor die Nase. „Ist Robert gar nicht da?", frage ich während sie mir die Tasse abnimmt. „Der ist glaube ich gerade im Umweltausschuss. Wir haben also unsere Ruhe.", zwinkert sie mir zu und deutet auf den Sessel neben ihrem Schreibtisch. Ich setze mich und greife nach dem ausgedruckten Papierstapel, der unter meinem Arm klemmt. „Oh weh, du hast ja viel markiert!", lacht sie als sie das wilde Textmarker-Chaos sieht.

„Dabei bist du doch immer diejenige, die viel zu viel markiert, weil angeblich alles wichtig ist.", lache ich. „Aber die Rede ist wirklich gut geschrieben, Annalena. Wir sollten nur noch etwas an der Struktur feilen und wir müssen sie etwas kürzen. Acht Seiten sind echt zu lang.", füge ich schmunzelnd an. „Okay, dann lass mal hören was du für Ideen hast.", sagt sie motiviert und schaut mich eindringlich an. Für eine kurze Weile verweilen wir in diesem intensiven Blickkontakt.

Ich höre ein Klopfen an der Tür. Es dauert einen Moment bis Annalena reagiert. „Herein!", ruft sie während sie immer noch in meine Augen starrt.

„Ah Kate! Ich glaube du kennst Nora noch nicht.", sagt sie während eine junge rothaarige Frau langsam auf uns zu kommt. „Hi, ich bin Kate. Ich mache hier für acht Wochen Praktikum.", sagt sie und streckt mir ihre Hand entgegen.

„Hi ich bin Nora. Ich arbeite hier als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Fraktion. Herzlich Willkommen im Team.", entgegne ich herzlich während ich ihre Hand schüttle. „Danke!", nickt sie begeistert, bevor sie ihren Blick Annalena zuwendet.

„Das ist mir jetzt irgendwie peinlich, aber ich kann deine Schrift nicht lesen. Da steht Abfahrt und eine Zahl, aber ich kann sie nicht entziffern.", sagt sie und gibt Annalena einen Zettel.

„Oh weh, da war ich wohl zu schnell beim Schreiben. Abfahrt 17 Uhr steht da. Wir treffen uns dann einfach unten vor der Geschäftsstelle und nehmen die Bahn zum Studio.", Annalena nickt begeistert. „Okay, super. Ich freu mich. Und entschuldigt die Störung.", sagt Kate und ist dann auch schon wieder verschwunden. Annalena sieht ihr ziemlich lange hinterher und es versetzt mir einen kleinen Stich. In letzter Zeit schlägt mein Gaydar bei Annalena immer öfter aus. Nicht nur, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass sie mit mir flirtet. So wie Annalena Kate hinterher geschaut hat, schaut niemand, der ausschließlich auf Männer steht.

„Kate begleitet mich heute Abend zu einem Termin. Ich bin bei Jung & Naiv zu Gast.", sagt sie lächelnd. „Das klingt cool, das wirst du bestimmt super machen.", nicke ich zustimmend.

„So, jetzt müssen wir aber echt mal ins Arbeiten kommen.", beschließt sie und lacht.

Die nächste Stunde sind wir damit beschäftigt ihre Rede umzustrukturieren und zu kürzen. Immer wieder fallen wir in etwas zu lange Blickkontakte, als normal wäre in einem professionellen Arbeitsverhältnis. Ich wünschte ich könnte in diesen wunderschönen Kopf schauen und ihre Gedanken lesen.

Als wir fertig sind, reiche ich ihr die mit Anmerkungen übersäte Rede, die nun nur noch 6 Seiten lang ist. Sie nimmt die Papierzettel entgegen und legt ihre Hand kurz auf meine. Ich fühle mich wie vom Blitz getroffen. Mein Kopf ist wie leergefegt, meine Beine bestehen nur noch aus Wackelpudding. „Danke, Nora.", flüstert sie mit einem Lächeln auf den Lippen. „Gerne, Annalena.", lächle ich zurück und wir schauen uns einen kurzen Augenblick wieder nur an. Ihre Augen starren mir direkt in die Seele und ich habe Angst, dass sie darin lesen kann wie oft ich eigentlich an sie denke. Die Luft zwischen ist wie elektrisiert. Sie kommt einen Schritt auf mich zu. Ich räuspere mich, um mich selbst aus meiner Trance zu befreien. „Also dann, viel Spaß heute Abend.", sage ich und drehe mich um um zu gehen. „Danke.", sagt sie und wirkt enttäuscht über meine Disziplin.

„Shit", murmle ich, sodass nur ich es hören kann, als ich die Tür hinter mir schließe.

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