Kapitel 2: Auswahlorchester

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„Kannst du nicht mal aufhören, die ganze Zeit da rüber zu starren?" Marcus wurde mit dem Ellenbogen angestoßen, was ihn dazu brachte seinen wütenden Blick nun auf Adrian zu richten, der zuvor dem Gryffindor Tisch gegolten hatte. 

„Warum?", fragte er gereizt. 

„Weil das nichts ändert." 

„Was weißt du schon, Pucey?", grummelte Marcus. 

„Wood lässt sich von dir nicht einschüchtern. Das hat sich doch schon oft genug gezeigt.", erklärte Adrian, während sein belehrender Ton wie der eines verdammten Lehrers klang. 

Wenn er ihn nicht für Quidditch brauchen würde, hätte Marcus ihm im Verlauf ihrer gemeinsamen Schuljahre bereits ein ums andere Mal ordentlich ins Gesicht geschlagen, weil Pucey seine Worte nicht immer weise in seiner Gegenwart verwendete. Schließlich war jedem bekannt, dass Marcus einen kurzen Geduldsfaden besaß und schnell zur körperlicher Gewalt griff. 

Vielleicht machte Adrian das aber auch mit Absicht und provozierte seinen Teamkollegen einfach weil er es konnte. Umsonst hatte man ihn sicherlich nicht in Slytherin gesteckt. 

Marcus ballte angriffslustig die Fäuste und ließ seine Fingerknöchel knacken, ehe er sich mit grimmiger Miene zurücklehnte. „Irgendwann", versprach er mit knurrender Stimme, „wird er es lernen. Mit einem Flint legt man sich lieber nicht an." Dabei ließ er offen, ob sich diese Drohung nun an Adrian oder an Wood richtete.

Gegenüber von Marcus drehte sich plötzlich ein Slytherin Mädchen aus dem Jahr unter ihnen um, die im vergangenen Jahr die Freundin vom Sucher der Slytherinmannschaft, Terence Higgs, gewesen war. 

Er hatte sie sich nur gemerkt, weil sie ständig und ganz schlangenuntypisch Higgs' Spint im Umkleideraum mit kitschigen Geschenken wie Blümchen und Herzchen geflutet hatte. Ein wirklich furchtbares Mädchen, wie er fand. 

Ihr Blick war bitterböse, aber an ihrer Stelle würde Marcus die nächsten Worte weise wählen. Sie sah zwischen ihm und Adrian und her und sprach schließlich mit lächerlich nasaler Stimme aus, was sie beschäftigte. „Könnt ihr nicht mal die Klappe halten? Die Zeremonie geht bald los und ich will auf keinen Fall verpassen, in welches Haus sie", dabei senkte das Mädchen ihre Stimme zu einem Flüstern, das wohl geheimnisvoll wirken sollte, „Harry Potter stecken." Ehrfürchtig sprach sie den Namen aus, den jedes Kind einer Zauberfamilie kannte. 

Marcus wechselte einen entgeisterten Blick mit Adrian, dann verdrehte er die Augen und bedeutete mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass das Mädchen sich lieber um ihren eigenen Kram kümmern sollte. Sie schnaubte empört, gehorchte aber und wandte ihnen wieder den Rücken zu. 

Während das Stimmengewirr der Schüler durch den Saal schwebte und der Großteil ebenfalls sehnsüchtig auf den Beginn wartete, schoben sich an der verzauberten Decke einige Wolken beiseite und offenbarten einige hell glitzernde Sterne, während die fliegenden Kerzen fröhlich flackerten. 

Es war laut, aber nicht unangenehm, eher wie das Rauschen eines beständigen Baches, der sich seinen Weg durch Täler und Schluchten bis zum Meer bahnt. Inmitten all des schwatzhaften Trubels bewegte sich plötzlich etwas am Lehrertisch, denn Professor Flitwick hatte sich erhoben und war in seiner ungewöhnlichen Art zu gehen um den Tisch herumgewatschelt. 

Marcus schenkte dem Vorgehen am anderen Ende der Halle keinerlei Beachtung, denn er wusste ja sowieso, was vor sich ging. Er suchte wieder den Tisch der Löwen nach einem ganz bestimmten Gesicht ab, um wieder mit all seinen Kräften und seinem fiesesten Blick hinüber zu starren. Dass Pucey dabei neben ihm genervt die Augen über diese Aktion verdrehte, bekam er nicht mit. 

Währenddessen bat Flitwick den Chor zu sich nach vorn. Eilig stellten sich die rund zwanzig Schüler aller Jahrgangsstufen an einer Seite der Halle auf, zwischen dem Lehrerpodest und dem Haustisch der Gryffindors, damit sie den bald einmarschierenden Erstklässlern nicht im Wege standen. Aus den grauen Schulroben blitzten die Farben aller vier Häuser Hogwarts heraus, auch Slytherin war reichlich vertreten. Marcus war kein großer Fan vom Geträller, das gleich zu hören sein würde, aber über sich ergehen lassen musste er es ja doch. 

Wood hatte seine neuen Einschüchterungsversuche wohl bemerkt, aber der Hüter schien sich heute wirklich nicht von ihm provozieren wollen zu lassen. Er sah Marcus kurz an, zog dann nur unbeeindruckt die Augenbrauen in die Höhe und widmete dann seine ganze Aufmerksamkeit Flitwick. 

Der kleine Zauberer und Hauslehrer Ravenclaws hob den Stab in seiner Hand und zählte, einem Dirigenten gleich, in der Luft an. Die ganze große Halle verfiel plötzlich in andächtiges Schweigen. Dann setzten die ersten Stimmen an und begannen, die Hymne zu singen, die für die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei geschrieben worden war. 

Gleichzeitig bewegten sich die großen Flügeltüren der Halle auseinander und herein kam Professor McGonagall an der Spitze, gefolgt von vielen Elfjährigen, die mit großen Augen das ihnen gebotene Spektakel bestaunten. 

Marcus war zu sauer, um sich groß mit dem Gedanken zu beschäftigen, welcher von ihnen denn nun „der berühmte Harry Potter" sein würde – Gryffindors Hüter wollte ihm wohl wirklich den ersten Tag im neuen Schuljahr vermiesen, indem er nicht auf seine Provokationen einging. 

An den Tischen setzte leises Geflüster und Getuschel ein, aber es legte sich wieder, sobald der Hocker mitsamt dem sprechenden Hut vor den Neuankömmlingen platziert worden war. Als das alte Ding sein Lied begann, hörte Marcus nicht hin.

Was für ein beschissener Start. Dieses Jahr würde furchtbar werden. Bei Salazar, er konnte sich wirklich nur darauf freuen, dass er das Quidditch Team – sein Team, bald bei Wind und Wetter auf den Platz scheuchen konnte, um zu spielen. Er war schließlich Kapitän dieses Jahr und das hieß Veränderungen. 

Schlagartig fiel ihm ein, was Wood im Zug gesagt hatte. Wenn Gryffindor auch einen neuen Kapitän hatte, dann konnte das nur eins bedeuten: Ärger. Und Marcus war drauf und dran, den anzustiften. 

Sieg für Slytherin. Das war sein Ziel. Und er würde das genauso durchsetzen, wie er alle seine Ziele durchsetze, und zwar mit den Fäusten. Grob, gemein, brutal. Das war das Bild, das eigentlich alle über ihn hatten. Dieses Image wollte er natürlich aufrechterhalten.

Dass Marcus auch eine andere Seite hatte, ahnte allerdings niemand, am wenigsten er selbst. Aber gerade während das Lied des sprechenden Hutes zu Ende ging und der Slytherin nun vollkommen im Pläneschmieden versunken war, schielte Oliver Wood für einen Moment zu ihm hinüber. Er war der Erste der bemerkte, dass dieses Jahr vielleicht etwas anders laufen würde. Und das lag nicht nur daran, dass Harry Potter nun auf diese Schule ging. 

Chasing you down againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt