Kapitel 8: Quidditchzeit

206 12 6
                                    

Der Jubel von den Tribünen schallte laut und aufputschend in Marcus Ohren. Zusammen mit dem leicht wehenden Wind klangen diese Geräusche für ihn nach Freiheit. Es war Zeit, endlich wieder richtig Quidditch zu spielen und die einzige Sache zu tun, die ihn zu einhundert Prozent erfüllte. 

Er fühlte sich verdammt selbstsicher, ein Siegerteam in seinem Rücken, als er auf Wood zuschritt, dessen Gesicht bereits ganz finster war. Unter Madame Hoochs wachsamen Augen reichten sich die beiden ihre Hände für den Kapitänshandschlag zur Begrüßung. 

Marcus ganzer Arm kribbelte, als wäre er unter Strom, während er versuchte Woods Hand so fest wie es ihm möglich war in seiner eigenen festzuhalten. Er könnte ihm sicherlich die Finger brechen. Wood tat es ihm nach und sie starrten sich mit dem altbekannten Feuer ihrer Rivalität in die Augen. 

„Flint.", sagte Wood mit rauer Stimme, die Marcus einen kleinen Schauer durch den Körper jagte. 

„Wood.", entgegnete er. 

Sie ließen sich zeitgleich los, schüttelten ihre Hände aus, als hätten sie sich am anderen verbrannt. Quidditch war der Punkt, an dem es ernst wurde. Jetzt ging es nicht mehr um leere Worte oder körperliche Angriffe. Nein, hier ging es um Können. Ums Gewinnen. Um alles. 

Kurz darauf stiegen sie auf ihre Besen. Irgendwo über ihren Köpfen schallte die Stimme des Kommentators über das Feld, die Tribünen und die Türme, aber Marcus war bereits so im Fokus, dass er das nicht wahrnahm. Er hatte es vermisst, draußen zu sein und diese verlockende Art eines Rausches zu spüren. Es gab nichts anderes, dass einem einen so ordentlichen Adrenalinkick verpassen konnte, wie Quidditch. Zu den gelegentlich stattfindenden Freundschaftsspielen gab es kaum mehr als dreißig Zuschauer, aber hier war immer die ganze Schule anwesend. 

Dieses Jahr jedoch war natürlich ein bisschen anders, denn er war Kapitän und Wood genauso. Das brachte ihre ständigen Wettbewerbe auf ein höheres Level. Dass er sich darauf freute, dieses Spiel zu einem persönlichen zwischen ihm und dem Gryffindor zu machen, ließ er zu. 

Wie auch immer dieses Spiel heute ausging, es würde unvorhersehbare Folgen mit sich bringen, denn es ging nicht nur um Gryffindor gegen Slytherin. Heute waren es Wood und Flint, die gegeneinander spielten, mehr denn je. 

Auf Hoochs Anweisung hin nahmen die Spieler ihre Positionen ein, und Marcus entdeckte Potter, welcher sich hoch über dem Geschehen einordnete. Na, mal sehen ob der wirklich so viel drauf hatte, wie Wood immer behauptete. Er vertraute da eher Higgs Fähigkeiten. Sein Sucher war schließlich bei Weitem erfahrener, war älter und breiter gebaut und vor allem war er kein verdammter Erstklässler

„Ich will ein schönes und faires Spiel sehen, ist das klar?", fragte Madame Hooch und es war sofort klar, an wen sich das hauptsächlich gerichtet war. Marcus wechselte einen vielsagenden Blick mit den anderen Jägern, Adrian zu seiner Rechten sah so aus, als würde er am liebsten lauthals darüber lachen. Slytherin und „schön und fair spielen"? Das gab's nicht. Dafür machten ihre kleinen, möglicherweise auch verbotenen, Tricksereien das Spiel um einiges spaßiger. 

Als der schrille Pfiff aus der Schiedsrichterpfeife ertönte, ließ er seine Gedanken los und achtete nur noch auf eines: Fokus. 

Um den Quaffel gab es großes Gedränge, aber er fiel leider an die Gegner. Die ersten zehn Punkte gingen damit an Gryffindor, als sich Angelina Johnson geschickt zwischen ihnen, den Slytherin Jägern, hindurchschlängelte und schließlich eine Haaresbreite aus ihrer Reichweite den Quaffel durch den obersten Ring warf. 

Die Gryffindors jubelten, während der Ball jetzt in Slytherin Besitz ging. Miles Bletchley, ihr Hüter, spielte Marcus den Quaffel zu. Mit dem Ball unter dem Arm wich er einem Klatscher aus, den einer der Weasleys zu ihm geschickt hatte. 

Als eine der Jägerinnen (bei den hohen Geschwindigkeiten eines eifrigen Spiels war es schwierig auszumachen, welche genau es war) versuchte, ihm den Quaffel abzunehmen tat Marcus das einzig Logische und trat ihr mit voller Wucht in die Rippen. Das Mädchen trudelte davon, während jetzt Slytherin jubelte während Gryffindor buhte. Verdient, dachte er. Blöde Löwen. 

Marcus hatte die Torringe bereits in Sicht, Wood konnte er nirgends entdecken. Das hieß freie Bahn. Er streckte den Arm, den Quaffel fest zwischen den Fingern. Die Abwehr seiner Gegner war schwach, auf jeden Fall schwacher als erwartet. Eine einzige gegnerische Jägerin versuchte ihn abzuhalten und er wich ihr aus. Es war beinahe zu einfach. 

Er zielte und schleuderte den Quaffel dann mit voller Kraft auf den obersten Torring zu. Das würde die ersten Punkte für Slytherin bringen – bis Wood auf einmal von unten auftauchte, schneller als ein Blitz, und den Ball mit einer geschickten Drehung in die entgegengesetzte Richtung schleuderte. 

Marcus bremste seinen Besen und starrte seinen Rivalen grimmig an. Wood jedoch sah amüsiert aus, als wäre sein Angriff nur ein schwacher Versuch gewesen. Und fuck, dieses Grinsen seines Rivalen löste viel zu viel in ihm aus. Dem würde er es noch zeigen. 

Als er sich wieder auf das Spiel konzentrieren wollte, erzielte Gryffindor gerade weitere zehn Punkte, die Schüler auf der jeweiligen Tribüne schrien vor Begeisterung. Langsam wurde Marcus wütend. Gryffindor war dieses Jahr stark, Potter schien ihnen allen die Hoffnung auf einen Sieg näher zu bringen. 

Adrian, der jetzt im Besitz des Quaffels war, raste wie ein Irrer zurück zu den Torringen ihrer Gegner, aber sein Wurf war ein schwacher Versuch und Wood fing den Ball beinah sacht auf, ehe er ihn wieder zurück Richtung Spielfeldmitte schickte. Er würde dieses verdammte selbstgefällige Grinsen schon noch aus Woods Gesicht wischen, das sich dort wieder eingeschlichen hatte.

Marcus kam neben dem nächstbesten Treiber seines Teams zum Halt und in einer Kurzschlussreaktion entriss er ihm den hölzernen Schläger.
"Gib mir das!", zischte er. Als der nächstbeste Klatscher auf ihn zugerast kam, holte er weit aus. 

Dann schlug Marcus zu und setzte all seine Wut, seine Verwirrung und die ganzen verdammten anderen Gefühle, Emotionen und vor allem Frustrationen, mit denen er nichts anfangen konnte, in diesen einzigen harten Schlag. Der war so heftig, dass die Kraft, mit der Ball und Schläger kollidierten, bis tief in seine Knochen vordrang und sie zum Vibrieren brachte. 

Er traf Wood frontal und die geballte Wucht schleuderte ihn durch den obersten Ring hindurch. 

Marcus war nicht der einzige, der mit Schrecken in den Augen beobachtete, wie der Hüter bewusstlos tief, viel zu tief auf den sandbedeckten Boden fiel, nur halbwegs noch von seinem Besen gebremst. Dann wirbelte der Staub auf und Wood regte sich nicht mehr. 

Marcus fühlte auf einmal eine seltsame Leere, eine Art Gleichgültigkeit. Er wendete seinen Besen und konzentrierte sich wieder auf das Spiel, was auf einmal viel leichter war, da seine größte Ablenkung aus seiner Sicht verschwunden war. Jetzt ging es nur noch darum, dieses verdammte Spiel zu gewinnen. Bis Potters Besen anfing zu spinnen. 

Chasing you down againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt