Kapitel 3: Marcus spielt mit Steinen und Gedanken

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Als das zweite versteinerte Opfer gefunden wurde, fragte sich Marcus, ob Wood wohl ein Reinblüter war. Seltsam, dass er sich so oft mit dem Leben des anderen Jungen beschäftigte, ohne das zu wissen, was in Slytherinkreisen als einer der wichtigsten Punkte überhaupt galt. 

Aber er hatte sich irgendwie immer mehr auf Quidditch und Woods Qualitäten als Spieler – Gegner, Konkurrent – fokussiert, als auf alles andere. Daran konnte man mal sehen, wo genau seine Prioritäten eigentlich lagen. 

Wenn Leute behaupteten, Marcus Flint wäre einfach gestrickt, dann lagen sie damit zumindest zu fünfzig Prozent falsch. Der Sport war seine einzige und wahre Leidenschaft und Stärke. Und er würde auch noch aufs Feld fliegen, wenn hunderte auf Drachen fliegende, keulenschwingende Trolle die Schule angreifen würden. Nur bei einem Spiel gegen Gryffindor versteht sich. Allerdings war er in dieser Hinsicht so gut wie allein, denn die anderen Spieler und vor allem die Lehrer zogen selbstverständlich die Sicherheit vor. 

Überhaupt war die Sicherheit in den vergangenen Wochen ein großes Gesprächsthema geworden. Es lag Gewisper in der Luft, Gerüchte hallten von den steinernen Wänden und die Angst schnürte sich wie ein zu eng angelegter Schal jeden Tage ein wenig enger um die Hälse der Schüler. Die Atmosphäre war auf eine beunruhigende Art und Weise angespannt, und das konnte man jedem ansehen, dem man ins Gesicht blickte. 

Marcus fühlte sich dennoch ganz sicher. Selbst wenn ihn das ominöse Monster angriff (im drastischen Fall sogar tötete) wäre ihm das so gut wie egal. Vielleicht war der Tod sogar eine bessere Aussicht, als das Leben, das auf ihn zukam. Auf eine Zukunft, die er eingezwängt hinter einem Schreibtisch im Ministerium und gekettet an eine Frau, vermutlich auch an ein Kind, die er nicht liebte, verbringen würde.

Immerhin könnte er sich heldenhaft zu verteidigen versuchen, indem er so tat, als könnte er auch nur zwei Zauber aus dem Stab hervorbringen. Naja, noch hatte das Vieh ihn ja nicht. 

Nachdenklich kickte Marcus kleine Kieselsteinchen mit dem Fuß beiseite. Klackernd hüpften sie über die größeren Pflastersteine auf dem Hof und blieben einige Zentimeter weiter weg erneut liegen. 

Wie bekam er nun raus, ob Wood reinblütig war, oder nicht? Dass die Opfer beide muggelstämmig waren könnte zwar nur ein Zufall sein, aber der Gedanke an einen leblosen Gryffindorhüter missfiel ihm. 

Marcus kickte einen weiteren Kiesel fort. Konnte er einfach fragen? Hey Oliver, irgendwie sorge ich mich um dich, kann ich wissen, ob du Reinblüter bist? Hilfe nein, das klang nicht nach ihm. 

Wenn er Informationen brauchte, dann nahm er sie sich einfach und fragte nicht. Das war nicht er, das war nicht typisch Flint. Hey Wood, schon einen Blutsäuberungstrank geschluckt? Du weißt schon, falls das Monster dich erwischt. 

Genervt rieb Marcus sich über das Gesicht und versteckte seine geschlossenen Augen für einen Moment hinter seinen Fingern. Er sorgte sich nicht, das war völliger Nonsens. An den Haaren herbeigezogener Quatsch. Albern, einfach albern. Er saß nicht hier draußen auf dem Hof und fror sich den Arsch ab, nur weil er Angst davor hatte, dass es seinem größten Konkurrenten an den Kragen ging. 

„Mensch, Flint!" Marcus brauchte den Kopf gar nicht zu heben, um zu wissen, von wem er da so blöd von der Seite angequatsch wurde, während er mitten in einer internen Gefühlskrise steckte. 

„Montague.", knurrte er. Eigentlich hatte er nichts gegen ihn, aber der Junge hatte Talent dafür, ihn in seinen wirklich schlechten Momenten zu erwischen. Ähnlich wie bei Adrian, nur das der im Gegensatz zu Graham nicht schon seit Kindertagen einer seiner engsten Freunde war. Deshalb musste er auch mit heftigeren Wutausbrüchen klarkommen. Sein Problem. 

Marcus blinzelte zwischen seinen Fingern hervor und kam sich dabei unglaublich blöd vor. Eilig ließ er die Hände sinken und stand von der Bank auf, um einschüchternder zu wirken. Sein Jäger sollte mitbekommen, dass er einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt hatte. 

Montague zog tatsächlich ein wenig die Schultern ein und wedelte ihm dann geistesgegenwärtig mit einem Blatt Pergament vor der Nase herum. 

„Ist vorhin für dich angekommen. Ich hab' Terence davon abgehalten, ihn ohne dich zu öffnen." Als er das sagte, klang er wie ein stolzes kleines Schulkind, dass eben einem Lehrer die Tasche zum Raum getragen hatte. Wie ein richtiger Schleimer. Das gab allerdings Minuspunkte vom Lehrer Marcus. 

„Willst du 'ne Dankesrede oder was? Gib her und dann geh, bevor ich richtig schlechte Laune kriege." 

Montage hob an, etwas Kritisierendes hinsichtlich der dadurch beeinträchtigten Teamaktivität einzuwenden, schloss aber ganz schnell den Mund wieder, als Marcus das Pergamentblatt in der Faust zerknüllte. 

„Bin schon weg Chef.", murmelte der Jäger, salutierte halbherzig und flüchtete dann aus der Reichweichte seines Teamkapitäns. 

„Idiot.", meinte Marcus seinerseits, aber das konnte der andere schon gar nicht mehr hören. War vielleicht auch besser so. 

Eilig ließ er sich wieder auf seine Bank fallen und faltete mit fahrigen Fingern den Brief auseinander. Es reichte aus, dass er die erste Zeile überflog, um zu erkennen, wer ihm da solch schöne Abendpost zukommen ließ. 

Marcus knüllte das Papier eilig wieder zusammen, ohne die sorgfältig geschriebenen Zeilen vollständig durchzugehen. Dann riss er es in kleine Fetzen, die bald darauf wie weiße Federn zu den Kieselsteinen auf den Boden segelten. 

Eine Erinnerung seiner Eltern. Die konnten ihn diesbezüglich mal kreuzweise. Er tat bereits mehr für die Schule, als all die Jahre zuvor. Und er würde sich dieses Jahr genauso durch die Prüfungen mogeln, wie sonst auch. 

Quidditch ging vor, Woods Wohlergehen ging vor und alles andere war völlig egal. Noch ein Kieselsteinchen flog durch die Luft und brachte Marcus etwa für den Wimpernschlag eines Momentes auf die wahnwitzige Idee, Wood einfach einen Stein durchs Turmfenster zu werfen. 

Was der Gryffindor für Augen machen würde, wenn er auf dem Besen vor seiner Glasscheibe schweben und dann einen faustgroßen angeschliffenen Felsbrocken werfen würde. 

Glas würde splittern, irgendwo im Hintergrund ein gewisser Rotschopf vor Schreck wie ein Mädchen kreischen, und dann würde Wood den Stein aufheben, Marcus ungläubig ansehen und die dümmste Frage, die jemals an ihn gestellt wurde, darauf lesen.

Reinblüter? Ja. Nein. Vielleicht. 

Der Slytherin verpasste sich selbst einen Schlag gegen den Arm und stand ruckartig auf. Das waren echt genug seltsame Fragen für heute und genug Zeit, die er an Wood verschwendet hatte. Irgendwann musste er auch mal einen Schlussstrich ziehen. 

Wenn er seinen Gegner in den nächsten zwei Wochen so richtig in die Pfanne hauen konnte ohne sich schuldig zu fühlen, so nahm er sich das zumindest vor, dann wäre endlich Schluss mit diesem Gefühlskram. Aber wie das so war mit Marcus Plänen ... sie funktionierten nicht so, wie er wollte. 

~ Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was das für ein seltsames Kapitel ist. Ich musste dieses hier irgendwie überwinden, um meinen Plan weiterzuverfolgen. Die nächsten sollten (hoffentlich) wieder besser werden.  

Chasing you down againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt