Kapitel 20

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Jagger Trevino

Dacre packte den Jungen am Arm und zerrte ihn aus dem Auto. "Wer seid ihr? W-Was wollt ihr von mir?", krächzte er. Ich stieß ein leises Lachen hervor. Gott, war ich froh den Stimmenbruch hinter mich gebracht zu haben. Diese plötzlichen Oktavensprünge waren peinlich. Belustigt riss der blonde Lockenkopf ihm den Stoffbeutel vom Kopf. Die Angst in Hunters Augen war erbärmlich. Der Hosenscheißer hatte sich vor Angst eingenässt. Furchtvoll machte er einen Satz zurück, stieß jedoch sofort gegen den schwarzen SUV.

"Du hast genommen, was mir gehört." Bedrohlich baute Kyle sich vor ihm auf. "Dafür werden wir dir eine Lektion erteilen." Verstörtheit trat in das Gesicht des Zehntklässlers. "I-Ich habe nich-" Kyle schnitt ihm das Wort ab: "Ah, ah, ah." Er streckte seine Hand zu Skeet, der ihm die Augenbinde überreichte. Entsetzt blickte der Typ auf den blutroten Stoff. "Sag mir nur eins. Hast du sie befleckt? Hast du deinen angepissten Schwanz in sie gesteckt und sie schmutzig gemacht?" Heftig bewegte er den Kopf seitwärts. Es war keine Lüge. Zum Lügen hätte er viel zu viel Schiss gehabt.

Befriedigt nickte mein Bruder. Solange niemand Avia fickte, war noch alles im grünen Bereich, doch mir graute schon jetzt vor dem Tag, an dem sie ihre Unschuld an einen anderen Mann verlor. Die Todesurkunde dieses Mannes war bereits unterzeichnet.

"Braves Mädchen", sagte er. "Aber du-" Er tippte gegen seine Brust. "Warst ein böser Junge." Hunter schüttelte den Kopf schneller. "N-nein", stotterte er. "I-ich... habe sie nicht a-angefasst." Nicht angefasst war übertrieben. Umarmt hatte er sie ja. Und ich konnte mir durchaus vorstellen, dass die zwei ein bisschen rumgefummelt hatten.

"Aber du hast darüber nachgedacht, nicht wahr?" Wieder verneinte er im Stillen. Das war nun wirklich albern. Natürlich hatte er. Er sollte Kyles Gemüt nicht unnötig erhitzen. "Oh. Hast du nicht?" Mit bebender Stimme verneinte er. Es machte irgendwie Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich selbst immer tiefer in sein eigenes Verderben trieb. "Über deine kleine Lüge werde ich hinwegsehen, wenn du mir deine dreckigen Fantasien mit ihr verrätst." War ja klar, dass er wieder mit so einem abgefuckten Mist kommt.

Hunter verleugnete jegliche Fantasien. Kyle lehnte sich dichter an ihn. "Überleg weise, bevor du diesen Satz beendest." Ein dünner Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn. Seine dunklen Haare blieben darin kleben. "Ein Blowjob", gestand er furchtvoll. "Erzähl mir mehr." Der Scham trieb dem Jungen Röte ins Gesicht. "Ein einfacher Blowjob. Sie nimmt mich in ihren Mund und bläst." Ich und meine Brüder brachen in Gelächter aus. "Da hast du aber einiges aus den kleinen Schmuddelfilmchen gelernt." Seine Wangen färbten sich tief Rot.

Zu diesem Zeitpunkt war der Kleine wahrscheinlich schon verlegen und eingeschüchtert genug, um Avia jemals wieder auch nur anzusehen. Er hatte seine Lektion definitiv gelernt, doch damit sollte es noch nicht vorbei sein. Das hier war noch nichts. Wir ließen ihn noch nicht gehen. Der Spaß hatte gerade erst angefangen.

Kyle wickelte die Augenmaske um den Kopf des Jungen, dann zückte er das Messer. Das kühle Metall glitt über die Wange des 15-Jährigen, der erschrocken nach Luft schnappte. "Du hast eine Minute, um wegzulaufen", sprach er rau an sein Ohr. "Nimm die Binde nicht ab." Hunter zögerte nicht einen Moment. Wie von der Tarantel gestochen sprintete er los in den Wald. Selbstverständlich riss er die Bedeckung von seinen Augen sobald er frei war. Naja, frei war er nicht in Wirklichkeit, aber das glaubte er sicher. Das taten sie alle früher oder später.

Mit verschränkten Armen lehnte Dacre sich an den SUV. "Ich habe das Gefühl, das hier wird eine lustige Nacht." Grinsend sahen wir alle zu ihm. "Los, laufen wir dem Kerlchen hinterher", sagte Kyle an ihn gewandt. Skeet und ich nahmen den Wagen. Wir fuhren zurück zur Hauptstraße, von wo aus wir die Drei später aufgabeln würden. Mein Bruder saß am Steuer, während meine Augen nach dem Jungen Ausschau hielten. Wer weiß, vielleicht kannte er sich in den Wäldern aus und fand den Weg zu Straße. Immerhin war sein Name Hunter.

Auf einmal leuchtete mein Bildschirm mit einer Nachricht auf. Ich entsperrte das Handy und tippte auf den Chat.

Unbekannte Nummer: 2075 Renville Avenue

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Bambi. "Fuck." Skeet sah zu mir rüber. "Halt sofort an." Ich verstaute mein Smartphone wieder in der Innentasche meiner Jacke. Verwirrt musterte er mich. "Skeet, halt den verdammten Wagen an!", forderte ich ihn erzürnt auf. Er sagte nichts weiter und trat auf die Bremse. "Scheiße", zischte ich, ehe ich aus dem Wagen stieg und die Straße hinunter jagte.

Die Renville Avenue war vier Meilen entfernt. Ich brauchte ein Auto, verdammt noch mal!
Bis zu meinem Haus waren es nur etwa anderthalb Meilen. Wenn ich mich beeilte, hätte ich in zwanzig Minuten dort sein können. Mit dem Auto wäre es dann noch eine gute Viertelstunde. Das war insgesamt über eine halbe Stunde!

Ich rannte schneller. Die kalte Luft brannte wie Gas in meiner Lunge. Ich rannte noch schneller. Mein Brustkorb drückte. Die toxische Luft presste von innen. Ich rannte noch einen Ticken schneller. Ich spürte jeden Schritt bis tief in die Knochen. Meine Muskeln wurden schwächer. Jeder Meter war schmerzvoll, doch ich hielt nicht an.

Atemlos erreichte ich die Auffahrt. Aus meiner Jackentasche kramte ich die Schlüssel, ging weiter in die Garage. Ich drückte den Knopf meines Autoschlüssels. Die Scheinwerfer des grauen Jeep Avengers leuchteten auf. Sofort stieg ich ein und ließ den Motor aufheulen. Ich gönnte mir keine Pause, ehe ich in verbotener Geschwindigkeit durch die Straßen Detroits raste.

Die Reifen quietschten auf dem Asphalt. Meine Atmung war noch immer unregelmäßig. Sie saß auf dem Bordstein. Ihr goldenes Haar war das erste, was ich erkannte, als die Autolichter sie anstrahlten. Ich riss die Tür auf, um zu ihr zu eilen. Mit den Ärmel ihres Hoodies wischte sie über ihre Wangen, dann stand sie auf. Weinte sie? "Was ist los?", wollte ich wissen. Ihr Blick heftete auf dem Boden. "Ich will weg von hier", antwortete sie mit zitternder Stimme. "Rae, was ist passiert?" Sie ging geradewegs an mir vorbei zum Wagen.

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