kapitel 16

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Ich weiß nicht wieso ich genau jetzt das Bedürfnis dazu verspürte, dass jemand mir meine Kehle aufschlitzte, aber wenn ich jetzt ein Messer hätte, hätte ich es wohlmöglich getan. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte und stotterte herum.

„Also.. Ich-.." fing ich an und versuchte einen Satzanfang zu finden. Schnell ließ ich von seinen Händen ab, ließ mich wieder auf den Boden fallen und zog meine Beine an die Brust und umschlang sie mit meinen Armen. „Ich kann es dir nicht sagen."sagte ich kleinlaut und vergrub meinen Kopf in meine Hände. „Du kannst mir alles sagen." erwiderte er und strich mir behutsam über den Rücken.

Ich blickte zu ihm auf und seine Augen sahen mich erwartungsvoll an.

Eigentlich wollte ich ihm es sagen, aber ich konnte nicht. Ich konnte ihm das nicht antuen. Aber wenn ich jetzt alles verneine und ihm weiter nicht antworte, weiß er vermutlich das wir alle etwas vor ihm verheimlichten.

Vergeblich suchte ich nach einem Weg aus dieser Situation raus zu kommen. Ich sah zu meiner Rechten und erkannte einen großen Stein. Sollte ich einfach?...

Ohne groß darüber nachzudenken täuschte ich einen Ohnmachtsanfall vor und fiel direkt mit meinem Kopf auf den Stein.

Okey, das tat zwar ein wenig weh aber der Schmerz war es wert. Doch irgendwie passierte nichts und ich öffnete meine Augen um durch einen kleinen Spalt zwischen meinen Augen zuschauen. Neteyam sah mich amüsiert an und konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Genervt setze ich mich wieder auf was ich aber direkt bereute, denn mein Kopf begann zu schmerzen. „Deine Schauspielkünste sind nicht gerade die besten." schmunzelte er und half mir wieder auf.

Okey... das was ich gerade getan habe war zwar ein wenig peinlich aber zumindest ist das Thema jetzt gewechselt. Er nahm meine Taille und zog mich zu sich ran, ehe wir uns wieder auf den Weg zurück zum Dorf machten.

Wir redeten auf dem Weg und erstaunlicher weise hatten wir mehr gemeinsam als ich erwartet hatte. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und lächelte. „Du bist das einzigste, was mich hier glücklich macht." gab ich kleinlaut zu und schloss für einige Sekunden meine Augen um der Sonne einen Einlass zu gewähren, meinen ganzen Körper zu erwärmen. „Du bist mein Glück."
Antwortete er darauf und streichelte mir über den Kopf.

Als wir ankamen, lösten wir uns voneinander und Jake kam zu mir und Neteyam. „Du hast meinen Sohn geschlagen?" fragte er in einem etwas aggressiven Ton und hinter ihm konnte ich Lo'ak erkennen, der Schuldbewusst auf den Sand starrte. Meine Miene verzog sich in einen bösen Blick der direkt in lo'aks Seele starrte. Schnell richtete ich mich vor Jake auf und atmete tief aus. „Ja habe ich. Aber dafür gab es einen Grund." irritiert sah Jake mich an doch ich zeigte mit meinen Augen etwas zu Neteyam und er verstand es in wenigen Sekunden. „Neteyam, Bitte hilf deiner Mutter beim Kochen." wies er an und zeige in Richtung Hütte der Sullys.

Neteyam seufzte und begab sich auf den Weg zu seiner Mutter. Als er nicht mehr in Sichtweite war, packte Jake mich an meinem Oberarm und zog mich zu sich. „Hast du ihn irgendwas gesagt?! Oh mein.. Lo'ak du hast dich echt verplappert."

Ich schüttelte unter schmerzen meinen Kopf, da er seine Hand viel zu fest an meinen Oberarm befestigte. „Er darf es niemals erfahren." sagte er in einem ernsten Ton und rüttelte mich ein wenig herum. „Und wieso?! Wollt ihr ewig in dieser Lüge leben?" rief ich und versuchte mich loszureißen.

„Nein.. du weißt nicht die ganze Geschichte." murmelte Jake und ließ langsam von mir ab. Etwas erstaunt schielte ich erst zu Lo'ak und dann zu seinem Vater. „Was soll das heißen?" erkundigte ich mich skeptisch.

„Nun gut.. ich glaube wir sind dir etwas Schuldig." fing Lo'ak nun an und begann zu erzählen.

„Wie du weißt, hat Kiri Neteyam eines Tages wieder belebt. Das lief ungefähr so ab: Kiri wurde von allen Tieren des Meeres im Wasser zu dem Baum der Seelen geführt, wo sie sich mit Eywa verband. Dort gab Eywa ihr eine Kraft die so stark war, dass sie einen heftigen Anfall hatte. Als sie wieder aufwachte, schrie sie die ganze Zeit um sich herum das sie unbedingt zu Neteyams Grab muss. Wir verstanden nicht was sie meinte, doch die Leute aus dem Dorf verstanden es und bereiteten eine Art Ritual vor. Dazu noch wichtig zu erwähnen ist, das Ronal nach Neteyams Tod ein Kind zur Welt gebracht hat. Also auf jeden Fall hat Kiri mit eywas Kraft und dem Ritual neteyam wieder zum Leben erwacht, und wir alle dachten es wäre ein Segen. Doch es war genau das Gegenteil. Genau als Neteyam wieder zum Leben erwachte, veränderte sich der Gesundheitszustand von dem Baby von Ronal. Und nach nichtmal 2 Tagen starb es. Ein Leben wurde wieder begonnen, ein anderes musste dafür enden. Seit dem spricht Ronal nicht mehr mit uns und die Gespräche mit Tonowari + Interaktionen mit ihm hielten sich in Grenzen. Die einzigen aus deren Familie, die noch mit uns sprechen sind Aonung und Tsireya. Als erstes dachten wir, Kiri stirbt wegen Neteyam, doch dem war nicht so, denn Kiri erlitt zum 3. mal einen Anfall und ihr wurde verboten jemals wieder jemanden zum Leben zu erwecken. Das Dorf spricht nicht mehr über diesen Vorfall und schon gar nicht wird ein Wort über das Baby von Ronal und Tonowari gesprochen."

Wow... Ich habe geurteilt, ohne die ganze Geschichte zu wissen. Wieso habe ich Tsireya so behandelt? Es war nicht ihre Schuld, und vor allem, ihr Geschwister Kind starb, damit neteyam wieder leben konnte. Ich bin so ein furchtbarer Navi.

Geschockt sah ich die beiden an. „gab es keinen Weg, um das Baby retten zu können?" erkundigte ich mich vorsichtig und senkte meinen Blick. „Nein. Wir taten alles, aber erfolglos." gab Lo'ak deprimiert von sich und senkte ebenfalls den Blick. „Das tut mir leid ich wusste nicht.." wisperte ich schuldbewusst und vermied weiterhin Augenkontakt. Langsam legte Jake seine Hand auf meine Schulter und ich sah zu ihm hoch. Er lächelte Warmherzig und sprach: „Alles ist gut. Ich glaube du verstehst jetzt wieso sie Neteyam es nicht sagen wollten."

Ich nickte nur und er ließ von mir ab. Gemeinsam gingen wir ins zentrale Dorf und sie ließen mich an meiner Hütte ab. Doch als sie weg wahren, schlich ich mich zu einem etwas abgelegenen Ort des Strandes. Dort stand Tsireya, die mühelos und mit verschränkten Armen auf dem Sand saß und die Sonne dabei beobachtete, von dem klaren Wasser gespiegelt zu werden. Ohne auch nur ein bisschen nachzudenken, sprintete ich zu ihr , drehte sie zu mir und packte ihre Hand um sie hochzuziehen. Sie sah mich voller Trauer doch auch Verwirrung an und ich konnte getrocknete Tränen auf ihren Wangen erkennen.

Stumpf sah ich sie an, doch im nächsten Moment schloss ich sie in meine Arme. Ich presste sie fest an mir, so als wäre es unsere letzte Umarmung. „Ich hatte keine Ahnung.. Es tut mir so leid" flüsterte ich ihr ins Ohr und meine Stimme began allmählich in sich hineinzufallen. Langsam umschlang sie mit ihren Händen meinen Rücken und ich konnte kleine Wasser Tränen auf ihm spüren. „Es ist okey." beteuerte ich mehrmals und strich ihr über den Rücken, obwohl ich selber merkte, das ich kurz davor war nun auch weitere Tränen zu vergießen.

„Es tut mir leid für alles was ich zu dir gesagt habe. Ich werde das nie wieder tun." versicherte ich ihr.

„Es ist okay. Du wusstest es nicht, ich verzeihe dir."
Antwortete sie darauf.

Nun standen wir dort, in einer Umarmung, und weinten beide.

Eigentlich sollte es nur sie sein die weinen sollte, doch ich konnte nicht widerstehen. Ich habe zu viele schlimme Sachen gesagt, ohne auch nur ein wenig echte Informationen zu haben.

Ich bin eine schreckliche Person.

Langsam lösten wir uns voneinander und starrten uns an. „Freunde?" fragte ich kleinlaut.

„Freunde." lächelte sie.

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