Etwas später, seinen Becher mit dem Rest des Weins gefüllt, steuerte er auf Christian zu, der neben dem Kerl, der sie vorhin aus dem See geholt hatte, an einem der hölzernen Picknicktische saß.
Bevor er ganz bei ihnen war, schnappte er einen Fetzen ihrer Unterhaltung auf.
„Wie geht es eigentlich Phillip?"
„Nicht gut", antwortete Christian und verzog das Gesicht. „Er stand letztens wieder vor der Tür."
Sein Freund zog die Brauen nach oben und ließ die Gabel sinken. „Bitte sag mir, dass Du ihn weggeschickt hast!"
„Nein... Ich hab es nicht übers Herz gebracht", Christian seufzte.
„Chris..."
Michael räusperte sich, als er sich neben Christian auf der Holzbank niederließ. Diese Worte waren eindeutig nicht für ihn bestimmt gewesen und er versuchte, sie einfach auszublenden. Wenn Christian ihm etwas zu erzählen hatte, würde er es tun.
„Na?", grüßte ihn Christian, vor dem noch sein Teller mit etwas Fleisch, Brot und Gemüse stand.
Unter dem Tisch tippte Michael sein Knie sanft gegen Christians, der ihm daraufhin ein schüchternes Lächeln schenkte.
„Schon satt?", fragte Michael und deutete auf den Teller, in der stummen Hoffnung vielleicht noch etwas naschen zu dürfen.
„Ja, ehrlich gesagt schon. Magst Du?"
„Gern", Michael nahm den Teller, der zu ihm geschoben wurde, dankend an.
„Du bist also Michael", stellte Christians Freund fest und sah amüsiert zwischen den beiden hin und her.
„Ja, oh entschuldige", es war ihm fast peinlich, dass er ihn einfach ausgeblendet hatte. „Und Du bist...?"
„Marco", lachte er und hielt ihm die Hand hin. Er schien es ihm nicht übel zu nehmen.
„Freut mich Marco", Michael nickte ihm zu, bevor er seinen Becher hob, um mit Marco anzustoßen.
Das Gespräch zwischen den dreien floss gemächlich dahin, Michael hielt sich zurück, aß Christians Reste, trank seinen Wein aus und war froh, Christian so gelöst zu sehen. Die Müdigkeit kroch ihm langsam in die Glieder, er fühlte sich beschwingt und zufrieden. Die Truppe, mit der sie unterwegs waren, hatte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, aufgenommen und er kam endlich zum Abschalten. Seit gestern hatte er nicht mehr an seine aktuellen Kunden gedacht oder war seine Aufgaben für die kommende Woche durchgegangen. Hier, mit Christian, war er endlich wieder im Moment angekommen.
Vorsichtig legte er seine Hand auf dessen Oberschenkel und drückte leicht zu.
„Du, ich bin müde. Ich gehe schonmal vor, ja?"
„Nein, nein warte. Ich komme gleich mit, ich trinke nur noch aus, ja?"
Nach einem Abstecher zu den Waschräumen lagen sie auf der ausgeklappten Matratze im hinteren Teil von Christians Bus, betrachteten durch die geöffnete Heckklappe das silbrige Glitzern, das die Lichter des Camping Platzes auf den See zauberten. Gelegentlich wehte ein herzhaftes Lachen oder gemurmelte Gespräche zu ihnen herüber, denn auch jetzt Ende August waren die Nächte noch warm und luden dazu ein, sie draußen zu verbringen.
Zärtlich strich Christian über Michaels Schulter, über seinen Bizeps hinab zum Ellbogen und wieder nach oben, bevor er die Hand in seinen Nacken legte, um dort seinen Haaransatz zu kraulen.
Die Geste genießend schloss Michael die Augen und sog tief Luft in seine Lungen, die verführerisch nach Sommer und Orangenbäumen in der Sonne roch. Das Gefühl, das sich in seinem Bauch ausbreitete, verlangte nicht nach Erklärungen, sein Herz kannte die Antworten ohnehin. Nur sein Kopf, der niemals zur Ruhe kommen wollte, zwang ihn, ihre Situation noch immer mit Vorsicht zu behandeln. Aber jetzt, jetzt war ein Moment, den es voll auszuschöpfen galt.
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Love and Destroy
General Fiction„Er vermisst dich", brachte sie schließlich hervor. „Weißt du das überhaupt?" ~ Als Michaels Vater stirbt, scheint es an der Zeit für ihn mit alten Wunden abzuschließen und sich ein neues Leben aufzubauen. Darüber, dass in seiner alten Heimat ungel...