13 | September 2019 (2)

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„Michi? Hey, hey hörst Du mich?"

Da waren Hände auf seinem Körper. Wem gehörten sie? Egal, er war doch allein.

„Scheiße, hatte er das schonmal?"

„Nein!"

„Hey, hey! Komm, schau mich an!"

Eine Hand drückte sein Kinn nach oben. Die Bewegung schubste die Achterbahn in seinem Kopf wieder an. Er kniff die Augen zusammen.

„Wasser?"

„Ich hole ein Glas."

Sein Haar wurde gestreichelt, seine Wangen. Wer war das? Unwichtig.

Denn die Person würde ihn ohnehin wieder verstoßen. Allein, er würde für immer allein bleiben. Wie konnte er nur denken, dass ihn jemand lieben könnte? Verzweifelt rang er nach Atem. Es passte einfach nicht genug Luft in seine Lunge.

Er wurde an eine feste Brust gezogen, die unglaublich gut roch. Wie der Sommer.

„Mein Großer, hör mir zu. Du musst dich jetzt beruhigen. Ganz langsam atmen, ja? Komm, mach mit. Ein... aus..."

Wie sollte er denn noch langsamer atmen, wenn er so schon kaum noch genug Sauerstoff hatte?

„Komm, versuch's. Bitte", die Stimme klang so warm, so vertraut. Weich. „Ein... aus!"

Es dauerte, bis sein Atem ohne sein Zutun dem vorgegebenen Rhythmus folgte.

Mit der Zeit wurde es leichter.

Mit der Zeit kehrte sein Verstand in seinen Körper zurück. Er blinzelte.

Noch immer waren da die zärtlichen Berührungen an seinem Hinterkopf; Finger, die durch seine Haare glitten. Es war schön, so schön.

„Michi?", Christians Stimme war so nah. Wo war er?

„Chris?", er schaffte nur ein heiseres Krächzen, sein Mund war ausgetrocknet; die Zunge klebte ihm unangenehm am Gaumen.

„Ich bin hier. Ich bin hier."

Ein Kuss auf seinen Haaren.

Vorsichtig löste er sich von der Brust, an der er lehnte, um nach Christian zu suchen.

Als er aufsah, waren die dunklen, braunen Augen allerdings direkt über ihm. Er war hier. Ungläubig schloss er seine Lider; sperrte die Realität aus. Warum hielt Christian ihn noch im Arm? Er konnte doch die Scharade endlich gut sein lassen. Das Geheimnis war entwischt; die Wahrheit offenbar.

„Möchtest Du einen Schluck Wasser?"

Felix.

„Danke", mit Mühe setzte er sich auf, versuchte sich zu orientieren. Sie saßen mitten im Garten seiner Mutter. Einfach so. Im Nieselregen. Christian klebte das Hemd am Körper, doch er machte keine Anstalten, aufzustehen.

Vorsichtig nahm er Felix das Glas aus der Hand, nahm einen kleinen Schluck. Seine Kehle war wund.

„Geht's wieder?", fragte ihn sein Bruder.

Unbestimmt brummte Michael – nein, nichts war gut. Aber die Panik war abgeebbt. Dafür machte sich nun Gewissheit in ihm breit. Er war allein, würde es immer sein.

„Ich bringe dich nach Hause, ja? Kannst Du aufstehen?"


Die beiden Männer bugsierten ihn zum Beifahrersitz des Audis, auf den er sich ohne Widerstand fallen ließ, denn er hatte sich seinem Schicksal ergeben. Ausgelaugt wartete er darauf, dass Felix endlich einstieg, um ihn nach Hause zu fahren. Die gedämpften Stimmen draußen vor dem Fenster sprachen noch einige Worte, die nicht zu ihm durchdrangen. Er war unendlich müde; seine Lider waren schwer.

Love and DestroyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt