19 | Juni 2020

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Michael lag auf dem Rücken, die Sonnenbrille auf der Nase und zog an seiner Zigarette. Unter dem Plastik schwitzte sein Nasenrücken, doch er genoss die Sonne, die heiß auf ihn herab brannte. Er war zu früh für seine Verabredung hier gewesen und genoss nun einen stillen Moment. Seufzend legte er die Lippen an den Filter der Zigarette, deren Rauch angenehm in seiner Brust kratzte und ihn weiter entspannte. Mit der freien Hand rieb er sich über die nackte Brust, gähnte einmal herzhaft. Das leise Plätschern des Wassers war einschläfernd.

Es war ein herrlicher Sommertag, den er mit seinem Bruder am See verbringen würde. Dass es ausgerechnet der See war, mit dem er so viele Erinnerungen verband, war dabei zwar nicht geplant gewesen, aber im Grunde war er gern hier. Außerdem lag er nun auf seiner Picknickdecke, die mit hässlichen Elefanten bedruckt war, in der Nähe des Kioskhäuschen und nicht auf der anderen Seite, dort wo die kleine Bucht nur versteckt zugänglich war. Dort, wo er vor einigen Monaten jemanden wiedergefunden hatte, dem er lange verloren glaubte.

Ach, warum hing er schon wieder diesen Gedanken nach? Der blonde Mann mit dem seltsamen Schnauzer war nicht mehr der Junge von früher.

Er seufzte. Eigentlich war dennoch es leichter an David zu denken als an Christian. Es fühlte sich immer noch manchmal falsch an, dass er nicht mehr fester Bestandteil seines Lebens war; aber es war dennoch die richtige Entscheidung gewesen, die unnötigen Streitereien hinter sich zu lassen.

Wenige Wochen nach der Trennung hatte Stephanie ihm erzählt, dass Phillip bei ihrem Onkel ausgezogen war; eine äußerst indiskrete Nachfrage hatte ergeben, dass er zurück bei Christian war. Der Stich, den ihm dieses Wissen versetzt hatte, war nicht ansatzweise so groß gewesen, wie er erwartet hatte. Dass diese beiden sich nicht loslassen konnten, war Michael spätestens an Weihnachten klar geworden. Tief in seinem Herzen wusste er außerdem, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden wieder dort anknüpften, wo sie vor Michael gewesen waren.

Wieder hob er die Zigarette an seine Lippen; sog langsam den Rauch in seine Lunge. Er war traurig darüber, dass wieder eine Beziehung gescheitert war. Aber gleichzeitig war er auch froh, dass Christian und Phillip durch diese Zeit einiges klar geworden war. Nicht nur den beiden, auch ihm. Ein Partner wie Christian, war nicht der richtige für ihn; so sehr er seine Fürsorge genossen hatte, er war kein Prinzesschen, das verhätschelt werden wollte.

Außerdem war die Angst, Christian zu verlieren, ständig präsent gewesen, nachdem er von dessen Exfreund erfahren hatte – und im Rückblick sah er, dass er schon die ganze Zeit gewusst hatte, wie es enden musste. Vielleicht war es sogar schon vorbei gewesen, als Phillip ihm damals die Tür zu Christians Haus geöffnet hatte.

Trotzdem war er durch die Zeit mit Christian stärker geworden, mutiger. Es war selbstverständlich geworden, sich nicht länger zu verstecken. Die Freiheit, die er im letzten Jahr gewonnen hatte, schmeckte süß; verlieh ihm Flügel.

Ächzend stemmte er sich auf seine Unterarme, neigte sich zur Seite, um die Zigarette auszudrücken. Dabei ließ er seinen Blick über die Menschen schweifen, die um ihn herum in der Sonne brieten, beobachtete kurz Kinder, die schreiend im flachen Wasser planschten, sah zum Kiosk, wo bereits zur Mittagszeit fleißig Bier getrunken wurde. Eine Gepflogenheit, die weitläufig anerkannt, für Michael aber unverständlich war. Zu den gelangweilten Männern, die sich um die Stehtischchen scharten, zählte er sich nicht – nicht mehr zumindest.

Wo blieb nur sein Bruder? Wieder ließ er den Blick wandern.

Dann kniff er die Augen zusammen; da vorn auf der Bank, saß da nicht...? Prüfend schob er die Sonnenbrille nach oben in die Haare, um einen klareren Blick zu haben. Doch, da auf der Bank, neben einer älteren Dame saß er. Das geblümte Hemd, das sicher modisch einwandfrei war, Michael aber furchtbar hässlich fand, hatte er weit aufgeknöpft und auf dem Kopf trug er lässig eine Snapback Cap. Auf die Entfernung war es schwer seine Gesichtszüge genau auszumachen, doch der Schnauzer verriet ihn.

Love and DestroyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt