Schuldgefühle

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~ Niennas Sicht ~

Ich rollte mich auf der Liege hin und her. Mein Unterleib schmerzte und mein Bauch fühlte sich unendlich leer an. Ich vermisste schmerzlich das Leben darin.
Schmerzlich war sehr untertrieben. Ich fühlte eine solche Leere in meinem Herzen, dass ich nicht einmal weinen konnte. Der Schmerz fraß sich in mein Herz und ließ die alte Orkwunde aufflammen. Eigentlich hatte Legolas sie doch schon geheilt.
Legolas.
Ich vermisste ihn so unendlich sehr. Wenn mir nicht alles wehgetan hätte, wäre ich aufgesprungen und hätte ihn gesucht. Warum hatte ich ihn nur weggeschickt?
Ich dachte, er wäre wütend auf mich. Enttäuscht. So wie ich. Weil ich unser Kind verloren hatte.
Aber er war so... einfühlsam gewesen. Noch immer liebevoll. Und das war einfach zu viel gewesen. Es wäre leichter zu ertragen, wenn er wirklich wütend oder enttäuscht gewesen wäre, denn ich hatte mich einfach noch schlechter gefühlt.
"Legolas..." schluchzte ich trocken in mein Kissen.

~ Legolas' Sicht ~

Ich schloss die Augen. Eine einzelne Träne kullerte über meine Wange. Ich vermisste Nienna so sehr. Konnte ich jetzt einfach zu ihr gehen?
Nein, ich würde nicht gehen. Sie hatte mich weggeschickt und wenn sie es nochmal täte... das würde ich nicht aushalten.
Vater hatte Glück, dass mein Schmerz so groß war, dass ich mich fast gar nicht rühren konnte. Ich hatte ihn angewiesen zu gehen, denn wenn er mich berührt hätte... dann hätte ich für nichts garantieren können.
Ich schloss die Augen. Wenigstens versuchen zu schlafen.
Doch sofort tauchten Szenen in meinem Kopf auf, die den Schmerz in meinem Herzen noch verschlimmerten. Immer wieder die Erinnerung an diesen einen Morgen bei Tathar und Maltawen, als ich das erste Mal die Bewegungen unseres Kindes gespürt hatte.
Das erste und letzte Mal.
Erst jetzt war mir klargeworden, wie sehr ich dieses kleine Wesen in Niennas Bauch geliebt hatte. Mini - Legolas, wie Nienna es genannt hatte.
Und jetzt war Mini - Ich... tot.
Ich presste meine Kiefer aufeinander, um die fürchterliche Qual irgendwie erträglicher zu machen. Es war schlimmer als irgendein körperlicher Schmerz, den ich je gespürt hatte. Wie konnte mein Leben innerhalb eines Tages von beinahe platzend vor Glück auf beinahe sterbend vor Schmerz sinken?
Wie ging es wohl Nienna? Sie hatte, auch wenn ich es mir kaum vorstellen konnte, eine noch engere Bindung zu ihm gehabt, schließlich hatte sie ihn in ihrem Bauch getragen. Und sie litt nicht nur unter seelischen Schmerzen, sondern auch unter körperlichen.
Es reichte. Ich musste zu Nienna. Jetzt.

~ Erzähler ~

Leise öffnete sich die Tür zu Hùors Krankenzimmer. Lautlos huschte Legolas hinein. Schlief Nienna?
Nein. Sie wandte ihren Kopf in Richtung ihres Mannes und ein angestrengtes, dennoch glückliches Lächeln glitt über ihr Gesicht.
"Du bist... wiedergekommen." flüsterte sie.
Legolas nahm ihre Hand und kniete sich auf den Boden. "Ich habe es nicht ausgehalten."
Nienna schluckte. "Ich bin dir so dankbar. Ich..."
Legolas legte ihr einen Finger auf den Mund. "Schsch. Ruh dich aus. Es war... ein grauenvoller Tag."
Nienna drückte schwach seine Hand. "Ich wünschte, ich würde einfach morgen aufwachen, und es ist Hochzeitsmorgen. Es wäre alles nur ein böser Traum."
Legolas schluckte bitter. "Das wünsche ich auch."
Sie sah ihn bittend an. "Aber ich vertraue dir. Mit deiner Hilfe schaffe ich das... ich werde mir verzeihen können."
"Du brauchst dir gar nichts zu verzeihen, da du nämlich keinen Fehler gemacht hast."
In ihren Augen glitzerten Tränen. "Ich habe unser Kind verloren."
"Denkst du, ich denke, du hätte es mit Absicht gemacht?" Legolas strich ihr eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel und küsste sie kurz. "Ich bin keineswegs wütend auf dich oder enttäuscht von dir. Das ist dir klar, oder?"
Nienna seufzte, sagte jedoch nichts.
"Es ist ein grauenvolles Ereignis, aber es kann nun einmal nicht rückgängig gemacht werden. Wir müssen es wohl oder übel akzeptieren, so schwer es uns auch fällt..." Seine Stimme brach und er räusperte sich.
Nienna schloss die Augen. "Aber ich komme mir so schlecht vor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du gar nicht enttäuscht von mir bist, denn ich..."
"Ich liebe dich." fiel Legolas ihr ins Wort.
Überrascht hielt Nienna inne. "Bist du dir sicher?"
Legolas wischte ihre Tränen von ihrer Wange. Sie hatte die ganze Zeit über geweint.
"Darüber muss ich gar nicht nachdenken. Du bist mein Leben, mein Herz und meine Seele. Ich könnte nicht einen Tag ohne dich leben. Egal, was passiert, es kann meiner Liebe zu dir keinen Abbruch tun. Natürlich ist das, was passiert ist, schrecklich, aber ich möchte auf gar keinen Fall, dass du denkst, ich könne dich jetzt nicht mehr lieben. Denn ich liebe dich, und das werde ich für immer tun, nimelos nîn."
Nienna begann wieder stumm zu weinen.
"Ich liebe dich viel mehr."
"Ich liebe dich am meisten."

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Jaa, kurzes Kapitel, ich weiß
Aber ich will es in diesem Kapitel nur um Legolas & Nienna gehen lassen. Thranduil & Maylea (was haltet ihr von "Mayduil"? Hat ja @glitter_sherlocked eingebracht :D) werden erst wieder im nächsten vorkommen.
Ich bin ja selber ein romantischer Mensch, aber dieses Kapitel war selbst für mich ein bisschen sehr... kitschig, weswegen ich es so kurz wie möglich halten wollte. Dass es so lange gedauert hat, liegt einfach daran, dass ich erstens in letzter Zeit voll den Stress hab und dieses Kap ein bisschen schwierig war.
Einerseits hatte ich einfach keinen Bock, schon wieder so 'ne kitschige Schmerz - Irgendwas zu schreiben, andererseits musste es sein da, tja, man eben nicht frisch fröhlich weiterlebt, wenn man unerwartet sein geliebtes ungeborenes Kind verliert, ne?
Ich versuche, die nächsten Kapitel weniger kitschig zu gestalten, damit ihr keinen Kotzreiz kriegt (ich weiß ja nicht wie ihr da eingestellt seid) und ich auch ein bisschen Lust habe, es zu schreiben.
Oben seht ihr ein Bild, wie ich das Kap eigentlich nennen wollte, hah. Ich hab nämlich einfach keinen Namen gefunden xD Was auch der Grund ist, weswegen der Name nicht ganz so passt. Naja.

Wir lesen uns!
- Louiejojo

Der Prinz des Düsterwaldes 2 - Dunkle SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt