Thranduils Wandel

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~ Erzähler ~

Nienna drückte vorsichtig Legolas' Hand. "Was ist hier los?"
Legolas' Kiefer mahlten. "Lass es dir von meinem Vater erzählen."
Thranduil presste die Lippen aufeinander und sah verlegen zu Boden. Dann begann er zu sprechen.
"Vor langer Zeit, lange vor der Schlacht am Erebor, gab, oder gibt, denn es existiert immer noch, es ein dunkles Geheimnis tief in dem Untergrund Mittelerdes. Angmar ist sein Reich. Dieses Geheimnis ist ein Wesen, dunkler als jede Nacht und doch heller als die Sonne. Denn es kann Katastrophen hervorbringen, und gleichzeitig Wunder vollbringen.
Ich lernte es direkt nach der Schlacht bei Gundabad kennen, in der meine Frau starb."
Legolas wunderte sich, dass er zum ersten Mal so normal und ohne den in seiner Stimme mitklingenden Schmerz über den Tod seiner Mutter, also Thranduils Frau, sprechen konnte.
"Ich hatte viele Soldaten verloren. Sehr viele. Tatsächlich war es so, dass nur noch sehr wenige Düsterwaldelben am Leben waren. Der Schmerz über den Tod meiner geliebten Frau saß tiefer in mir denn je, und ich stieg hinab zu dem Wesen in der Hoffnung, eine Möglichkeit zu finden, dass sie zu mir zurückkahm.
Doch ich musste herausfinden, dass das Wesen keine Leben wieder zurückholen kann. Tief enttäuscht wollte ich schon wieder zurück an die Oberfläche gehen, als es mir doch noch etwas anbot.
"Du hast viele Krieger verloren heute." sagte es mir. "Ja." antwortete ich, denn ich wusste nicht, worauf es hinauswollte.
"Ich kann dir etwas anbieten, mit dem du schnell neue Krieger gewinnen kannst."
Aufmerksam geworden wendete ich mich ihm wieder zu.
"Weißt du, was unbestimmte Elben sind?" fragte es mich. Ich nickte, natürlich wusste ich das. Denn ihr müsst wissen, unbestimmte Elben sind Elben, die in keinem der Elbenreiche mit einem Herren oder König aufgewachsen sind. Diese Elben besitzen zwar die Grundfähigkeiten, die alle Elben haben, die spezifischen Reichsmerkmale aber fehlen. So wie Nienna, als sie aus Rohan hierher kam. Auch sie besaß die normalen Merkmale der Elben, jedoch keine besonderen Reichsmerkmale."
Als er Niennas unverständigen Blick sah, fügte er hinzu: "Was beispielsweise bei den Düsterwaldelben die hoch ausgeprägte Kampfesfähigkeit ist.
Gut. Diese unbestimmten Elben werden also niemals zu einem besonderen Reich gehören.
Nun hat mir das dunkle Wesen einen Vorschlag gemacht. Durch eine Berührung des Königs durchläuft der Körper der unbestimmten Elben eine Art Verwandlung, nach der sie echte Düsterwaldelben werden. Was ich mit Nienna gemacht habe. Ich habe dir damals nur nicht die volle Wahrheit erzählt."
Nienna zuckte mit den Schultern. "Was ist daran jetzt besonders? Ich bin eine Düsterwaldelbe, gut. Aber warum war das so wichtig, dass Legolas es mir nicht selbst erklären konnte?"
Thranduil seufzte. "Die Geschichte ist noch nicht vorbei.
Ihr müsst wissen, das dunkle Wesen macht nie etwas aus reiner Gefälligkeit. Es gibt, doch es nimmt auch. Die von mir verwandelten Elben werden unfruchtbar."
Nienna wurde blass. Leichenblass. "I- ich bin unfruchtbar?"
Thranduil nickte erschöpft.
"Das heißt, du bist Schuld daran, dass ich mein Kind verloren habe?!"
Thranduil zog die Luft durch seine Zähne. Verdammt, warum dachte das jeder? Er war nicht spezifisch Schuld an dem Tod seines Enkelkindes. Nur generell an Niennas Lage.
"Du bist so ein Miststück, Thranduil!" flüsterte Nienna hasserfüllt. Dann brach sie in Tränen aus.
"NEIN!" brüllte Thranduil auf einmal. "Verdammt, es tut mir leid. Es tut mir leid und ich hasse mich dafür, dass du dein Kind verloren hast. Legolas ist mein Sohn, es wäre mein Enkelkind gewesen. Außerdem habe ich selbst einen Sohn und ich habe schonmal gedacht, ich würde ihn verlieren! Nienna ICH BIN NICHT SCHULD daran, nicht wirklich. Versteh es. Es war vor vielen Jahren, sehr vielen Jahren, und ich konnte nicht wissen, dass dieser Fluch die Frau von meinem Sohn betrifft! Es tut mir leid! Es tut mir so leid! Wenn ich es irgendwie wieder rückgängig machen könnte, ich würde es tun. Ich würde sogar mein Leben dafür geben. Aber es geht nicht. Versteh es. Und ich bitte dich, hasse mich nicht dafür."
Thranduil stützte seinen Kopf in seine Hand.
Legolas, der die ganze Zeit über nichts gesagt und nur still dagestanden hatte, strich Nienna über die Schulter.
"Ich glaube ihm. Ich weiß nicht wieso er auf einmal wieder so einfühlsam ist, aber ich denke, dass er die Wahrheit sagt."
Nienna schniefte. "Kann ich irgendetwas tun, damit ich wieder... fruchbar werde?"
Thranduil hob den Kopf. "Ich... weiß nicht. Auf jeden Fall müsstest du zu dem dunklen Wesen gehen und es darum bitten, dir deine Fruchtbarkeit wieder zu schenken. Das wird es allerdings nicht einfach so tun, du wirst ihm einen Gefallen tun müssen..."
In Legolas' Ohren klang das Ganze noch immer wie ein schlechter Scherz. Ein dunkles Wesen? Unter Angmar? Nienna unfruchtbar?
Auf einmal schlug die Wahrheit mit voller Kraft zu. Wenn Nienna unfruchtbar war, könnte sie niemals Kinder bekommen. Was bedeutete, dass es keinen Thronfolger geben würde, wenn Legolas und Thranduil irgendwann nicht mehr wären... was vermutlich noch sehr lange dauern würde. Aber trotzdem.
Nienna schniefte leise. Sie lehnte an Legolas, andererseits wäre sie zu Boden gestürzt. Ihre alte Wunde unter dem linken Rippenbogen schmerzte wieder und sie konnte nicht begreifen, dass sie tatsächlich unfruchtbar sein sollte. Unfähig, Kinder zu bekommen, auf alle Ewigkeit.
Legolas strich ihr über den Kopf. "Wir sollten gehen. Du musst dich beruhigen." Nienna nickte nur und stolperte hinter Legolas die Gänge zu seinem Raum entlang.
Thranduil blieb und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er seufzte. Wo hatte er sich damals nur hineingeritten. Wenn er auch nur ansatzweise geahnt hätte, wie dieser Pakt enden könnte, er hätte ihn niemals geschlossen.
Thranduil seufzte. Nienna tat ihm aufrichtig leid.
Du hast dich ganz schön verändert in den letzten Tagen flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Früher wäre es dir vollkommen egal gewesen, ob irgendeine Elbin, ob Legolas' Frau oder nicht, ihr Kind verliert.
Natürlich hatte er sich verändert. All das hing nur mit dem Traum zusammen, den er vor kurzer Zeit gehabt hatte. Seitdem wusste er, wo die wichtigen Dinge lagen. Wieso war ihm das all die Jahre nicht aufgefallen? Warum hatte er sich so vollkommen abgeschottet gegen jegliche Gefühle? Ihm war so unendlich viel entgangen.
Seine Gedanken wurden unterbrochen durch das Geräusch leichter Schritte auf einem der vielen Gänge zu seinem Thron. Er hob den Kopf.
Verlegen rückte er seine Krone zurecht. Maylea kam auf ihn zu.
"Hallo." sagte sie leise.
"Hallo." erwiderte er mit einem Lächeln.
"Ich... muss mit dir reden." sagte Maylea.
Thranduil stieg von seinem Thron. "Und ich mit dir." Das war die perfekte Gelegenheit, Maylea auf ihr "Ja" der letzten Nacht anzusprechen.
"Ich hätte gerne, dass du mir erklärst, was du mit Nienna gemacht hast."
Warum war das allen so wichtig? Langsam fühlte Thranduil sich genervt von all den Vorwürfen.
"Vielleicht nicht hier."
"Gehen wir in mein Zimmer." schlug Maylea vor.
Thranduil ging schnellen Schrittes vor und überlegte schon einmal, wie er Maylea auf die letzte Nacht ansprechen sollte, aber er fand einfach keinen passenden Einstieg. Und dann stand er schon vor ihrer Tür.
Maylea sah ziemlich unversöhnlich aus, als die beiden in ihrem Zimmer standen. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand.
"Erzählt, König Thranduil."
Thranduil seufzte. Dann nahm er Mayleas Hand, legte seine eigene darauf und begann zu erzählen.
Mayleas Gesicht entglitt den Zügen, als er an der Stelle mit der Unfruchtbarkeit angelangt war. Mit einem Ruck entzog sie ihn ihre Hand. "Was?"
Thranduil seufzte. "Nicht du auch noch."
"Allerdings." fauchte Maylea. "Wie konntest du Nienna das antun?"
Thranduil war kurz davor die Fassung zu verlieren und Maylea anzuschreien. Er presste die Lippen aufeinander, damit die Wut nicht aus ihm herausplatzte.
"Ich. Habe. Nicht. Schuld. Daran. Dass. Nienna. Ihr. Kind. Verloren. Hat. Das war vor wer weiß wie vielen Jahren und ich konnte nicht ansatzweise ahnen, dass meine Schwiegertochter davon betroffen sein könnte. Noch nicht einmal als ich sie zur Düsterwaldelbin gemacht habe, konnte ich ahnen, dass sie irgendwann mal Legolas' Frau sein würde. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es tun, egal wie. Und wenn ich mein Leben dafür geben müsste."
"Vielleicht solltest du es geben, dann wäre die Welt dich und deine Herzlosigkeit los!" fauchte Maylea.
Thranduil schwieg betroffen. Das hatte wehgetan.
Er machte einen Schritt auf Maylea zu und griff nach ihren Händen. Er stand nun so nah vor ihr, dass er den Tränenschleier, der ihre Sicht behinderte, wahrnehmen konnte.
"Habe ich dir nicht bereits gezeigt, dass ich doch nicht so herzlos bin, wie man es all die Jahre wargenommen hat?"
"Vielleicht solltest du es noch einmal tun, damit ich mir sicher bin." murmelte Maylea und sah ihm in seine stechend blauen Augen.
Thranduil lächelte schwach und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. "Was macht Euch traurig?"
Mayleas Unterlippe zitterte. "Ich kann es dir nicht verraten."
Thranduil kam noch einen Schritt auf sie zu, sodass ihre Lippen sich beinahe berührten. "Und wenn du dir sicher sein könntest, dass ich ganz und gar nicht herzlos, sondern äußerst liebevoll bin?" Er lächelte verführerisch.
Maylea hob den Finger und zeichnete die Umrisse seiner Lippen nach. "Ja, dann könnte ich es mir noch einmal überlegen."
Thranduil legte ihr einen Arm um die Hüfte und legte die andere Hand auf ihre Schulter. Kurz bevor ihre Lippen sich trafen, hielt er kurz inne.
"Vergiss nicht weiterzuatmen, mein Hirsch."

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Sorry. Sorry sorry sorry.
Ich habe viel länger nichts gepostet als gut ist, und ich habe euch viel zu lange zappeln lassen. Dafür gibt es im nächsten Kapitel eine altbekannte Überraschung, die mit E anfängt, und über die Nienna sich freuen wird. Na, was wohl? :)
Danke, dass ihr so geduldig gewartet habt! Und übrigens: Liebt ihr Mayduil genauso sehr wie ich? O.o ich könnte NUR über die beiden schreiben! Aber dann geht es mit der wirkichen Story nicht mehr weiter, haha.
Hab euch alle lieb! ❤
Louiejojo

Der Prinz des Düsterwaldes 2 - Dunkle SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt