♛ Prolog

160 21 40
                                    

"Ayleen Fox - die Kämpferin." Snow's Stimmlage war sanft - aber nicht so, wie etwa Elio's Sanftheit.
Nein, sie war provokant - fühlte sich risikoreich an. Als würde er mir mit Absicht extra viel Sicherheit spenden wollen - damit es dann nur noch mehr wehtat, wenn ich einen Fehler machen würde.

Wir sassen uns gegenüber in einem seiner unzähligen Zimmer des Palastes.
Ich hatte diesen Termin nicht wahrnehmen wollen - doch ich wusste mittlerweile, dass ich es so oder so musste.

Das Kapitol hatte mich nun im Griff. Präsident Snow hatte seine Krallen um mich gelegt. Angekettet. Wenn ich mich zu sehr bewegen würde - würden sich die spitzigen Kanten der Kette in meine Haut bohren.

"So nannte man mich.",antwortete ich nickend und zeigte bis jetzt noch keine starke emotionale Regung.

"Und das warst du auch.",sagte er lächelnd und nickte leicht.
Sein Blick war die ganze Zeit auf meine Augen gerichtet - was ich hasste. Fühlte mich dadurch unfassbar unsicher und getraute mich nicht, meinen Blick von ihm abzuwenden.

"Wie hast du dich im Dorf der Sieger eingefunden, Ayleen?"
"Gut, danke. Es ist sehr schön."
"Das freut mich zu hören. Ich habe aufgetragen, dass dir und deiner Familie das schönste Haus zugeteilt wird."

Ich runzelte etwas die Stirn und schaute den Präsidenten fragend an.
Weshalb? Damit ich dicht halte? Damit meine ganze Familie dicht hielt - darüber, dass die Gerüchteküche brodelte, seit meinen Erzählungen in den 72. Hungerspielen?

Snow's Blick reichte mir als Antwort - genau das war der Grund dafür.
Das war der Grund dafür, dass wir einen wunderschönen, grossen Garten besassen.
Das war der Grund dafür, dass unser Haus perfekt war - sauberes Wasser besassen, funktionierende Abflussanlagen, immer etwas gutes zu Essen auf dem Tisch hatten und das ganze Jahr durch eine Heizung besassen.

Ich schluckte kurz leer - hoffte, dass Präsident Snow meine Reaktion nicht bemerkt hatte.
Aber ich hätte ebenso denken können, dass Vögel nicht fliegen konnten - und wäre zum gleichen vernichtenden Entschluss gekommen, dass ich sowas von unrecht hatte.

"Meine Familie ist Ihnen sehr dankbar.",sagte ich nickend und setzte ein Lächeln auf.
Mein Interview-Lächeln. Mein redeschwingendes Lächeln. Mein Lächeln, welches kein Lächeln war - und doch sah es so aus.

"Das glaube ich gerne.",antwortete er ebenso lächelnd und sah einen Moment aus dem Fenster neben uns.
Liess mich kurz aufatmen - weil sein Blick mich nicht mehr festhielt.

Snow trug einen weissen Anzug - eine ebenso weisse Rose hatte er sich in der Brusttasche reingesteckt.
Auch wenn er schon ziemlich alt war - umgab ihn eine solche Macht und Gefahr, dass ich wie ein scheues Reh gegenüber von ihm in dem dunkelroten Sessel sass.

Meine roten Haare hatte ich mittlerweile schulterlang geschnitten - trug schwarze Hosen und einen dunkelgrünen Pullover aus meiner neuen Kapitols-Garderobe.
Helio hatte mir all diese Kleider ausgesucht - und darauf bestanden, dass ich nur das behalten soll, was mir gefiel.

Tulip hatte mich hier ins Kapitol begleitet. Hatte Snow doch nach einem Gesprächstermin mit mir verlangt - und man durfte eine solche Anfrage nunmal nicht ablehnen.

"Du wirst für die diesjährigen Hungerspiele als Mentorin arbeiten, Ayleen."

"Was?",entstiess es mir hauchend - ohne dass ich es hätte verhindern können.
Johanna und Blight hatten mir versichert, dass ich nun ein paar Jahre der Ruhe geniessen durfte - sie selbst auch nicht gleich nach ihren eigenem Sieg hatten als Mentoren arbeiten müssen.

Snows Mundwinkel zogen sich amüsiert nach oben, als er meine reflexartige Reaktion erspäht hatte.
So hatte er es sich vorgestellt - das sah ich in seinem Blick. Genugtuung - Zufriedenheit. Hämische und skrupellose Zufriedenheit mit seiner Idee.

"Ich dachte, Sieger würden nicht gleich im nächsten Jahr als Mentoren arbeiten müssen.",antwortete ich ihm mit heiserer Stimme. Spürte, wie sich stechende Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Mir die Luft wegblieb und mein Herz schmerzhaft in meiner Brust pochte.

"Ach, für Ayleen, die Kämpferin sollte das doch kein Problem sein, findest du nicht?" Snows Lächeln war wie ein Blitz, welcher mich etwas stockend nach Luft ringen liess.
"Wir machen doch gerne wieder mal eine kleine Ausnahme für dich."

Ich spürte, wie meine Augen brannten - blinzeln musste, damit die Tränen sich nicht ihren Weg hinaus erkämpften.

Präsident Snow stand entspannt aufseufzend von seinem Sessel gegenüber von mir auf - und auf einen Schlag wurde sein Lächeln komplett eisig.
Er trat ein paar Schritte auf mich zu und mit zittrigem Körper schaute ich zu dem weisshaarigen Mann hinauf.

Seine Stimme war flüsternd - zischend. Aber so bedrohlich, dass ich spürte, wie ich alles um mich herum nur noch verschwommen wahrnahm.

"Wenn ich nur ein einziges Gerücht höre. Einen Mucks. Ein Windhauchen, dass du in irgendeiner Weise nicht gehorchst - dann wird euer wunderbares, so perfektes Haus brennen. Oh ja, Ayleen - es wird brennen. Und die, die den Brand überleben - werden öffentlich bis zum Tode gefoltert werden. Ich werde dafür sorgen, dass du als letzte übrige Person überlebst - und all das mitanschaust. Für dein ganzes Leben lang."

Seine Schritte hallten auf dem perfekten Parkettboden nach, als er an mir vorbei aus dem Zimmer ging.

Ayleen Fox | Leben als MentorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt