17 ♛ ein etwas anderes Training

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Mir war nicht klar gewesen, wie viel zu viel Freizeit man als Mentor während den Spielen besass.
Natürlich hatten Blight und ich abgemacht, dass wir heute zusammen die restlichem Tribute noch einmal durchgingen - schauten, welche eine Bedrohung waren und welche nicht - aber ansonsten blieb viel zu viel Zeit übrig.

Ich wollte zuerst Elio einen Brief zu schreiben - doch ich konnte meine Gedanken nicht sortieren. Nicht, dass ich nicht nachdachte - nein, ich dachte viel zu viel nach.
Auf einmal fühlte ich mich schrecklich, weil ich so damit zu kämpfen hatte - in ein paar Tagen starben 23 unschuldige Kinder und Jugendliche, und die sensible Ayleen Fox zerbrach daran, während sie im Luxusappartment sass und mit Blight viel zu guten Rotwein trank.

Ich entschied mich also, in Blight's Nähe zu bleiben. Er gab mir schon nur ein wenig Ruhe - Ruhe im Sturm, welche ich nur allzu gut gebrauchen konnte.
Ob es mit den Jahren besser werden würde? Jedenfalls kam Blight ganz gut klar mit dem Mentoren-Ding. Vielleicht nicht so gut, wie es schien - aber wenigstens kam er klar.

"Tulip wird dich umbringen, wenn sie deine Fingernägel sieht.",murmelte Blight neben mir auf dem Sofa, als wir uns eine langweilige Sendung des Kapitols anschauten.
Reflexartig zog ich meine Finger weg von meinem Mund - grinste schwach und verdrehte die Augen. Ich hatte schon wieder so lange die Fingernägel gekaut, sodass teilweise leichte, blutige Stellen zu sehen waren.

"Es tut mir leid, zu sehen, wie sehr es dich mitnimmt.",flüsterte Blight nun wieder ernster - besorgt. Er setzte sich etwas näher zu mir und legte den Arm um meine Schultern. Tief atmete ich durch und lehnte mich dann etwas an ihn.
Am liebsten hätte ich geweint - aber ich wollte und konnte nicht in diesem Moment.

"Es ist egoistisch, oder?",fragte ich ihn stattdessen und spürte, wie er verwirrt seinen Kopf zu mir drehte.
"Was genau meinst du damit? Was ist egoistisch?"

Ich setzte mich wieder etwas mehr auf, sodass ich ihn anschauen konnte. In diesem Moment erinnerte er mich an Zach. Der Gedanke an meinen grossen Bruder, liess mich kurz zu Boden schauen.

"Naja, dass es mich so sehr mitnimmt, weisst du, was ich meine?"
"Ja, aber das ist Bullshit, Ayleen."
Schwach musste ich über diese Antwort grinsen.
Ich sah, wie Blight die Lautstärke des Fernsehers runterdrehte und sich dann ebenso mehr aufsetzte.

"Du weisst nicht, wie du damit umgehen sollst.",sagte er und ich nickte einige Male.
"Naja, ganz ehrlich - es gibt keine perfekte Art, damit umzugehen, schätze ich.",begann Blight mit einem schwachen Lächeln zu erzählen.

"Du kannst dich permanent volllaufen lassen wie Haymitch - oder sogar Morfix spritzen lassen. Du kannst dich mit unwichtigen One Night Stands wie einige andere Mentoren ablenken - oder du kannst dich auch einfach in deinem Appartment-Zimmer einschliessen. Gibt einige Möglichkeiten."
Er legte seine Hände auf meine beiden Schultern und brachte mich so dazu, in seine Augen zu schauen.
"Aaaber du hast mich, okay? Ich werde dafür sorgen, dass du das überstehst - die ganze Mentorensache. Die ganze Zeit durch. Und wenn ich dir eins sagen kann, was wirklich, wirklich wahr ist; es wird ertragbarer. Nicht einfach oder leichter. Aber es wird ertragbarer."

Ich fing an zu weinen. Versuchte zwar meine Schluchzer zu unterdrücken - aber als Blight mich an sich zog, konnte ich auch das nicht mehr.
Und das Weinen tat gut - fast schon stärkend breitete es sich in meinem Kopf und Körper aus. Das Wissen, dass ich nicht alleine war. Das Wissen, dass es ertragbarer sein würde - wenn es das auch jetzt gerade noch nicht war.

Nachdem ich mich duschen gegangen war, damit man mir meine Weinattacke nicht ansah - war das Mittagessen angesagt.
Neil erzählte mit grossen Augen davon, dass Jon aus Distrikt 1 den Jungen aus Distrikt 2 - Wade - angreifen wollte. Sehr warscheinlich war also zwischen den Karrieros schon am ersten Tag Streit entstanden. Unauffällig schaute ich hoffnungsvoll zu Blight rüber - doch dieser schien noch nicht ganz überzeugt von dieser Hoffnung zu sein.

Und Tilia schwieg. Antwortete zwar auf jede Frage, die man ihr über den heutigen Vormittag stellte - aber nur knapp und nur so, sodass man nichts hätte anderes dazu sagen können.
Zwischendurch versuchte ich ihren Blick einzufangen - versuchte zu verstehen, ob irgendetwas vorgefallen war - doch Tilia war gut darin, den Blicken einfach so auszuweichen.

"Ist euch ein Tribut besonders aufgefallen? Mal abgesehen von Jon und Wade, meine ich.",fragte Blight die beiden, gerade als ich einen Schluck des Rotweines trank.
Neil schien einen Moment nachdenklich - doch Tilia sah von ihrem Essen auf.
"Dieser Tony aus Distrikt 9.",sagte sie ernst und runzelte die Stirn.
"Der, der sich für seinen kleinen Bruder gemeldet hat. Er hat mit einem Kurzschwert einem Dummie den Kopf abgehackt."

Neil schien bei dieser Erinnerung zusammen zu zucken - Blight und ich hingegen sahen uns kurz ernst an.
"Zusammen mit Shirley aus Distrikt 4, welche sich freiwillig gemeldet hat - könnte das eine gefährliche Kombi sein. Noch einen Teil der Karrieros dazu, und dann sind sie sehr starke Verbündete...",sagte ich nachdenklich und ich sah, wie Blight neben mir nickte.

"Was ihr heute Nachmittag beim individuellen Training macht, ist sehr wichtig.",erklärte Blight dann nach einer kurzen Pause, in welcher man nur das Besteck auf den Tellern gehört hatte.
"Tilia - du solltest versuchen, eine Waffe auszuprobieren. Vielleicht wie Ayleen damals die Axt? Irgendetwas, womit diese Leute vielleicht aufmerksam auf dich werden könnten..."
"Und was ist, wenn sie dann eher daran denken, mich als erste in der Arena umzubringen?",fiel ihm Tilia mit einer angehobenen Augenbraue ins Wort.

Blight runzelte kurz die Stirn - ebenso war ich über das abrupte Strategie-Interesse seitens Tilia überrascht.
"Meistens ist es so, dass sie die Stärksten als Verbündete aussuchen. Auf diesen Tony werden sich die Karrieros sofort stürzen - und auf Shirley auch, sie ist ja eigentlich ebenso eine Karriero, wie sie es sind."
"Ich bin aber keine Karriero. Was soll ich denn bitte machen? Was ist, wenn ich mit ner Waffe ausrutsche - und so schon mein Todesurteil beim Blutbad unterschreibe?" Tilia's Blick war fest - aber ebenso unergründlich. Es machte mich nervös.

"Was möchtest du denn deiner Meinung nach tun, Tilia?",fragte ich sie nun - denn eigentlich war sie ja mir zugeteilt und nicht Blight. Auch wenn ich ihm dankbar war, wie er mir stets half.
Auf Tilia's Lippen kräuselte sich ein leichtes Grinsen, als ich sie dies fragte.

"Ich könnte eine Liebschaft anfangen - wie du damals. Eine Show bieten. Eine tragische Todesszene voller Tränen nach der anderen hergeben, wie du es getan hast."
Ihre Stimme trotzte nur so vor Sarkasmus - Sarkasmus, welcher wie ein Messer in mein Herz stach. Doch dieses Mal kamen keine Tränen in meine Augen - ich hatte alle Tränen für heute schon aufgebraucht.

"Tilia, ich würde dich vorsehen, was du da sagst.",flüsterte ich - denn am Tisch war es auf einmal totenstill. Blight schien etwas sagen zu wollen - doch wusste nicht, ob er nun sollte oder nicht.
"Wieso?",zischte Tilia und schaute mich über den Tisch mit festem Blick an. Starrte schon fast regelrecht in meine Augen - doch ich hielt Stand.

"Weil ich dir vielleicht helfen könnte, das Ding zu überleben. Ich bin deine Mentorin."
"Ach, sowas nennst du Mentorin?"
Blight wollte etwas sagen - doch ich redete ihm wütend ins Wort, als ich Tilia antwortete.
"Ich kann dir nicht helfen, wenn du dich so verhälst! Wie zur Hölle soll ich dir meine Erfahrungen mitteilen, wie man da drinn überlebt?"

Tilia lachte bitter auf und liess ihr Besteck auf das Teller fallen - lehnte sich etwas zu mir rüber.
"Deine Erfahrungen? Du hast verdammt nochmal aus Glück gewonnen!"
Nun war es wieder totenstill am Tisch - Neil schaute verzweifelt und verwirrt alle an. Tulip sass wie erstarrt da und schaute ins Leere. Blight runzelte neben mir die Stirn und schielte zu mir rüber - schaute dann Tilia kopfschüttelnd an.
"Tilia, hör auf.",sagte er mit strenger Stimmlage - doch alle hier wussten, dass dies jemanden wie Tilia nicht einschüchterte.

Sie stand schwungvoll vom Tisch auf und strich sich ihre dunkelblonden Haare hinters Ohr. Schüttelte den Kopf, bevor sie sich abwandte.

"Nein! Ich werde mir gar nichts von Ayleen Fox sagen lassen."


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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 06 ⏰

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Ayleen Fox | Leben als MentorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt