4 ♛ Die letzten Worte

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Distrikt 8 bestand fast bloss aus Industriegebäuden - alles schien so dunkel und düster zu sein.
Hier wurden die Stoffe für die Kapitols-Kleider gemacht. Menschen, welche tagein, tagaus in diesen Betonklötzen drinn sassen - und von diesen Klamotten selbst wohl nur träumen konnten.

Doch als ich auf die Bühne des Distriktes trat, konnte ich nicht darüber nachdenken. Ich nahm das Schütteln der Hand des Bürgermeisters gar nicht wirklich wahr - schaute nur links auf die riesige Leinwand.

Diese blauen Augen sahen mich an - umrandet von Sommersprossen und blonden Haaren. Er, welcher ein leichtes Grinsen auf den Lippen trug - wohlmöglich einer der einzigen, welcher auf diesen Bildern gelächelt hatte.

Eddie. Die Nadel - auf einmal kamen mir die Hungerspiele gleichzeitig so weit weg vor und doch raste mir diese Zeit wie ein Schlag ins Gesicht nun auf mich ein.

Wir hatten uns für eine nur so kurze Zeit gekannt - und doch war da diese Verbindung gewesen, welche eigentlich so unfassbar dumm gewesen war. Hatten beide gewusst, dass einer von uns sterben würde - und trotzdem...

"Ich danke Distrikt 8 für dieses herzliche Willkommen...",begann ich und fühlte, wie sich alles in mir drinn zusammenzog. Meine Finger zitterten gar nicht - so voller Gefühle war ich in diesem Moment.

Die nächsten Worte waren so unfassbar allgemein - es tat mir weh, solche Sachen zu sagen, während mich Eddie anschaute. Eddie, welcher doch so alles andere, als allgemein gewesen war.
Er war besonders gewesen. So wunderschön besonders.

Zu Mikaela sagte ich die Standartsachen - welche ich mittlerweile zum Glück sagen konnte, ohne dass ich schon da meine Stimme vor Zittern verlor.

Doch dann sah ich abermals zu Eddie. Stellte mir vor, wie er amüsiert den Kopf schüttelte über meine so unfassbar doofe Rede.

Vor seiner Leinwand stand niemand - was nur noch mehr ein Stich in mein Herz war. Sein Vater hatte er nie gekannt - und seine Mutter hatte er ebenso verloren.
Niemand stand dort. Ich wünschte mir, dass wenigstens ich dort stehen würde. Wollte nicht hier auf dieser Bühne stehen. Dies war nicht mein Platz. Und es schmerzte mich bishin zu meinem Herzen. Und noch weiter.

"Ich kannte Eddie...",begann ich - spürte die Blicke der Distriktbewohner stärker auf mir, als man merkte, wie meine Stimme etwas brüchiger wurde.
Wusste nicht, wie zur Hölle ich dies schaffen würde - wie zum Teufel würde ich diese Worte über die Lippen bringen?

"Er war... ein geborener Freigeist. Speziell und besonders - und seine Verbündete zu sein in der Arena, war ebenso eine solche Erfahrung gewesen..."
Ich spürte, wie meine Augen begannen zu brennen - erinnerte mich an Tulip's Worte. Dass ich weinen durfte. Dass dies das Kapitol wohl noch feiern würde. Entzückt und mit ihren vielleicht sogar vergoldeten Taschentüchern ihre Tränen abwischen - aber nur so, sodass deren Make-Up nicht verschmierte.

"Er hat mir geholfen..." Es fühlte sich an, als wäre ein Knoten in meiner Brust, welcher - je mehr ich versuchte, ihn mit zittrigen Fingern zu lösen - sich noch mehr verschloss.
Als würde ich stets am falschen Ende der Schnur ziehen, sodass sich der Knoten nur noch mehr zusammenzog. Und ich machte immer den gleichen Fehler. Und es schmerzte immer wie mehr.

"Ich bin Eddie so unfassbar dankbar. Und..." Meine Worte kamen stockend aus mir heraus. Fühlte, wie einige Distriktbewohner einander ansahen und sogar ebenso anfingen zu weinen. Wusste nicht, ob dies nun gut oder schlecht war. Wusste ebenso wenig, ob ich mich überhaupt noch an den Text hielt.

"Er war mein Licht gewesen. Und... ich werde ihn niemals vergessen..." Zum Glück hatte ich das Mikrofon vor meiner Nase - denn sonst würde man meine zittrige, flüsternde Stimme nicht mehr hören können.
"Ganz ehrlich."
Die letzten Worte presste ich aus meinem Mund hinaus - gleichzeitig war es ein Freigeben von meinem Schmerz und trotzdem überflutete mich der Verlust des Blonden nun komplett.

Ayleen Fox | Leben als MentorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt