14 ♛ Sonnengott

78 12 19
                                    

Liebe Ayleen

Danke für deinen Brief! Ich hätte ihn fast nicht lesen können, weil Glenn wieder mal seinen Kaffee auf dem Küchentisch verschüttet hatte. Konnte ihn noch gerade rechtzeitig wegziehen (Glenn grüsst dich übrigens!).

Ich habe mir schon gedacht, dass Tilia eine schwierige Tributin sein wird. Fast so stur wie du! Nein, ich mache natürlich Witze.
Ich bin mir zu 101% sicher, dass du es schaffst, zu ihr durchzudringen und ihr deine Erfahrungen mitzuteilen. Ich meine; wer schafft das, wenn nicht du?
Glaub an dich, bitte. Und wenn du es nicht kannst - tue ich es halt noch mehr. 

Zu Hause vermissen wir dich alle sehr.
Cassidy hat uns gestern Abend ihr neustes, selbstgeschriebenes Lied vorgesungen. Deine Cousine hat ein solches Talent, ich bin immer wieder überrascht darüber.
Johanna kam sogar gestern wieder einmal zu uns. Ich glaube, auch sie lässt all das alles andere als kalt - und sie möchte nicht alleine sein.

Ausserdem hat heute Augustine Stoff für neue Vorhänge gekauft - aber Zach hatte den Auftrag gehabt, die Fenster zu messen. Natürlich hat er die Masse falsch aufgeschrieben und nun sind die Vorhänge zu kurz. Naja, vielleicht wird das ja ein neuer Kapitolstrend, was meinst du?

Tobias kam auch noch einige Male vorbei - und Glenn schafft es mittlerweile sogar, ihn mit uns am Tisch sitzen zu haben während dem Essen.
Scheisse, ich sage dir; das ist so niedlich! Die beiden können keine paar Worte austauschen, ohne dass sie sich wie Bekloppte angrinsen. Und rot werden die immer gleich! (vielleicht auch, weil mir wieder mal ein Spruch rausgerutscht ist...)

Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. So gerne hätte ich dich lachen sehen. Ich vermisse dein Lachen so sehr.

Probier die Zeit im Kapitol trotz allem zu geniessen, ja?
Du hast es verdient.

Wie gesagt, wir vermissen dich alle; aber ich kann wohl ohne Zweifel sagen, dass ich dich am meisten von allen vermisse.
Ohne dich ist alles so trist hier.

Ich liebe dich auch, Ayleen.
Auch wenn diese Worte irgendwie nichtmal ansatzweise das beschreiben, was ich für dich fühle.
Aber leider haben wir gerade jetzt und für die nächste Zeit bloss Worte. Aber das ist in Ordnung, wir schaffen das.
Du schaffst das.

Ein Gruss von allen - und sag auch Blight einen Gruss von uns. Sag ihm, dass er eine gute Flasche Wein aus dem Kapitol nach Hause nehmen soll!

In Liebe
Elio

×

Ich atmete etwas auf, als mich Helio zur Begrüssung umarmte. Lächelnd betrachtete er mich, nachdem wir uns aus der Umarmung gelöst hatten.
Wir standen in der Eingangshalle, in welcher ich vor einem Jahr als Tributin meine ersten Schritte im Kapitol machte.
Gleich würden Tilia und Neil herausgeputzt werden, während wir Mentoren eine kleine Willkommens-Party unter uns haben werden. Bis zur Wagenparade heute Abend.

"Meine liebe Ayleen. Du siehst müde aus, Liebes."
Ich zuckte etwas mit den Schultern und grinste schwach. Hinter uns standen Neil, Tilia, Tulip und Blight - deswegen sagte ich Helio in diesem Moment nicht den Grund, weshalb ich so müde war.

Ich erzählte ihm nicht, dass ich mich gestern Abend mit Blight zusammen in dessen Zugwaggon-Zimmer durchaus filmreif betrunken hatte.

Die ganze Sache mit Tilia hatte mich komplett verzweifelt und halb weinend zu ihm rennen lassen.
Zum Glück war Neil auch schon in seinem Schlafzimmer gewesen, sodass niemand ausser Blight meinen Zusammenbruch hatte miterleben müssen.

Er war für mich da gewesen, aber auch Blight selbst hatte zu kämpfen. Mehr als man am Anfang vielleicht vermuten würde. Auch ihn nahm dieser ganze Scheiss hier durchaus mit - und manchmal brauchte man einfach solche Abende.
Abende, an welchen für einen kurzen Abend einfach alles scheissegal sein konnte.

Heute Morgen aber - dröhnte mein Kopf. Nur mit sehr, sehr viel Überwindung hatte ich es geschafft, etwas vom Rührei und Speck zum Frühstück zu essen.
Blight hingegen war solche Saufnächte wohl viel gewohnter. Dieser verdammte Glückspilz.

Aber so, wie ich die Kapitols-Partys kannte, würden meine Kopfschmerzen und Übelkeit wohl nicht so lange anhalten.
Langsam aber sicher verstand ich Haymitch Abernathy durchaus. Und heute würde ich ihn wohl sogar persönlich kennenlernen. Aber leider nicht nur ihn; Auch Enobaria, welche sowieso schon etwas gegen mich hatte. Und einen Haufen weiterer, sich schon kennende Mentoren - und ich war die Neue.

Helio lächelte mich mit seinem wissenden Lächeln an - ehe er Tilia und Neil betrachtete. Normalerweise trafen die Tribute deren Stylisten erst später - und irgendwie fühlte ich mich wirklich geehrt im Gedanken daran, dass Helio extra zu uns gekommen war, um mich als erste hier im Kapitol zu begrüssen.

Während die angespannt und genervt dreinblickende Tilia von Queenie und Zoë in den einen Raum geführt wurde und Neil mit Tyson in den anderen ging - schaute mich Blight mit einem auffordernden Nicken an.

"Dann also die Mentoren-Party?",fragte ich nervös, als sich Tulip abwendete, um fröhlich mit Helio über die neuste Kapitolsmode zu plappern.

"Naja - ja, so wie du aussiehst, könntest du durchaus etwas zum Kontern gebrauchen, findest du nicht?"
Ich machte als Antwort ein sarkastisches Haha und liess mich schliesslich vom kichernden Blight am Arm mitziehen. 

Wir betraten einen Fahrstuhl, welcher jedoch nicht der war, mit welchem man in die zwölf verschiedenen Appartments kam. Er war kleiner und weniger prunkvoll.
Ich glaubte zu wissen, dass man ansonsten den Tributen den Luxus des Kapitols am liebsten ins Gesicht tackern würde.

"Die Party ist in einem der vielen Sälen im Erdgeschoss.",erklärte mir Blight entspannt an die Wand des Fahrstuhl lehnend.
Lange blieben wir aber natürlich nicht drinn - und schon ging die Fahrstuhltür mit einem bling! wieder auf.

"Und da sind alles nur Mentoren dabei?"
"Alles nur Mentoren. Naja, wenn man mal die Avox weglässt."

Mit einem schwachen Grinsen nickte ich und Blight blieb abrupt stehen, als wir einige Schritte vor einer grossen Saaltür waren. Man hörte drinnen schon, wie Musik ertönte und Leute, welche miteinander redeten und Gläser aneinanderstiessen.

"Du musst keine Angst haben, Ayleen."
"Ja, weisst du; Jemandem sagen, er müsse keine Angst haben, während er Angst hat - ist etwa genauso hilfreich, wie wenn man jemandem der ertrinkt sagt, er solle doch einfach nicht ertrinken."

Blight stiess ein sanftes Lachen aus - was mich nun doch auch lächeln liess.
"Okay. Hilft es dir, wenn ich dir sage, dass du heute Abend niemals alleine sein musst? Ich bin dein persönlicher Leibwächter, okay?"
"Ein Leibwächter, welcher während seiner Arbeit trinkt?"
"Ein Leibwächter, welcher seine Arbeit aus tiefstem Herzen liebt."

Ich lachte und schüttelte amüsiert den Kopf, ehe ich tief durchatmete, während Blight mich sanft betrachtete.
"Hey, wir schaffen das zusammen.",beruhigte er mich wieder ernster und legte seine Hand an meinen Arm.

Ich nickte leicht und musste lächeln. Was wäre ich ohne Blight? Ich hätte es niemals geschafft, schon nur ohne ihn hier hin zu kommen. Hätte schon nicht einmal die Zugfahrt überlebt.

"Danke, Blight. Echt - für alles. Auch für gestern Abend und einfach... naja, ja, alles."
"Diese Vorgesetzte-zu-Arbeiter-Beziehung wird echt unangemessen, Chef."

Beide grinsend traten wir schliesslich in den Saal ein.

Ayleen Fox | Leben als MentorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt