1.

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Männer. Ich versuchte, den stinkenden, schwitzenden Körpern auszuweichen, die den Eingang zu dem Club mit dem klingenden Namen The Seven Sins versperrten. Vielleicht hätte ich doch den Hintereingang nehmen sollen, so zog ich nur mehr Blicke auf mich, als mir lieb war.

Die Neonlichter tauchten die Gasse in ein sattes Rot. Ich war gerade einem besonders massig gebauten Mann auf den Fuß getreten – versehentlich, versteht sich, unabhängig von dem anzüglichen Blick, mit dem er mich gemustert hatte –, als ich von einem Türsteher aufgehalten wurde, der in einem zweiten Leben wahrscheinlich ein Schrank gewesen war.

»Weißt du, was das hier ist, Mädchen?«, dröhnte mir seine Stimme entgegen. Ich blieb nur stehen und musterte ihn, das Gesicht unbewegt. Irgendwann brummte er und trat einen Schritt zur Seite, während er etwas murmelte, in dem »noch fragen dürfen« vorkam.

Die Tür zu The Seven Sins schwang auf und der Gestank nach Zigarettenqualm und Alkohol schlug mir entgegen. Ich widerstand dem Instinkt, die Luft anzuhalten, und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Wummernder Bass ließ den Boden erbeben, als ich mir den Weg zum Tresen bahnte, nicht jedoch, ohne dem Urheber eines »Na, Süße« den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen.

An dem, was in The Seven Sins einer Rezeption am nächsten kam, musterte eine matronenhafte Frau mich unter schweren, dunkel geschminkten Lidern. Ich ließ mein freundlichstes Lächeln aufblitzen. Ich musste mir keine Sorgen machen, dass die Frau mich jetzt, mit der blonden Langhaarperücke über meinen echten Haaren, erkennen würde. Anders waren wir uns nie begegnet. Sie kannte mich auch nur unter einem meiner Decknamen. Es gab wenige Leute, die mich mit Laura, meinem echten Namen, ansprechen durften.

»Ich habe eine Verabredung mit Ralf«, hauchte ich.

Ein prüfender Blick wanderte meinen Körper hinunter. Es war der erste an diesem Abend, der nicht von primitiver Lust vernebelt, sondern ausschließlich von professionellem Interesse geprägt war.

»So bist du nicht glaubwürdig«, lautete das Urteil auch schon.

Ich seufzte. Ich wusste, dass der beige Trenchcoat, den ich trug, nicht das war, was Ralf erwartete. Das, was ich darunter trug, dagegen schon. »Ich ziehe den Mantel erst aus, wenn mich sonst niemand mehr sehen kann«, informierte ich mein Gegenüber.

»Wie du meinst. Den Gang hoch, zweite Tür rechts.«

Ich nickte knapp. Als ich den Anweisungen folgte, drangen aus mehreren Zimmern, an denen ich vorbeiging, eindeutige Geräusche.

Vor der Tür, hinter der Ralf auf mich wartete, hielt ich inne und seufzte zum wiederholten Male. Ich würde tun, was ich tun musste. Langsam zog ich meinen Trenchcoat aus und hängte ihn an einen dafür vorgesehenen Haken.

Die schwarzen Overknee-Stiefel aus Wildleder, die ich darunter trug, brauchte ich nicht abzulegen. Sie harmonierten mit dem, was ich bis dahin unter dem Mantel verborgen hatte. Der schwarze Einteiler aus Leder war tief genug ausgeschnitten und lag eng genug an, dass ich mir sicher war, dass Ralf seine Augen nicht auf die entscheidenden Stellen richten würde.

Ohne weitere Augenblicke mit Zögern zu verbringen, öffnete ich die Tür und ein Schwall warmer Luft schlug mir entgegen. Sofort spürte ich Schweiß auf meine Haut treten. Ralf erwartete mich genau so, wie ich es erwartet hatte: auf dem Bett, die Handgelenke mit gepolsterten Handschellen ans Kopfteil gefesselt.

Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich erblickte. Und natürlich wanderten seine Augen genau zu den Stellen, die ich vorhergesehen hatte. »Hallo, Ralf.«

Langsam ging ich auf meinen ›Kunden‹ zu, einen Schritt vor den anderen, bis ich die Bettkante erreicht hatte. Ralfs Augen leuchteten bereits erwartungsvoll, noch bevor ich auf allen Vieren auf ihn zu kam, wohlwissend, welchen Einblick in mein Dekolleté ihm das gewährte. Diese Position hatte einen eindeutigen Vorteil: Ralf bemerkte viel zu spät, dass ich eine schallgedämpfte Pistole aus der versteckten Halterung in meinem Stiefel gezogen hatte. Nämlich erst, als ich rittlings auf ihm saß und ihm den Lauf der besagten Waffe gegen den Kiefer drückte.

»So war das nicht geplant«, wimmerte Ralf. »Wir haben doch noch nicht einmal ein Safeword ausgemacht.«

»Dann hättest du dich nicht in Kreise begeben sollen, in denen niemand Rücksicht auf ein Safeword nimmt, Kätzchen«, informierte ich ihn und erfüllte damit auch den Auftrag, Ralf mit genau diesem Kosenamen anzusprechen.

Es zeigte durchschlagende Wirkung. Ralf wurde leichenblass. Es war die letzte Handlung seines Lebens.

Der Schalldämpfer schluckte den größten Teil des Schussgeräuschs und die basslastige Musik übernahm den Rest. Lautlos sackte Ralf in seinen Fesseln zusammen. Das Blut aus dem Loch in seinem Schädel hatte die gleiche Farbe wie die Bettwäsche.

Gern hätte ich das Treffen mit einem One-Liner in der Richtung von ›Dieses Kätzchen hätte die Krallen besser nicht ausgefahren‹ abgeschlossen, aber das war mir meine Zeit nicht wert. Die Entsorgung der Leiche sollte jemand anders übernehmen.

The Mafia King and the Ice QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt