27.

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Der Wagen rollte auf die Auffahrt eines kleinen Hauses im Wald. Damian hatte mir die Adresse ins Navi eingegeben und da wir derzeit ohnehin keinen anderen Ort hatten, an den wir fliehen konnten, konnte es auch genau so gut dieses Haus sein.

Schon beim Heranfahren musterte ich es. Es sah normal aus. Viel normaler als alles, was ich mir für Damian vorgestellt hatte.

»Dir ist bewusst, dass ich kein Bond-Bösewicht bin, oder?«, fragte Damian träge, als ich den gestohlenen Wagen in die Auffahrt lenkte. Warum genau konnte er das in meinem Gesicht ablesen?

»Absolut«, erwiderte ich trocken. »Dir fehlt die Technologie. Und du hast auch nicht ansatzweise so coole Autos.«

Das Cabrio kam zum Stehen. Ich schaltete den Motor aus und stieg aus. »Die Tür musst du dir schon allein öffnen«, sagte ich Damian noch, ehe ich meine zuknallte.

Auch als ich neben dem Haus stand, sah es weiterhin normaler aus, als ich erwartet hätte. Efeu rankte sich die Hauswand hinauf und die Haustür erweckte den Eindruck, als könnte ich sie mühelos eintreten.

Hinter mir schlug Damian ebenfalls die Tür zu. »Wenn du weiterhin so enttäuscht aussiehst, wird mein Ego ernsthaften Schaden nehmen.«

»Das kann deinem Ego überhaupt nicht schaden.«

»Würde es dich eigentlich umbringen, mal nett zu sein?« Er hob die Fußmatte an und holte einen Schlüssel darunter hervor.

»Ja«, brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich war lange genug nett zu ihm gewesen. Wenn ich noch länger nett war, dann könnte er noch glauben, dass ich ihn mochte. Das sollte ich auch dem nervtötenden kleinen Funken in mir einmal klarmachen.

Glücklicherweise erwiderte er nichts mehr darauf, sondern schloss einfach die Tür auf.

»In Ordnung«, sagte er knapp, als ich sie hinter mir geschlossen hatte. »Tu, was du willst, ich lege mich ins Bett.«

»Wie viele Betten hat dein hübsches Häuschen denn?«, fragte ich. »Wenn es nur eins ist, dann kannst du dich auf die Couch legen.«

»Ich habe auch ein Gästezimmer«, sagte er noch.

Zu weiteren Protesten, dass ich nicht auf einer billigen Pritsche schlafen wollte, kam ich nicht mehr. Damian winkte alles ab und zog sich zurück.

Ich blieb alleine in dem zurück, was wohl das Wohnzimmer war. Es war das erste Mal, seit Damian und ich gemeinsam aufgebrochen waren, dass ich alleine war. Bevor ich diesen Gedanken oder das, was er in mir auslöste, näher an mich heranlassen konnte, machte ich mich auf die Suche nach einem Telefon. Melissa machte sich sicherlich schon Sorgen. Bei dem letzten Anruf waren Damian und ich schließlich in den Unfall geraten und der Kontakt war plötzlich abgebrochen. Es war höchste Zeit, sich wieder bei ihr zu melden.

Ich fand das Telefon schnell auf einer Kommode im Wohnzimmer.

Eine Kurzwahltaste hatte ich hier nicht, aber Melis Nummer hatte ich schon lange auswendig gelernt. Das Freizeichen ertönte erst einmal, dann zweimal, dann dreimal. Niemand hob ab.

Ich zog die Augenbrauen zusammen und wählte dann noch einmal. Vielleicht hatte ich einen Tippfehler gehabt. Auch beim zweiten Anruf nahm sie nicht ab. Das war untypisch. Das war sehr untypisch.

Normalerweise ließ sie es kaum zweimal klingeln und nie war es in all der Zeit, in der wir gemeinsam arbeiteten, geschehen, dass sie nicht abnahm.

Ich versuchte noch ein drittes Mal, sie zu erreichen, aber wieder hatte ich kein Glück. Ein unangenehmes Rumoren machte sich in meiner Magengegend breit. Entweder es war etwas so Wichtiges geschehen, dass Melissa ihr Handy nicht im Auge hatte, oder ihr war etwas geschehen.

Ich wusste nicht, welche von beiden Varianten mir größere Sorgen bereitete.

Aber für den Moment gab es nichts, was ich tun konnte, um ihr zu helfen. Unser Kontakt war nie persönlich gewesen und daher wusste ich nicht, wo sie wohnte, oder wie ich sie anders erreichen konnte.

Ich legte den Hörer auf und wandte mich von dem Telefon ab. Nun, nachdem das Adrenalin von der Flucht nachgelassen hatte, spürte ich ebenfalls die Müdigkeit nach mir greifen. Aber ich konnte mich jetzt unmöglich hinlegen, ich hatte in letzter Zeit genug geschlafen, freiwillig oder unfreiwillig.

Also blieb mir nur eine Lösung: Kaffee. Also warf ich einen letzten hoffnungsvollen Blick auf das stumme Telefon und tappte dann zurück in die Küche. Nun musste ich nur noch herausfinden, wo Damian den Kaffee versteckte, denn irgendwo musste hier doch welcher sein. Ein Haushalt ohne Kaffee war schließlich nicht auszudenken.

Erst öffnete ich einige Schränke und fand zumindest schon mal eine Tasse. Dann öffnete ich noch mehr Schränke und fand Kekse. Nicht schlecht für den Anfang. Ich kramte einen Keks heraus, steckte ihn mir in den Mund und klemmte die Schachtel unter den Arm. Mit Kaffee wäre er wahrscheinlich weniger trocken.

Der nächste Schrank beinhaltete nur einige Packungen Nudel und Fertigsoße.

»Suchst du etwas?«

The Mafia King and the Ice QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt