10.

2K 65 17
                                    

Ist das alles, was du kannst?, echoten die Worte in meinem Kopf nach.

»Lansky, ich kann dir zeigen –« Meine Stimme war nur noch ein Knurren.

»Ich bitte darum. Mir juckt gerade der –«

»Willst du ein zweites Mal Bekanntschaft mit dem Kellerboden machen?«, fuhr ich ihn an.

»Wie heldenhaft«, bemerkte er lediglich. »Einen Menschen herumzustoßen, der sich nicht wehren kann.«

Ich schnaubte und verbiss mir jegliche Antwort.

»Wenn du so gut bist, wie du behauptest, könntest du mich doch auch losbinden.« Lansky ruckte überdeutlich mit seinen gefesselten Händen.

»Klingt nach einer brillanten Idee. Du würdest bestimmt nicht abhauen.«

Er schenkte mir ein Grinsen, als wären unsere Rollen vertauscht. »Wenn ich könnte, würde ich meine Hand auf mein Herz legen. Lass uns eine Abmachung treffen: Wenn ich gewinne, musst du einfach nur aufhören, mich ›Lansky‹ zu nennen.«

Die Wut und die Energie des Abends pulsierten immer noch durch meine Adern. Er glaubte also noch nicht einmal, eine ernsthafte Forderung stellen zu müssen, weil ... was? Weil er die Gelegenheit ja jederzeit wieder bekommen könnte? Ich würde ihm das arrogante Grinsen aus dem Gesicht wischen.

Wortlos ging ich hinter Lansky und begann die Knoten seiner Fesseln zu lösen. Immerhin konnte Riley mich nicht bei dieser Dummheit erwischen, auch wenn ich seinen urteilenden Blick trotzdem vor meinem inneren Auge hatte.

Dafür lachte Lansky leise, als er mitbekam, was ich tat. Das Seil hätte nicht so heftig über seine Haut schleifen müssen, als ich den letzten Knoten löste, aber er bekam nur, was er verdiente.

Zu Recht, stellte sich sofort heraus. Kaum war Lansky frei, sprang er auf die Füße und stieß den Stuhl in meine Richtung. Ganz so leicht überrumpelte er mich nicht. Ich wich dem Stuhl mit Leichtigkeit aus und schoss auf Lansky zu.

Mein Fuß streifte ihn allerdings nur, auch er hatte mit mir gerechnet. Wie konnte er noch so schnell sein, nachdem er vierundzwanzig Stunden im Sitzen verbracht hatte? Aber immerhin suchte er tatsächlich nicht sofort den Ausgang.

Wir umkreisten uns für einen Moment misstrauisch, das Eis in Lanskys Augen hart wie Stahl.

Als seine Faust auf mein Gesicht zuflog, duckte ich mich gerade noch rechtzeitig. Hinter dem Schlag lag Kraft und schon jetzt bereute ich meine Leichtsinnigkeit. Ich schlug nach Lanskys Rippen und traf. Aber obwohl er nach Luft schnappte, kam sein nächster Angriff schneller, als ich das vorhergesehen hatte.

Er packte das Bein, auf das ich mein Gewicht verlagert hatte, und stieß mich von sich. Ich stürzte nach hinten und verdrehte mir den Fuß. Schmerz schoss meinen Knöchel hinauf und ich war viel zu langsam dabei, wieder aufzustehen. Genau genommen hatte ich es erst auf alle Viere geschafft, als Lansky sich vor mir in die Hocke sinken ließ und seine Finger mein Kinn umschlossen.

Ich biss die Zähne zusammen, als mir klar wurde, dass er meine Geste von heute Morgen nachstellte.

»Wenn du aufgeben möchtest, dann ist das dein Moment«, sagte er, die Stimme weich, aber mit einem eindeutigen düsteren Unterton. Warum realisierte mein Kopf jetzt trotzdem noch, dass seine Hände sich warm anfühlten? Und wie nah er mir war? Wie ... nah? Er war mir unvernünftig nah.

Gerade noch konnte ich mir ein Grinsen verkneifen. Lansky war sich seiner Sache viel zu sicher.

»Du musst mir aber schon antworten«, raunte er. »Ansonsten werde ich nicht aufhören.«

Sein Daumen strich über mein Kinn.

»Aber wenn du mich zwingst, dich bewusstlos zu schlagen«, flüsterte er, »würde ich dich auffangen, das verspreche ich.«

Als würde ich ihm auch nur ein Wort glauben. Sicher würde er mich auf dem Boden aufschlagen lassen, sodass ich mir die Nase breche.

»Wirklich?«, hauchte ich. Ein Zittern belegte meine Stimme.

»Natürlich«, sagte er und schenkte mir ein perfektes weißes Lächeln.

»Ich kann nicht versprechen, dass ich den Gefallen erwidern werde.« Ich schnellte nach vorne und verpasste ihm einen Kopfstoß. Schmerz zuckte durch meinen Schädel, aber Lansky war bei dem Angriff in der schwächeren Position. Aus der Hocke heraus verlor er das Gleichgewicht und stürzte rücklings zu Boden.

Bevor er eine Chance hatte, sich wieder aufzurichten, war ich hinter ihm, schlang meine Arme um seinen Hals und meine Beine um seinen Körper. Binnen zweier Sekunden konnte er sich nicht mehr rühren. »Und ...«, röchelte er, aber ich verstärkte meinen Griff nur und ließ ihn nicht aussprechen. Ich hatte ihn in meiner Gewalt.

Er legte eine Hand auf meinen Arm, versuchte, sich zu befreien. Doch ich blieb eisern.

»Du hast gerade verloren«, informierte ich ihn. »Es steht dir jederzeit frei, dich zu ergeben.«

Er gab ein Geräusch von sich, das entweder ein Schnauben oder den Versuch einer Antwort darstellen sollte.

»Es ist üblich, beim Aufgeben mit der flachen Hand auf den Boden zu schlagen«, sagte ich.

Er tat nichts dergleichen und versuchte nur weiter, sich zu befreien. Vergebens.

»Außer natürlich, du möchtest gar nicht aufgeben«, sagte ich. »Dann kann ich dich selbstverständlich wieder ins Land der Träume befördern.«

Allmählich erlahmte Lanskys Gegenwehr und er schnappte seltener nach Luft. Ganz eindeutig hatte ich gewonnen, aber er wollte es sich offenbar nicht eingestehen.

Der Sieg war auf Kosten meines Stolzes und meiner Würde gegangen. Lansky hatte schließlich am Anfang mehr als nur einen guten Schlag gesetzt und ich hatte zu einem Trick greifen müssen. Wirklich ein bemerkenswerter Mann.

... ein was?

Ich schüttelte nur den Kopf und schob den Gedanken ganz weit weg.

Lanskys Körper wurde schwerer auf mir und seine Gegenwehr erstarb vollends. Seine Hand rutschte von meinem Arm und traf auf den Kellerboden.

Ich atmete auf und lockerte zögerlich meinen Griff.

Lanskys Augen waren nun geschlossen und verbargen die eisblauen Iriden dahinter. Die braunen Locken fielen ihm ins Gesicht. In diesem Moment sah er so unschuldig aus. Als wäre er kein Mafiaboss und hätte sich nicht gerade mit mir geprügelt, sondern als wäre er ein vollkommen normaler Mann.

Die einzige Spur, die der Kampf auf seinem ansonsten makellosen Gesicht hinterlassen hatte, war ein roter Abdruck auf seiner Wange.

Ich erhob mich langsam und richtete meine Haare. Dann klaubte ich das Seil vom Boden, wälzte Lansky auf die Seite und band ihm die Hände wieder aneinander.

Ich hievte ihn zurück auf den Stuhl, was sich als schwierig genug herausstellte, denn er war hochgewachsen und muskulös. Doch es gelang mir. Zum Abschluss fesselte ich ihn an den Stuhl und betrachtete mein Werk.

Lanskys Kopf hing nach unten. Es würde noch eine Weile dauern, bis er wieder aufwachte. Bis dahin sollte ich dringend einige Stunden Schlaf bekommen. Die lange Nacht fraß sich in meine Knochen.

Ich schleppte mich die wenigen Stufen zur Kellertür hinauf und warf noch einen letzten Blick zurück, bevor ich das schummerige Licht löschte.

»Gute Nacht ... Damian.«

The Mafia King and the Ice QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt