38.

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»Das sieht dir ähnlich, nicht anzuklopfen.«

Bei der Stimme setzte mein Herz einen Schlag aus. Ein gar nicht kleiner Teil von mir hatte geglaubt, Riley nie wieder sehen oder hören zu können. Aber er war hier, es war genau der Riley, den ich zuletzt vor scheinbaren Ewigkeiten gesehen hatte.

Er sah noch genau so aus wie immer, genau so schlaksig, die braunen Augen noch genau so unschuldig-vorwurfsvoll wie das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten.

»Riley.« Konnte ich ihm in die Arme fallen? Unsere Beziehung war rein geschäftlicher Art.

Wir waren keine Freunde. Ich konnte mir keine Freunde leisten.

Ja, er hatte mir geholfen, Damian zu entführen, und hatte ihn bei sich im Keller untergebracht. Ja, ich hatte mal eine Weile bei ihm gewohnt und immer noch eine eigene Tasse in seinem Schrank.

Aber wären wir wirklich befreundet, hätte ich Riley nicht meinen Willen aufgezwungen und ignoriert, was er dazu zu sagen hatte.

Und ich hätte ihn schneller gesucht, anstatt ihn ... zu vergessen.

Beinahe schoss mir die Röte ins Gesicht. Riley war überhaupt nicht mehr in meinen Gedanken aufgetaucht, bevor Mark mich darauf hingewiesen hatte, dass er hier war.

Das Nächste tat ich, ohne weiter darüber nachzudenken. Es war fast, als würde mein Körper allein handeln und auf einmal war ich in Rileys Arme gefallen.

Wahrscheinlich wäre er weniger überrascht gewesen, wenn ich mit einer Waffe auf ihn gezielt hätte, aber so erstarrte er praktisch zu einer Salzstatur.

»Bist du ... high?«, fragte er und machte immer noch keine Anstalten, die Umarmung zu erwidern, was es für mich zwar ein bisschen unangenehm machte, mich aber keinesfalls daran hinderte, die Arme noch fester um ihn zu schließen.

»Ich dachte schon, du wärst tot«, nuschelte ich.

»Und ich dachte, du würdest mich ignorieren oder hättest mich vergessen«, erwiderte Riley trocken. »Beides hat nicht unbedingt meine Sehnsucht nach dir gesteigert.«

»Sorry«, murmelte ich. »Betrachten wir das hier als Friedensangebot?«

»Das müsste, wenn überhaupt, von mir ausgehen.«

»Und?«

Riley seufzte. »Laura, wir kennen uns jetzt schon so lange. Glaubst du wirklich, ich würde dich von mir weisen, nur weil du so lange gebraucht hast, um mich zu finden? Wenn du entführt worden wärst, dann hätte ich dich vermutlich ganz vergessen.«

Was?

»Aber lass uns darüber reden, warum du eigentlich hier bist«, fuhr Riley fort, ehe ich meiner Empörung Ausdruck verleihen konnte. »Was hat Mark gegen dich in der Hand?«

»Ähm«, machte ich überaus eloquent und überlegte, welche Antwort mich nicht in eine furchtbar unangenehme Lage bringen würde.

»Ich kenne dich lang genug, um zu wissen, dass es einen Grund gibt, weshalb du Mark nicht deine Hacken ins Gesicht geschlagen hast. Und sag mir nicht, ich wäre der Grund. Das glaube ich dir ohnehin nicht.«

Ich brummte nur leise. Allerdings sagte Riley danach nichts mehr und mit der Zeit wurde das Schweigen zwischen uns unangenehm.

»Lansky ist auch hier«, grummelte ich schließlich.

»Damian Lansky?«, wiederholte er ungläubig. »So lange sitze ich doch noch gar nicht hier drin. Was habe ich bitte verpasst, dass man ihn auf einmal als Druckmittel gegen dich nutzen kann?«

»Viel.«

»Dann bist du also hier, um deinen Lover zu retten?«

»Er ist nicht mein Lover«, giftete ich und wechselte das Thema, ehe es noch unangenehmer werden konnte. »Mark will also, dass du für ihn arbeitest?«

Rileys Augen verengten sich missbilligend, dann nickte er. »Was hat er dir erzählt?«

»Dass du ...« Ich brauchte einen Augenblick, um all das Sinnlose, das Mark mir gesagt hatte, zu durchwühlen. »Dass du Kontakte hast.«

Rileys Augen verengten sich weiter. »Dass ich ein böses Mastermind bin, war also nicht dabei?«

Irgendetwas in der Situation ließ mir flau im Magen werden. »Nicht so richtig?«, versuchte ich der Frage auszuweichen. »Aber es sind wohl ... nicht gerade wenige Kontakte.«

»Hat er gesagt, welcher Art diese Kontakte sind?« Sein Tonfall war nicht wütend, aber etwas schien in ihm zu brodeln.

Ich schüttelte den Kopf. »Nur, dass er sie für sich nutzen möchte. Immerhin würdest du ja auch etwas dafür bekommen.«

»Hast du mal mit dem Mann geredet?«, zischte Riley. »Er ist der mieseste Geschäftsmann, den ich kenne.«

Ich schluckte. »Bist du denn besser?«

Rileys Brauen schoben sich zusammen. »Du bist eine Auftragskillerin und Lansky das Oberhaupt der Mafia. Wollen wir uns jetzt wirklich über so etwas wie Moral unterhalten?«

Da hatte er irgendwo recht, aber er lenkte auch geschickt von dem eigentlichen Thema ab. »Was sind das für Kontakte, Riley?«

Bevor er eine Antwort geben oder ausweichen konnte, ertönte ein Knacken, als hätte jemand Lautsprecher angeschaltet. Begleitet wurde das Geräusch von einem hohen Fiepton, das mich vage an Lautsprecherdurchsagen erinnerte.

Jemand räusperte sich – und es war nicht Mark.


The Mafia King and the Ice QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt