2.

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Die blonde Perücke zog ich erst vom Kopf, als ich aus dem Hinterausgang von The Seven Sins trat, lautlos in Sneakern und unauffällig in einer schwarzen Jeansjacke. Den beigen Trenchcoat sowie meine Stiefel hatte ich in meiner Tasche verstaut. 

Dank Melissa wusste ich, dass ich in dieser Gasse nicht mit Überwachungskameras zu rechnen hatte, und diejenigen, die mich auf der Straße erfassen würden, würden die unscheinbare Brünette nicht mit der blonden Schönheit in Zusammenhang bringen, die den Club vor einer halben Stunde betreten hatte.

Ich konnte unbehelligt den Heimweg antreten. Die Straßen in Detroit waren weit entfernt von sauber oder hübsch oder sicher. Wenn ich recht überlegte, dann verstand ich nicht, weshalb ich überhaupt noch hier lebte. Abgesehen natürlich von der Tatsache, dass ich mir nichts anderes leisten konnte.

Mein Apartment lag in einem heruntergekommenen Block mit bröckelnder Fassade und undichten Fenstern, durch die der Wind pfiff und die jede Heizung überflüssig machten.

Einen Vorteil hatte die anonyme Wohnung jedoch. Als ich die Tür öffnete, fand ich unter dem Türschlitz durchgeschoben das, wofür ich den ganzen Ärger auf mich genommen hatte.

Ich hob den Umschlag auf und öffnete ihn.

Geld.

Ich zählte es und runzelte die Stirn. Ich zählte es ein zweites Mal und die Furchen auf meiner Stirn vertieften sich.

Da fehlten eintausend Dollar.

Ich knallte den Umschlag auf den Tisch. Grüne Dollarnoten verteilten sich auf der Oberfläche, um mich zu verhöhnen. Eintausend Dollar waren eintausend Dollar. Davon könnte ich die Miete zahlen oder Handwerker organisieren, die meinen Kühlschrank reparieren. Und nicht zu vergessen: Ich musste auf das erträumte rote Cabrio und die Yacht sparen.

Ich stieß einen Laut der Frustration aus. Mein Ruf würde darunter leiden, wenn sich herumsprach, dass man mich um meinen Lohn betrügen konnte.

Meine Augen brannten verdächtig von der Müdigkeit wie jedes Mal, wenn ich einen Auftrag erfolgreich abgeschlossen hatte. Ich legte die Jeansjacke ab, schlüpfte aus meinen Schuhen und ließ beides einfach mitten im Raum liegen. 

Morgen würde ich mich darum kümmern, ein wenig Ordnung in die Wohnung zu bringen. Der Abwasch müsste auch bald wieder gemacht werden. Fliegen kreisten schon über dem Waschbecken. Wie eklig.

Für heute konnte ich aber noch nicht gänzlich Feierabend machen. Erst musste ich mich darum kümmern, herauszufinden, wer meine Auftraggeber waren. Wer kam überhaupt auf die Idee, sich mit jemandem anzulegen, der sein Geld damit verdiente, das Leben anderer zu nehmen?

Nur irgendwelche dummen Leute, Großstadt-Futzis, die das Unternehmen von Papa geerbt hatten und ohne eigenes Zutun in einem Berg voller Geld schwammen.

Aber das Gute war: Jeder hinterließ Fingerabdrücke und ich wusste genau, wen ich fragen musste. Ich hob meine Jacke vom Boden auf und angelte mein Handy aus einer der unzähligen Taschen. Die Nummer meiner Assistentin und Freundin Melissa hatte ich auf Kurzwahl.

Zu spät realisierte ich, dass es mittlerweile weit nach Mitternacht war, aber bevor ich einen Rückzieher machen konnte, hatte Melissa bereits abgehoben.

»Ja?« Sie hatte ganz eindeutig schon geschlafen. Aber nun, da sie ohnehin wach war, konnte ich auch mit der Sprache herausrücken.

»Jemand will mich um mein Geld bringen.«

»Süße, und das ist dein drängendstes Problem? Es ist mitten in der Nacht. Können wir nicht morgen darüber sprechen?«

»Nein, es ist wichtig«, sagte ich. »Kannst du herausfinden, von wem der Kätzchen-Auftrag kam?«

The Mafia King and the Ice QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt