Chapter 72

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C H A R L I E
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Ein letztes Mal schlägt Jared gegen die Tür, bevor er die Treppen runterläuft und sich schnaubend auf die letzte Stufe setzt. Ich stehe ein paar Meter weiter von ihm weg und kann es kaum realisieren, was gerade passiert ist.

Ich.wurde.mit.Jared.in.den.Keller.eingesperrt.

Und das von meiner besten Freundin und seinem besten Freund, so viel zu dem Thema 'blindes Vertrauen'.

Nervös lache ich kurz auf und sehe zur Tür hoch.

„Die haben das geplant. Die haben es eiskalt und ohne jegliche Hintergedanken geplant und uns wie Tiere in den Keller eingesperrt", sage ich fassungslos und Jared, der seinen Kopf bis jetzt auf seinen Händen abgestützt hat, sieht auf.

„No shit, Sherlock", sagt er ironisch und rollt mit den Augen. Wie soll ich das denn aushalten?

Ich fange an, hin und her zu laufen, um mich abzuregen.

„Wie konnten sie mir das bloß antun?", flüstere ich in Dauerschleife und auch Jared steht jetzt auf.

„Heul doch nicht so rum, das ändert auch nichts an der Sache. Wir sollten lieber gucken, wie wir hier rauskommen. Ich habe nicht vor, die ganze Nacht hier zu verbringen", meint er genervt und fast hört es sich so an, als würde er noch ein 'mit dir' anhängen wollen.

Wütend sehe ich ihn an.

„Ach ja? Wie sollen wir denn hier raus, du Genie? Das hier ist ein Keller, ohne Fenster und der einzige Ausweg ist eine zugeschlossene und versperrte Tür!", rufe ich und er sieht mich kalt an.

„Na und, jeder Raum hat mindestens zwei Ausgänge. Und außerdem ist es doch deine Schuld, dass wir hier drin sind", sagt er gleichgültig und so ruhig, dass mir das Blut in den Adern gefriert . All die aufgestaute Wut auf ihn, all der Hass und all die ungesagten Worte brechen aus mir heraus.

„Ach ja? Meine Schuld? Meine Schuld?", hysterisch lache ich auf.

„Wer hat hier wen verarscht? Wer hat eine Beziehung angefangen, nur um eine Runde Bier ausgegeben zu bekommen? Wer hat mit Hannah rumgemacht, obwohl er dato noch vergeben war?", maule ich ihn an und auch er sieht mich wütend an.

„Jetzt mach mal halblang, ich habe dir erklärt, was passiert ist, was für rummachen? Und wenn wir schon dabei sind, wer hatte es denn nötig, mit Nico zu schlafen?"

Das gibt mir den Rest und ich lasse alles an ihm aus.

„Welchen Teil von 'Ich-habe-nicht-mal-mit-Nico-geschlafen' hat dein mickriges Hirn denn nicht verstanden? Soll ich es dir buchstabieren? Es dir auf die Stirn schreiben?", sage ich völlig außer mir.

Was mich aber am meisten aufregt ist seine gleichgültige Haltung und sein desinteressierter Blick, mit dem er mich ansieht.

„Schön, von mir aus. Aber schon allein die Tatsache, dass du es in Betracht gezogen hast, mit ihm zu schlafen nur um MIR wehzutun ist so lächerlich", zischt er. Zerknirschend muss ich ihm Recht geben und suche verzweifelt nach einer Ausrede.

„Weißt du, es war ja nicht mal meine Idee. Und, kannst du mich denn überhaupt nicht verstehen? Weißt du, wie es ist, herauszufinden, dass dein verdammter Freund dich verarscht hat für eine Runde Bier? Kannst du es dir überhaupt vorstellen? Oder, kannst du es dir vorstellen wie es ist, wenn du die Person die du liebst, jemanden anderes küssen siehst? Jemanden, der tausendmal schöner ist als du und vor dem du seit dem Anfang der Beziehung Angst hattest? Angst, an diese Person etwas zu verlieren, dass einem mehr wert ist als alles andere?", sage ich und bin den Tränen nahe.

Ich versuche meinen Atem zu kontollieren, doch eine Träne kann sich lösen und fließt schließlich meine Wange hinab. Ich verfluche mich in dem Moment für meine Schwäche, bin aber stolz auf mich und meine Ansage.

Auch bei Jared scheint sich etwas zu regen, entweder wegen der Träne oder wegen meinen Worten, denn kurz blitzt ein wenig Reue in seinen Augen auf und er sieht mich traurig an, bis er sich wieder komplett verschließt. Wie kann ein Mensch nur so große Probleme damit haben, seine Gefühle offen zu zeigen?

„Ich habe mich doch für all das entschuldigt und du wolltest es nicht annehmen", flüstert er und ich sehe ihn stirnrunzelnd an.

„Manchmal reicht eine einfache Entschuldigung einfach nicht, Parker", meine ich ruhig.

Er sieht mich an und ich versuche, seinem Blick standzuhalten.

„Was hätte ich denn sonst machen sollen?", fragt er und wenn ich ehrlich bin, weiß ich keine Antwort darauf. Ich bin so sehr davon besessen gewesen, es ihm heimzuzahlen und ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben, dass ich nicht mal selbst wusste, was ich überhaupt wollte.

„Siehst du. Du weißt es selber nicht", sagt er und grinst verächtigt, bevor er sich umdreht und auf das Sofa zuläuft.

„Eine ehrliche Entschuldigung, für alles."

Er scheint mich zu ignorieren, denn es kommt keine Antwort. Sein Blick ist stur auf die Wand neben dem Sofa gerichtet und er blendet anscheinend alles aus. Seufzend lasse ich mich auf dem Boden nieder, mit dem Rücken zur Wand, und denke nach. Seit einer Ewigkeit will ich all diese Worte aussprechen, aber im nachhinein fühle ich mich kein Stück besser. Ich habe mir ein befreiendes Gefühl bei einer Aussprache erhofft, aber dieses kam nicht.

„Ich schätze, sie haben uns umsonst eingesperrt", sagt Jared, doch dieses Mal bin ich diejenige, die es ignoriert.

Wie hypnotisiert starre ich die gegenüberliegenden Wand an und nach einer Weile falle ich in einen traumlosen Schlaf, in einem Keller an einer Wand angelehnt.

Bester FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt