Kapitel 3

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Der stellvertretende Rektor meiner neuen Schule blieb vor einer Tür stehen, nachdem er mir den gesamten Weg vom Sekretariat bis hierhin erzählt hatte, wie toll diese Schule doch sei und dass ich mit offenen Armen empfangen werden würde. Ich hatte ihm nicht wirklich zugehört, denn ehrlich, es interessierte mich nicht und wenn mich hier wirklich jemand mit offenen Armen empfing, dann ew, keine Bekanntschaften und keine neuen Freunde.

"Du hast jetzt in diesem Raum Mathe, wenn ich mich nicht täusche", sagte er, während er die Tür öffnete und wie erwartet, richteten sich sämtliche Augenpaare auf mich, als ich zusammen mit dem Direktor, dessen Namen ich schon vergessen hatte, den mit Schülern gefüllten Raum betrat.

"Olivia Marin."

Der Lehrer, der meiner Meinung nach etwas zu jung für einen Lehrer aussah, nickte dem Direktor zu, bevor dieser dann mit einer komischen Handbewegung den Raum in Stille verließ.

"Sie ist 17 Jahre alt, kommt aus New York und ich bitte euch alle, dass ihr Olivia gegenüber ausnahmsweise eure Hilfsbereitschaft zeigt, die bestimmt irgendwo in euch steckt."

Seine ironische Stimmlage war mir nicht entgangen, aber weshalb einige der Schüler darüber lachten, konnte ich nicht verstehen, aber ich wollte mich nicht beschweren und war froh, dass es mir erspart blieb, mich vorzustellen, nachdem das gerade für mich übernommen worden war.

"Setz dich. Da ist ein freier Platz", sagte er mit einem freundlichen Lächeln, das so übertrieben war, dass ich es ihm gerne aus dem Gesicht geschlagen hätte. Ich war mir sicher, dass er ein netter Mann war, er musste nett sein, zumindest zeitweise, aber es war mir egal, wie nett oder freundlich eine Person zu mir war, meine Laune würde sich nicht steigern. Seit ich hier war, hatte ich das Gefühl, dass sich alles immer weiter zum Schlechten wendete.

"Und ich bin übrigens Mister Burrows", stellte er sich vor, als ich bereits auf den einzigen freien Platz in diesem Klassenraum zulief und mich auf diesem niederließ, natürlich nicht ohne dabei von meinen Mitschülern angestarrt zu werden als ob ich irgendeine Attraktion wäre. Es war mir nicht unangenehm, aber ja, mir wäre es lieber, wenn sie einfach aufhörten, mich anzusehen.

Mister Burrows fuhr mit seinem Unterricht fort und mit der Zeit konzentrierten sich auch die Schüler wieder auf diesen oder sie widmeten sich einfach dem, was sie zuvor getan hatten, ihrem Handy oder irgendwelchen Kritzeleien auf ihrem Block.

Ich widmete meine Aufmerksamkeit tatsächlich dem Unterricht, denn auch wenn ich schnell und leicht lernte, das lag größtenteils daran, dass ich den Unterrichtsstoff gut mitverfolgte und mir das meiste schon während der Schulstunde merkte. Mister Burrows kam jedoch schnell vom eigentlichen Thema ab und als er anfing, von irgendeiner Geschichte aus seiner Kindheit zu erzählen, hielt ich es nicht mehr für nötig, mich noch weiter zu konzentrieren.

Also kritzelte ich wie die meisten in diesem Raum ich auf einem leeren Blockblatt herum, ohne wirklich zu wissen, was ich da überhaupt zeichnete, falls man das überhaupt als Zeichnung bezeichnen konnte. Es waren einfach Kritzeleien, Blumen, Buchstaben, ein Hund, der eher wie eine gequälte Kuh aussah, eine Sonne, Wolken und eben Dinge, die mir spontan in den Kopf schossen, sodass ich sie auf das Papier bringen konnte.

Und so verging die Unterrichtsstunde glücklicherweise schneller als ich erwartet hatte, denn ich war voll und ganz auf meine Amateur-Kritzeleien konzentriert, als der Gong ertönte, der sich nebenbei wirklich schrecklich anhörte und ich fragte mich jetzt schon, wie ich dieses Geräusch fünf Tage die Woche ertragen sollte.

Viele Schüler verließen bereits den Raum und ich hoffte darauf, dass auch der Rest von ihnen verschwinden würde, bis ich meine Sachen zusammengepackt hatte. Aber ich ließ nicht mal zu, dass ich mich zu früh freute, als ich bereits meine Tasche um meine Schulter legte und den Raum verlassen wollte, denn jemand tippte mir auf die Schulter und ich nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich mich umdrehte. Das Schwerste war eigentlich trotz allem noch einigermaßen höflich zu wirken und nicht wie eine dieser Personen, die dauerhaft schlecht drauf waren, weil sie ihren Umzug nicht akzeptieren konnten. Ich akzeptierte es und ich war auch nicht dauerhaft schlecht drauf, ich wollte einfach nur alleine sein.

Hunted | Dylan O'BrienWhere stories live. Discover now