Kapitel 1

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In meinen siebzehn Lebensjahren war ich noch kein einziges Mal umgezogen. Die größte räumliche Veränderung, die ich mitgemacht hatte, war der Tausch meines Zimmers mit dem meiner Eltern, nachdem ich sie monatelang darum gebeten hatte, weil ihr Zimmer viel größer als mein eigenes war und irgendwann hatten sie sich überreden lassen.

Ich hatte nie darüber nachgedacht, über das Umziehen, denn ehrlich, ich war mehr als zufrieden. Wie konnte ich das nicht sein? Wir lebten in New York, einer der wunderschönsten und besten Orte, wie ich fand, alle meine Freunde waren hier und sogar einige unserer Verwandten. Ich kannte es nicht anders, denn wenn man seit seiner Geburt in einer Stadt lebte, dann war man nichts Anderes gewohnt, egal, ob es eine Klein- oder eine Großstadt war.

Und jetzt saß ich hier, mit meiner Mutter in ihrem Wagen, unsere Koffer und einige Umzugskartons eingequetscht im Kofferraum und auf den Hintersitzen, auf dem Weg in irgendeine Kleinstadt, von der ich in meinem Leben noch nie etwas gehört hatte. Ich hatte sogar den verdammten Namen vergessen.

Ich konnte es nicht glauben. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen, meine Mutter und ich hatten unsere Sachen gepackt, ich hatte mich von meinen Freunden verabschiedet, meine Mutter versuchte mir unsere neue Wohnung schmackhaft zu machen, ich wusste, dass ich bereits auf der neuen Schule angemeldet war und dennoch wollte ich es nicht wahrhaben. 

Das Schlimmste war, dass alles so plötzlich und schnell passiert war. Ein riesiger Streit und die darauffolgende Scheidung. Ich hatte alles mitbekommen, auch die Vorfälle vor dem Streit, die mehr oder weniger überhaupt die Auslöser dafür gewesen waren und betrachtete man nur das, nur diese Vorfälle, dann war es das Beste, was wir, ich und meine Mutter tun konnten. Aber dachte ich dann an all die Dinge, die wir zurückließen, wurde mir schlecht und ich wollte aus dem fahrenden Wagen springen und zurück nach New York rennen, egal, wie viele Kilometer wir bereits zurückgelegt hatten.

Die Musik und das Geräusch des Motors war das einzige, was man hören konnte und das schon seit Beginn dieser Fahrt. Wir beide, ich und meine Mom, waren in Gedanken versunken und sie würde es zwar nie im Leben zu geben, weil sie besonders vor mir weiterhin die perfekte Mutterrolle spielen wollte, aber ich wusste, dass sie genauso wenig wegziehen wollte wie ich. Genauso wie ich hatte sie ihre Freunde dort, sie hatte fast ihr halbes Leben in New York verbracht und wenn sie etwas fast genauso sehr liebte wie ihre Familie dann war das definitiv ihre Arbeit. Sie tat genau das, was sie liebte und verdiente ihr Geld damit.

Diesen Job hatte sie aufgegeben. Sie musste es und immer wiederholte sie, dass ihre neue Arbeitsstelle auch toll war, aber damit versuchte sie nicht mich zurechtzustimmen, sondern sich selbst. Sie redete also nicht nur dauerhaft auf mich ein, sondern damit auch auf sich. Auch ihr gefiel das Ganze hier nicht, aber im Gegensatz zu mir setzte sie wirklich alles daran, sich das hier doch noch irgendwie schmackhaft zu machen, während ich diese Hoffnung schon aufgegeben hatte. Von Anfang an. 

"Es gibt einen Volleyballverein an deiner neuen Schule. Sie spielen ziemlich gut und ich wette, dass sie dich sofort aufnehmen würden, wenn du ihnen erstmal zeigst, wie gut du bist", fing meine Mutter an zu sprechen. Ich verkniff es mir, meine Augen zu verdrehen, denn trotz allem meinte sie es nur gut. Sie konnte nicht wissen, dass ich genau solche Aussagen einfach nicht hören wollte. Nichts in der Welt könnte diesen Umzug besser machen, auch wenn der Umzug selbst zum Besten von mir und meiner Mom war.

"Ich werd's mir überlegen", gab ich zurück, obwohl ich mir meiner Entscheidung schon sicher war. Eigentlich hatte ich sogar ziemlich gut durchgeplant, wie ich das alles überstehen würde. Es war simpel. Ich musste nur noch ein Jahr in der Schule durchhalten und dann hätte ich meinen Abschluss, woraufhin ich das Kaff direkt wieder verlassen konnte. Ich würde nicht zurück nach New York gehen, zumindest hatte ich das jetzt noch nicht in Planung. Wenn alles so lief, wie ich es wollte, dann wäre ich in einigen Monaten schon dabei, mein Zimmer im College einzurichten. 

Hunted | Dylan O'BrienWhere stories live. Discover now