Kapitel 6 - Das erste, richtige Kennenlernen

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Ich war völlig perplex und musste einen kurzen Moment durchatmen, um zu realisieren, was hier gerade passierte. Da Felix und ich immer noch vor dem Bahnhof Kottbusser Tor standen, gingen wir ein Stück zur Seite und liefen den Bürgersteig entlang. Dort blieben wir stehen.

Felix holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche seiner Bomberjacke. Fragend sah er mich an. "Stört es dich, wenn ich hier kurz eine rauche?" Ich schüttelte den Kopf. Wenn schon mein Idol vor mir stand und mich mit meinem Namen ansprach, würde ich ihm sicher nicht seine Kippe ausreden, obwohl ich Rauchgeruch eigentlich nicht mochte. Er zündete sich die Zigarette an, nahm einen Zug und schaute mich halb grinsend, halb fragend an. "Was verschlägt dich an diesem helllichten Tag an diesen schmuddeligen Ort?"
Ich versuchte, mich ein wenig zu entspannen. "Ich hab für heute Feierabend gemacht. Bei dem schönen Wetter wäre es doch eine Schande, bis abends im Büro zu hängen."
Er grinste mich schief an. "Im Büro arbeiten wäre für mich so oder so eine Schande, egal, zu welcher Jahreszeit." Ich musste lachen. Felix war wirklich nicht der Typ für einen konventionellen 08/15 Job, das wusste ich. Wir schwiegen einen Moment und liefen weiter den Bürgersteig entlang, während ich mein Straciatella-Eis aufaß und er sich eine zweite Zigarette anzündete.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war überhaupt nicht gut in Smalltalk, und erst Recht nicht, wenn neben mir Felix Lobrecht lief, dessen Solo-Programm ich gestern Abend aus der zweiten Reihe genossen und mit dem ich heute Nacht DMs ausgetauscht hatte. Ich schüttelte mich innerlich.

Fragend schaute Felix mich von der Seite an. "Du hast erwähnt, dass du gestern alleine bei meiner Show warst. Wie kam es dazu?"
"Eigentlich hatte ich die Karten zusammen mit meiner besten Freundin gekauft, aber sie musste dann kurzfristig doch zuhause bleiben. Familiärer Notfall." Felix blies den Rauch in die Luft und nickte verständnisvoll. "Ah ja, das ist natürlich kacke." Schweigend liefen wir nebeneinander her. Angestrengt überlegte ich, wie ich das Gespräch auf ein weniger schwerwiegendes Thema lenken konnte.
„Also das, was ich dir gestern Abend nach der Show geschrieben habe, war zu 100% so gemeint. Die Show war wirklich richtig gut. Hat total Spaß gemacht." Ich lächelte ihn an.

„Das freut mich, zu hören. Auftritte in der Heimat sind immer geil, hier verstehen mich die Leute." Er lachte und schnipste seine Zigarette weg. Sofort musste ich auch lachen, als mir plötzlich etwas einfiel.
„Ey, heute ist doch Mittwoch! Hack-Tag! Ich hab die neue Folge noch nicht gehört." Grinsend holte ich mein Handy heraus und fügte die neue Folge zu "meinen Folgen" auf Spotify hinzu.
Er schaute mich von der Seite an. "Dann hörst du den Podcast immer direkt mittwochs, ja?" Ich nickte. "Logo. Ich bin Fan der ersten Stunde. Höre alle Folgen seit 2017 und habe die meisten davon sogar mehrmals gehört." Ich schlug mir die Hand vor den Mund.
Hör auf, so zu fangirlen, Joana! Cool bleiben!

Felix lachte auf. "Das hör ich gerne, ist aber auch immer wieder irgendwie komisch, wenn Leute mir das so sagen. Ich meine, Tommi und ich labern einfach nur über das, was uns gerade in den Sinn kommt. Völlig absurd, dass wir der meistgehörte Podcast Deutschlands sind. Wir sind doch auch nur zwei weiße Cis-Männer." Ich musste lachen. "Ja, aber lustige weiße Cis-Männer. Das macht den Unterschied. Ich könnte euch ewig zuhören." Abermals musste ich mich selbst zur Vernunft rufen.
Ich seufzte und blieb stehen. "Sorry Felix, ich will echt nicht so fangirlen. Du hörst sowas doch bestimmt jeden Tag, und jetzt treffen wir uns hier auf der Straße und ich rede über nichts anderes als deine Show und deinen Podcast. Tut mir echt leid."
Er lächelte. "Das muss es nicht, aber lieb von dir." Felix schien zu überlegen.
„Es ist Mittwochnachmittag und die Sonne scheint. Hast du Bock, noch irgendwas zu unternehmen?" Verblüfft starrte ich ihn an. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Mein Herz schlug mir bis zur Brust. Hoffentlich hörte er das nicht.

"Also, von mir aus sehr gerne, ich hab heute nichts anderes mehr vor, aber hast du heute keine Show?" Er schüttelte den Kopf. "Hab jetzt 3 off days. Am Samstagmittag fahren wir nach Köln. Gehe da am Wochenende auf ein paar kleine Open Mics." Das hörte sich gut an. "Ja, gerne!"
Wieder grinste er sein berühmtes Honigkuchenpferd-Grinsen. "Ja geil, dann lass uns irgendwo in nen Park oder an nen See. Hier am Kotti kommt safe keine Frühlingsstimmung auf."

Casual fangirl (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt