Ich kehrte in den folgenden Tagen und Wochen nicht mehr zum Grimmauldplatz zurück, ausser wenn Mrs Weasley offiziell zum Abendessen einlud. Dafür gab es vier wesentliche Gründe: Zum einen sah ich keinen Nutzen darin, zusammen mit den anderen zu versuchen, die Ordensversammlungen zu belauschen. Auch wenn ich von den Versammlungen ausgeschlossen war, so teilten Ma oder Gawain mir danach immer mit, um was es gegangen war. Zum anderen hatte ich viel zu viel um die Ohren. Meine Aufnahme in den Orden und Dumbledores Ratschlag, mich noch stärker im Kämpfen zu üben, hatten mich angespornt und so fand ich mich in jeder freien Minute im Amphitheater ein, um zu üben; mit dem Schwert aber vor allem auch mit Magie. Auf Mas Vorschlag hin hatte Gawain begonnen, mich in der Feymagie zu unterrichten. Es war eine sehr mühselige Angelegenheit, in etwa so mühsam wie meine ersten Versuche zu Zaubern in meinem ersten Schuljahr in Hogwarts. Genau wie damals musste ich die Magie erst einmal begreifen und die Herangehensweise der Fey war um einiges komplexer, als Zauberstabbewegungen, Worte und Überzeugung. Dennoch behauptete Gawain, dass ich gute Fortschritte machte, was ich ihm jedoch nicht ganz abkaufte. Vielleicht hätte ich tatsächlich gute Fortschritte gemacht, wenn ich mich voll und ganz auf die Feymagie hätte konzentrieren können, aber Ma hatte andere Pläne für mich.
Nur wenige Tage nach meiner Aufnahme in den Orden hatte Ma etwas getan, was sie noch nie getan hatte: Sie hatte mich frühmorgens geweckt und mich geheissen, mich möglichst gut anzuziehen. Sie selbst trug ihr Geschäftsfrauen-Outfit: weisse Bluse, blauer Blazer, schwarzer Rock und das wilde braune Haar in einem eleganten Knoten gebändigt. Verwirrt kramte ich unter ihrer Aufsicht eine Bluse aus meinem Schrank und schlüpfte danach in eine einigermassen neue Jeans.
Ma beobachtete mich kritisch, nickte aber schliesslich. «Nicht perfekt, aber fürs Erste wird es schon gehen.»
Danach versuchte sie, meine wilden roten Locken in einem Knoten zu bändigen, aber ich wehrte mich vehement, bis sie schliesslich nachgab und sie als Kompromiss zu einem festen Zopf flocht.
Nachdem Ma mein Aussehen nochmals kritisch beäugt hatte, lotste sie mich in die Küche, wo Gawain mit zwei Tassen Kaffee auf uns wartete. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich Gawain sah. So wie jetzt, hatte ich ihn erst ein einziges Mal gesehen; bei unserer ersten Begegnung am Bahnhof Kings Cross, als Ma Kaspar und mich in meinem vierten Schuljahr für die Weihnachtsferien abgeholt hatte. Damals hatte er auch einen Anzug getragen und sein dunkelblondes Haar war genauso glatt zurückgegelt gewesen.
«Ich weiss, ich seh' schrecklich aus», sagte Gawain amüsiert und schob Ma eine Tasse Kaffee zu. Als er mir die zweite Tasse zuschob, wollte ich protestieren – ich trank keinen Kaffee – doch dann stieg mir der verlockende Geruch von heisser Schokolade in die Nase.
Etwas später hatten wir uns aufgemacht, die Grenze von Londinium passiert und fuhren nun in Mas schwarzem Geländewagen durch die Stadt ... zum Regierungsdistrikt. Was zum ...? Was wurde hier gespielt?
Gawain öffnete mir galant die Tür und bot mir seinen Arm an, nachdem ich ausgestiegen war, aber ich konnte ihn nur verwirrt angucken, was ihn zum Lachen brachte.
«Los, wir sind spät dran», sagte Ma und eilte los. Erst ging es durch die Tiefgarage, in der sie den Wagen parkiert hatte, danach durch ein verwirrendes Labyrinth von Fluren, Hallen, Zimmer, Treppen und Aufzügen, bis wir schliesslich vor einer wichtig aussehenden Tür angelangten. Ma sah kurz besorgt zu mir, bevor sie anklopfte.
Ein dumpfes «Herein» klang durch die Tür, Ma öffnete und winkte mir, voranzugehen. Der Raum hinter der Tür war ein Büro, ein grosses Büro mit einem grossen, wichtig aussehenden Schreibtisch, auf dem sich Akten stapelten, und dahinter einem Mann im Anzug, der mindestens genauso wichtig aussah wie der Schreibtisch. An den Wänden gab es elegante Schränke, in denen vermutlich Akten aufbewahrt wurden und ein Portrait der Queen.
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Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6
FanfictionEine Harry Potter Fanfiction Nach der Rückkehr von Voldemort ist die magische Welt gespalten zwischen jenen, die sich auf einen Krieg gefasst machen, und jenen, die Voldemorts Rückkehr leugnen. Adrienne tut alles, um sich für den Kampf vorzubereiten...