19. Kapitel - Teil I

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Die Feier im Gryffindorgemeinschaftsraum, die auf diesen Sieg folgte, war nur von kurzer Dauer. Ich hatte nicht mitbekommen, dass es nach dem Spiel zu einer wüsten Schlägerei zwischen einigen Spielern der beiden Mannschaften gekommen war, doch offenbar war Draco Malfoy nun im Krankenflügel, während Harry und George zu Professor McGonagall abkommandiert worden waren. Dennoch trieben die Gryffindors Leckereien und Butterbier auf und stiessen auf unseren Sieg an. Wir bejubelten Fred, Alicia, Angelina und Katie, als diese – immer noch in ihren Quidditchumhängen – mit Freudengeschrei in den Gemeinschaftsraum stürmten und begannen dann schon mal zu feiern, während wir auf die Rückkehr der anderen drei Spieler warteten.

Und dann kamen Harry und George zurück. Ohne Besen. Mit einem Gesicht, als wären Weihnachten und Ostern abgesagt worden. Dabei war es noch schlimmer...:

«Spielverbot», sagte Angelina mit hohler Stimme, als sie erfuhr, was vorgefallen war. Was Professor Kröte Umbridge uns eingebracht hatte. «Spielverbot. Kein Sucher und keine Treiber ... was um Himmels willen sollen wir jetzt tun?»

Jegliche Feierlaune war verflogen, stattdessen hatte sich eine düstere Stimmung über die versammelten Gryffindors gelegt. Die Menge verlief sich bald, während die Mannschaft sich vor dem Feuer fläzte und verärgerte und trostlose Gesichter zog. Sollte ich mich zu ihnen setzen? Ich wusste, wie viel meinem Bruder und meinen Freunden das Quidditchspielen bedeutete ... Aber ich liess es bleiben. Ich stand auf und verliess den Gemeinschaftsraum durch das Portraitloch. Ich konnte die trübselige Stimmung nicht mehr ertragen und in den Schlafsaal konnte ich schlecht gehen, da Angelina vor wenigen Minuten in den Turm hochgegangen war und sie bei weitem die trübseligste Stimmung verbreitet hatte. Sie hatte aber auch Recht. Es war einfach himmelschreiend ungerecht: Spielverbot für Harry, Fred und George, während dieser Slytherin-Treiber, der meinen Bruder angegriffen hatte, zur Strafe nur Sätze schreiben musste ­– und das nicht bei Professor Umbridge.

Meine Schritte trugen mich ohne mein Zutun Richtung Finjarelle-Gemeinschaftsraum. Während meine Füsse mich davon trugen, griff ich nach den Schatten meines Obscurus. Es war schon spät am Abend und ich wollte nicht erwischt werden.

Obwohl ich dem Gemeinschaftsraum entronnen war, wollte die trübsinnige Stimmung nicht weichen. Ungerecht! Gemein! Unfair! Fies! Ungerecht! Unfair! – schrien meine Gedanken. Und: Alte Sabberhexe! Hinterhältiges Biest! Gemeine Kröte! Das würde Umbridge noch büssen. Die Zwillinge würden dafür sorgen, dass sie es bereuen würde, sich mit ihnen angelegt zu haben. Und mein kleiner Bruder ... Harry würde nun all seine Energie in die DA stecken. Oh ja, Umbridge würde es büssen.

Nachdenklich liess ich meinen Blick durch den Korridor schweifen, ohne wirklich etwas zu sehen. Ein Schatten zwischen den anderen Schatten. Dann fiel mein Blick auf eines der Fenster. Etwas bewegte sich davor .... Vorsichtig huschte ich näher – und ein friedvolles Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht und in meinem Herzen aus. Es schneite. Grosse, schwere Flocken tanzten durch die Luft. Morgen früh würden die Ländereien unter einer Schneeschicht verborgen sein.

Meine Füsse änderten ihre Richtung. Das war genau das, was ich nun brauchte: Die allumfassende Ruhe fallenden Schnees. Immer noch in meine Schatten gehüllt stahl ich mich nach unten in die Einfangshalle. Kurz sah ich mich noch einmal um, dann drückte ich gegen die schweren Torflügel des Schlossportals. Dank meiner Feykräfte gelang es mir ohne grosse Anstrengung einen der Flügel soweit aufzuschieben, dass ich hindurchhuschen konnte.

Die Schneeflocken tanzten durch die Luft und sofort umfing mich Stille. Eine tiefe Ruhe. Ein dumpfer Schlag durchbrach kurz die Stille, als der schwere Torflügel zufiel, dann war es wieder ruhig – und dunkel. Blinzelnd sah ich in die Dunkelheit und konzentrierte mich auf meine Feykräfte. Die schemenhaften Umrisse schärften sich. Es war nicht hell genug, um Farben zu erkennen, auch nicht mit dem übernatürlich scharfen Blick einer Fey, aber ich sah genug. Unter anderem sah ich Spuren im Schnee, die vom Schlossportal wegführten. Sie waren bereits fast wieder zugeschneit, aber in ihnen ging es sich leichter durch den immer höher werdenden Schnee. Wer sie wohl gemacht hatte? Wer ausser mir trieb sich bei diesem Wetter noch hier draussen herum? Neugierig folgte ich den Fussspuren ... weg vom Schlossportal ... den Weg hinab, den wir alle nur Stunden zuvor hochgekommen waren. Zum Quidditchstadion also? Ich würde es gleich sehen ...

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt