Ein Schrei riss mich aus dem Schlaf und ich setzte mich ruckartig in meinem Bett auf. Ich sass in einem Himmelbett, die roten Samtvorhänge, deren Farbe ich in der Dunkelheit aber nicht erkennen konnte, waren geschlossen. Ruckartig zog ich sie auf und spähte in das runde Turmzimmer hinaus. Ausser meinem Himmelbett, standen hier noch zwei andere, die von Angelina und Alicia, die beide ruhig und regelmässig schliefen. Ich war in meinem Schlafsaal im Gryffindorturm und nicht in diesem verwunschenen Labyrinth – doch die Schreie hielten an. Aber ... weshalb? Weshalb sollte Cedric im Gryffindorturm gefoltert werden? Das machte doch keinen Sinn! Aber seit wann machten Träume Sinn? War es nicht gerade das Wesen der Träume, dass sie keinen Sinn machten? Und trotzdem logisch erschienen? Aber das war unlogisch ...
«Was ist los? Wer schreit da? Adrienne?», kam es von einem der anderen Himmelbetten und kurz darauf zog Alicia den Samtvorhang zurück.
«Mir geht es gut», flüsterte ich in die Dunkelheit unseres Schlafsaals.
Ein weiteres Wusch von Samtvorhängen war zu hören, als auch Angelina die ihren zurückzog.
«Was ist da los?», fragte auch meine zweite Zimmergenossin und zog ihren Zauberstab unter ihrem Kissen hervor. Ein gemurmeltes «Lumos» folgte und das Licht ihres Zauberstabs erhellte unseren Schlafsaal spärlich. Alicia und ich folgten ihrem Beispiel. Und die Schreie waren noch immer zu hören.
Ich befreite mich aus den Laken, griff nach meiner Handtasche mit dem Schwert von Gryffindor und öffnete gerade die Tür zu unserem Schlafsaal, als die Schreie ganz plötzlich verstummten. Wachsam spitzte ich meine Ohren, griff auf das gesteigerte Gehör der Fey zurück und lauschte. Das Patschen nackter Füsse war zu hören, das Rascheln von Bettzeug, Stimmen von anderen Schülerinnen und Schülern, die die Schreie ebenfalls gehört hatten und genauso verwirrt und unruhig waren wie meine Mitschülerinnen und ich. Und Rufen: «Harry! Harry!» Das Rufen hörte ich bei Weitem am deutlichsten. Und dann die Stimme meines Bruders, die antwortete: «Dein Dad! Dein Dad ... ist angegriffen worden ...»
Vor Erleichterung stiess ich die Luft aus, von der ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich sie angehalten hatte. Das klang nicht so, als wäre mein Bruder in unmittelbarer Gefahr.
«Adrienne? Alles in Ordnung?», fragte Alicia und legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter.
«Ich weiss nicht ...», gab ich zurück.
«Wurde jemand angegriffen oder so?», kam es von Angelina. «So wie damals, als Black Ron angegriffen hat?»
«Nein ... nein, ich glaube nicht ... nicht so ...», sagte ich unsicher und hörte im gleichen Moment, wie mein Bruder Ron erneut versicherte, dass dessen Vater angegriffen worden war und dann auch Professor McGonagall, die irgendjemand verständigt haben musste.
Mr Weasley war angegriffen worden ... aber weshalb behauptete Harry das?
Dann entschied Professor McGonagall, dass sie zu Dumbledore gehen sollten – klang nach einer vernünftigen Entscheidung ... wenn Mr Weasley wirklich angegriffen worden sein sollte ...
«Gehen wir wieder ins Bett. Wir werden schon erfahren, was geschehen ist ... Morgen» sagte Alicia und zog mich zurück in den Schlafsaal.
Ich nickte meiner Freundin, Klassenkameradin und Vertrauensschülerin zu. Alicia hatte Recht, wir würden es schon herausfinden. Sowas sprach sich in Hogwarts schnell herum.
Wir krabbelten zurück unter unsere warmen Decken. Ich lauschte weiterhin auf Geräusche und Stimmen. Immer noch war das Gemurmel von anderen Gryffindors zu hören, die miteinander flüsterten und sich fragten, was wohl geschehen war, aber bald wurde es weniger und nach und nach fielen meine Hausgenossen in Schlaf. Dann hörte ich Schritte auf der Treppe zu den Mädchenschlafsälen. Sie eilten nach oben und kehrten kurz darauf zurück nach unten, begleitet von einem zweiten, leichteren Paar Schritte. Ich hörte nicht, wie sie zurückkehrten. Stattdessen folgte ich den Schreien, die durch die verzauberten Hecken des Labyrinths hallten. Verzweifelt folgte ich ihnen – links – rechts – Sackgasse und kehrt – links – Mitte – links – ... – dann fand ich auf einmal Harry. Er schrie und wand sich, während Viktor Krum ihn mit dem Cruciatus-Fluch traktierte. Von Cedric, den ich sonst hier fand, war keine Spur zu sehen. Ich griff Krum mit der wilden, ungestümen Magie der Fey an, die Gawain mich gelehrt hatte, und erschrocken stolperte er von meinem kleinen Bruder weg.
DU LIEST GERADE
Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6
FanfictionEine Harry Potter Fanfiction Nach der Rückkehr von Voldemort ist die magische Welt gespalten zwischen jenen, die sich auf einen Krieg gefasst machen, und jenen, die Voldemorts Rückkehr leugnen. Adrienne tut alles, um sich für den Kampf vorzubereiten...