6. Kapitel

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Trotz der neuen Fächer in unseren Stundenplänen hielt der Schulalltag schnell wieder Einzug bei den Siebtklässlern. Tatsächlich verblüffte es mich, wenn ich einen der Erstklässler planlos durchs Schloss irren sah und mich daran erinnerte, dass es mir einst genau gleich ergangen war. Mein erstes Schuljahr in Hogwarts war schon so lange her. Wenn ich daran dachte, wurde ich beinahe melancholisch, schliesslich würde ich nächsten Herbst nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren, sondern eine Ausbildung anfangen oder im Widerstand kämpfen ... Momentan lief es auf letzteres hinaus.

Gleich in der ersten unserer wöchentlichen 'Teestunden', wie mein Vater und ich unsere Treffen nannten, ging es nicht in Sevs gemütliches Wohnzimmer oder in Salazar Slytherins geheimes Alchemielabor, sondern nach London zum Grimmauldplatz. Dumbledore hatte ein Ordenstreffen einberufen und als Angehörige des Ordens war ich natürlich eingeladen; Hogwartsschülerin hin oder her. Natürlich war Molly Weasley da anderer Meinung, wie sie lang und breit erklärte.

«Genug davon», unterbrach Ma schliesslich Mollys Monolog. «Offensichtlich ist es kein Problem, dass Adrienne mit Severus mitgekommen ist.»

Die Küche am Grimmauldplatz füllte sich nach und nach mit Ordensmitgliedern und der Platz am Tisch wurde zusehends weniger. Ich sass zwischen Jake und Bill Weasley, der mich in ein Gespräch übers Fluchbrechen verwickelte. Offenbar hatte er irgendwie erfahren – vermutlich von Charlie –, dass ich mir überlegte, Fluchbrecherin zu werden.

«Die meisten Fluchbrecher machen ihre Ausbildung bei Gringotts», erklärte Bill. «Jedenfalls hier bei uns in Britannien. In den ganzen sieben Jahren, die ich bereits auf diesem Beruf arbeite, habe ich nur einen einzigen Zauberer getroffen, der seine Ausbildung nicht bei Gringotts gemacht hat.»

«Wo denn dann?», fragte ich. Mir war nicht unbedingt daran gelegen, ins Bankenwesen einzusteigen.

«Hmm ... ich glaube, er hat sich erst zum Auroren ausbilden lassen und ist dann von dort irgendwie ins Fluchbrechen hineingerutscht», erzählte Bill. «Allerdings ist es für uns Fluchbrecher gar nicht so einfach, eine Anstellung zu finden – Gringotts ist der einzige grosse Arbeitgeber. Ich glaube, das Ministerium beschäftigt auch einige ...»

Nun, das Ministerium als Arbeitgeber zu haben war für mich derzeit noch weniger denkbar als bei einer Bank zu arbeiten.

«Was gibt es sonst für Möglichkeiten?»

«Der AZMGUK hat einige Fluchbrecher», mischte sich Jake ein. «Sie werden sehr vielfältig eingesetzt: Überall gibt es immer mal wieder irgendwelche Zauber, bei denen es Spezialisten braucht, um diese zu brechen. Ein Zauber, der unsauber gebrochen wird, richtet oft mehr Schaden an, als er es in seinem ursprünglichen Zustand getan hätte.»

Bill nickte eifrig. «Besonders Versiegelungszauber sind da sehr gefährlich. Tatsächlich sind sie meist genau darauf ausgelegt.»

Bevor ich weiterfragen konnte, erloschen die anderen Gespräche am Tisch und aller Augen richteten sich zum Tischende. Dumbledore war eingetroffen und hatte sich dort niedergelassen.

Die Ordenssitzung war keine interessante Angelegenheit, tatsächlich war sie so uninteressant, dass ich mich fragte, weshalb die anderen immer hatten wissen wollen, wovon die Rede war. Vielleicht lag es schlicht daran, dass sie ausgeschlossen worden waren, obwohl sie hatten wissen wollen, worum es ging. Nun, es ging um Wachdienste und die Observierung von Todessern. Nur kurz wurde dabei auf Voldemort und seine Pläne eingegangen: Wie es aussah richtete er momentan all sein Bestreben darauf, diese Prophezeiung in die Hände zu bekommen. Zumindest fast all seine Bestrebungen – und plötzlich wurde das Treffen doch noch einigermassen interessant:

«Der dunkle Lord ist dabei, seine Verbündeten um sich zu scharen», erklärte mein Vater.

«Wissen wir schon», murrte Sirius an meinem Tischende und fing sich dabei einen herablassenden Blick von Snape ein.

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt