11. Kapitel

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Besorgt beobachtete Kathleen Adrienne. Ihre Tochter lag in einem Bett im Hauptquartier des Ordens des Phönix und schlief. Und das schon seit Tagen. Und Kathleen konnte nichts anderes für Adrienne tun, als sie hier am Grimmauldplatz in sichere Obhut zu geben. Noch nie hatte sie solche Angst um ihre Tochter gehabt. Nicht als Adrienne vom Grimm angefallen worden war. Nicht als Adrienne über ein halbes Jahr lang verschwunden war. Nicht nachdem ihre Tochter zu einem Obscurial geworden war. Nicht als sie nach dem Angriff des Basilisken auf Ginny Weasley verschwunden war. Nicht bei dem Ritual, mit dem sie den Riesenkönig Balor zurück in seinen Totenschlaf gewiegt hatten. Und auch nicht während der vielen gefährlichen Aufgaben, die ihr im Trimagischen Turnier gestellt worden waren. Nichts davon war vergleichbar mit dem hier. Wieder konzentrierte sich Kathleen auf Adrienne, wie sie da lag unter einer grün-silbern gemusterten Bettdecke, einzig ihr Kopf und ihre Hände schauten darunter hervor. Adriennes Haare hatten sich über das Kissen gebreitet wie eine Blutlache – etwas, mit dem Kathleen zumindest hätte umgehen können. Eine klassische Verletzung, aber so ... Sie betrachtete das unheimliche grüne, verästelte Muster, dass sich unter Adriennes Haut ausgebreitet hatte. Das Gift, dass sie sich zusammen mit den Verletzungen durch den Drachenmenschen-Inferius eingefangen hatte. Aberforth hatte die Verletzungen mit einem Desinfektionsspray behandelt. Allein bei diesem Gedanken schnaubte Kathleen abfällig. Aberforth war noch nie der Hellste gewesen. Als liesse sich Drachengift mit einem Desinfektionsspray aufhalten! Dazu brauchte es starke Gegengifte. Nicht einmal ein Bezoar reichte dafür aus. Und schon gar nicht ein Desinfektionsspray.

Das mit dem Bezoar hatte Albus ausprobiert, gleich nachdem Adrienne das Bewusstsein verloren hatte und es hatte ihr vermutlich das Leben gerettet, zusammen mit dem Zauber, der Adriennes Kreislauf verlangsamte. Danach hatten die Brüder Kathleens Tochter hoch zum Schloss gebracht. Severus war sofort zur Stelle gewesen und hatte sich um seine Tochter gekümmert so gut er das konnte. Er kannte sich sehr gut mit Giften und Gegengiften aus. Aber bei diesem Gift konnte auch ein Meister seines Fachs wie er die Ausbreitung höchstens verlangsamen. Über dieses Gift wusste Severus zu wenig, um es erfolgreich bekämpfen zu können. Danach hatten sie Adrienne ins St. Mungos verlegen wollen, doch Kathleen, die zu diesem Zeitpunkt bereits vor Ort gewesen war, hatte dagegen gehalten. Im Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen würde man nicht mehr für Adrienne tun können, als Albus und Severus bereits getan hatten. Also hatte sie darauf bestanden, dass Adrienne nach Londinium gebracht wurde. Im Spital von Londinium kannte man sich mit Verletzungen und Vergiftungen aller möglicher magischer Wesen aus, auch mit dem Gift von Drachenmenschen. Besonders gut kannte sich Heilerin Laéla damit aus, die selbst ein Drachenmensch war. Dank ihres eigenen Gifts war es der Heilerin und Severus gelungen, ein Gegengift herzustellen. Es half, doch Adrienne sprach nur sehr langsam darauf an. Laut Laéla lag das daran, dass Adriennes Kreislauf immer noch durch Albus Zauber verlangsamt war; jedoch konnten sie den Zauber nicht aufheben, da das Gift sich dann zu schnell ausgebreitet hätte. Und so blieb ihnen nichts anderes als zu warten und zu hoffen. Kathleen hasste es zu warten und nichts anderes tun zu können, als zu hoffen.

Die Tür hinter Kathleen schwang mit einem sanften «Wusch» auf und Gawain legte einen starken Arm um ihre Schulter.

«Fühlst du etwas?», flüsterte Kathleen heiser, ohne ihren Blick von ihrer Tochter abzuwenden.»

«Nein. Nichts», sagte Gawain leise und zog sie an sich.

Und wieder einmal fiel ein Stückchen Hoffnung in sich zusammen. Kathleen vergrub ihr Gesicht an Gawains Brust, der ihr tröstend über den Rücken strich. Kathleen hatte die Verbindung nie verstanden, die ihren Geliebten und ihre Tochter miteinander verband, doch es war genau diese Verbindung, von der sie zu erfahren hoffte, ob Adrienne sich erholte.

«Sie wird wieder aufwachen. Adrienne ist stark», beschwor Gawain sie leise, während Kathleen still an seiner Schulter weinte.

«Adrienne ist nur ein Mensch», brachte Kathleen hervor.

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt