18. Kapitel

77 11 0
                                    

Funken aus Magie stoben durch den Raum. Die Wucht, mit der das Ritual brach, liess den ganzen Raum erzittern. Die Einmachgläser mit den in Formaldehyd eingelegten Tieren ruckelten in den Regalen und einige fielen hinunter. Die anderen zersprangen kurz darauf, als die restliche Macht des Zaubers mit einer gewaltigen Druckwelle durch den Raum, durch ganz Hogwarts und weit über die Ländereien hinaus rollte.

Meinen Vater, den Drittklässler und mich hatte die Explosion ebenfalls zu Boden geworfen und nur langsam rappelten wir uns wieder auf.

«Entschuldigen Sie, Professor Snape. Es tut mir leid. Das wollte ich nicht», stammelte der Drittklässler. «Ich hatte nicht vor, noch mehr zu zerstören, ehrlich nicht. Ich wollte das Glas reparieren ...!»

Professor Snape hob die Hand und Tristans Gestammel verstummte, während er blass auf seine Füsse starrte. Mein Vater griff nach seinem Zauberstab und mit einem einzigen, kurzen «Reparo» setzten sich alle Einmachgläser wieder zusammen und auch die verstreuten Papiere, die bei der Explosion durch den Raum geflattert und teilweise verbrannt waren, wurden wieder ganz und stapelten sich ordentlich auf Snapes Schreibtisch.

Fassungslos beobachtete der Drittklässler was vor sich ging und ärgerte sich bestimmt gerade grün und blau, dass sein Hauslehrer so einen Aufstand gemacht hatte wegen eines Glases, wo er doch sein ganzes Büro mit einem einzigen Zauber wiederherstellen konnte.

«Das war nicht das erste Mal, dass so etwas geschah», sagte Snape vorwurfsvoll, doch er sagte es weniger zu dem Jungen als zu mir. «Landers Magie ist unberechenbar und er muss lernen, sie zu beherrschen.»

Das war offensichtlich.

«Finëa könnte sicherlich helfen», schlug ich vor. «Viele Finjarelles hatten seltsame magische Gaben und Finëa hat ihnen immer helfen können ... und ...», fiel mir wieder ein und ich sah Tristan aufgeregt an. «Vielleicht ist Tristan sogar ein Finjarelle!»

«Wie bitte? Ich bin Slytherin!», sagte Tristan empört, während mein Vater seufzte.

«Ich werde nachsehen. Ich kann gleich hochgehen», bot ich an, doch mein Vater schüttelte den Kopf.

«Nicht mehr heute; bald ist Ausgangssperre. Und Sie, Landers, sollten schon längst in Ihrem Gemeinschaftsraum sein. Ich bringe Sie zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Seanorth, Sie beeilen sich hoch zu den Gryffindors zu kommen. Keine Umwege!»

Mein Vater sah mich streng an und ich beeilte mich zu nicken und ein möglichst ehrliches Gesicht aufzusetzen. Unter keinen Umständen würde ich mich davon abhalten lassen, gleich in den Gemeinschaftsraum der Finjarelles zu laufen und nachzusehen, ob Tristan Landers auf der Liste mit den Finjarelle-Schülern stand.

Eiligen Schrittes ging ich den Korridor hinauf Richtung Treppe zur Eingangshalle, während mein Vater mit dem Slytherin-Schüler in die andere Richtung ging. Ein breites Grinsen lag auf meinen Lippen, während meine Gedanken meinen Schritten vorauseilten zum Dachstock der Grossen Halle. Nur noch wenige Minuten und ich hätte Gewissheit und dann hätte Finëa einen neuen Schüler. Und wir hätten jemand weiteren, dem wir die Aufgabe, das Haus Finjarelle zurück zu bringen, übergeben konnten. Jemanden, der sogar offiziell in dieses Haus gehören würde, sobald es dieses wieder gab.

Noch nie hatte sich der Weg zur Eingangshalle und die Marmortreppe hoch so lange angefühlt wie jetzt und auch die Galerie über der Eingangshalle war noch nie so lang gewesen, noch das Schranklabyrinth. Und dann stand ich endlich da, im Gemeinschaftsraum der Finjarelles und konnte vor lauter dichtem, dunkelgrauen Rauch die Hand nicht vor den Augen sehen.

Ich legte eine Hand über Nase und Mund, um das Zeug nicht einzuatmen – es sah furchtbar ungesund aus und roch nach faulen Eiern. Mit der anderen Hand wedelte ich vor meinem Gesicht herum, im hoffnungslosen Versuch doch noch etwas zu sehen. Nur wenige Augenblicke später war der Rauch jedoch verschwunden und ich sah die Zwillinge an ihrem üblichen Versuchstisch stehen, die Gesichter so verrusst wie der Rauch kurz zuvor.

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt