28 - Frühstück und Familie

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„Eine Wunde von Worten geschlagen, ist schlimmer als eine Wunde, die das Schwert schlägt."

☆☆☆

AMELA

Das Frühstück war fertig.

Zufrieden betrachtete Amela die unzähligen Schalen, Teller und Tablette, welche sie mit Jasmila auf Luays Teppich hübsch angerichtet hatte. Ein herrlicher Duft nach Brot und Kaffee breitete sich im ganzen Zelt aus und sorgte dafür, dass sich ihr Magen laut bemerkbar machte.

Sie hatte einen Bärenhunger und konnte es kaum erwarten, bis der Rest der Familie endlich eintrudelte!

Im selben Moment, als sie das dachte, kam ihr Lieblingsbruder mit seiner Verlobten ins Zelt. Amela musste sogleich grinsen.

„Ihr zwei seht aus, als hättet ihr nicht gerade viel Schlaf abbekommen gestern Nacht!", begrüsste sie die beiden.

Wie erwartet, begannen Najmahs Wangen rot zu leuchten, was der Prinzessin ein bauchiges Lachen entlockte. Oh, wie sehr sie es liebte, ihre Freundin zu ärgern! Aber da war noch etwas Anderes, was sie liebte, und zwar war das Zahirs Glück, das klar und deutlich an seinen Lippen hing.

Seine Wärme war zurück und Amela konnte nur vermuten, dass es an der zierlichen Gestalt lag, die sich an seinem Arm festhielt.

„Schlaf ist im Krieg immer eine Seltenheit", erwiderte Zahir mit seinem üblichen Selbstbewusstsein.

Er half seiner Verlobten, sich auf ein Kissen am Boden zu setzen und liess sich neben sie nieder. Seine Hand rutschte auf ihren Oberschenkel, was Najmahs Gesicht in ein feuriges Karminrot verwandelte. Zahir, der Schlingel, schien fast wieder der Alte zu sein. Amela konnte dem Anblick kaum trauen, aber es war eine sehr willkommene Abwechslung.

„Die Farbe steht dir", meinte Amela an Najmah gerichtet und deutete mit einem Nicken auf den fliederfarbenen Sari, der ihre Augen zum Leuchten brachte.

Die Lippen ihrer Freundin wurden schmal. „Danke", murmelte Najmah. „Die Kleidung wurde mir geliehen."

Ihr Blick blieb dabei auf Jasmila hängen, die direkt neben Amela kniete und sich gerade über das Körbchen voller Griessbrot lehnte, um an den Gewürzkaffee zu gelangen. Jasmilas dunkelbraune Haarpracht baumelte dabei in frechen Locken von ihrem Kopf und es entging Amela nicht, wie Najmah den Tanz ihrer Strähnen neidisch mitverfolgte.

Jasmila sank zurück auf ihr Kissen und goss sich eine Tasse Vanillekaffee ein. „Ach, das ist doch nichts", meinte sie. „Amela und ich haben uns ständig gegenseitig Kleider ausgeliehen! Du wirst dich bestimmt bald revanchieren können."

Ein glockenhelles Lachen entfuhr Jasmila und auch Amela musste mit einstimmen, denn ihr Lachen war so ansteckend. Sie konnte sich gut an diese alten Zeiten erinnern. Damals, als sie noch junge Mädchen gewesen waren und Jasmila den ganzen Tag bei ihr im Zimmer verbrachte, um sich durch Amelas Kleiderschrank zu wühlen. Sie hatten immer wieder neue Klamotten angezogen und sich aufgeführt wie Monarchinnen mächtiger Reiche.

„Ich befürchte, ich besitze nichts, was ich dir leihen könnte", hauchte Najmah.

Amela hätte schwören können, dass sich Zahirs Griff um ihren Schenkel verstärkte — einfühlsam, wie ihr Bruder nun mal war. Amela klatschte in die Hände und vertrieb damit den kurzen Moment des Trübsals.

„Dann wird es allerhöchste Zeit, dass du sie endlich heiratest, Zahir!", rief sie quer über das Essen. „Damit sie mit uns mithalten kann!"

Najmahs Lächeln wuchs sogleich an. Zahir nahm ihre Hand in seine. Sie schlossen ihre Finger ineinander und für einen Moment war es, als ob Amela und Jasmila nicht mehr existierten. Nur sie zwei sassen da.

Zwischen Wunsch und WirklichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt