"Will man gehört werden, darf man die Trommel nicht unter dem Teppich schlagen."
☆☆☆
Die ersten Sonnenstrahlen streichelten den Morgenhimmel und tunkten die Zeltplanen in sanftlila Töne.
Karim wartete draussen auf mich. Er hatte sich vor unserem Zelt auf eine Kiste gesetzt und erhob sich, als er mich mit Zahir herauskommen sah. An meiner Hand spürte ich, wie sich mein Sandleser beim Anblick des Pflanzensäers verspannte.
„Was willst du hier?", fuhr er Karim an.
Ich fuhr Zahir mit dem Daumen über die Hand, um ihn zu beruhigen, jedoch schien ihm das nicht zu helfen. Unser Gespräch hatte ihn zu sehr aufgewühlt.
„Ich begleite die Sternenseherin zu unserem Feldmarschall, Wesir", antwortete Karim. Er wirkte durch die Schroffheit des Prinzen keineswegs irritiert. „Ihr hattet mich darum gebeten, an ihrer Seite zu stehen, wenn Ihr es nicht könnt."
Mein Sandleser liess ein bedrohliches Grollen hören, das überhaupt nicht nach ihm klang. Ich drückte seine Hand fester und stellte mich vor ihm hin, damit er seine funkelnden Augen nicht auf Karim sondern auf mich richtete.
„Mir kann nichts passieren", versicherte ich ihm.
Zahir zog mich an seinen Körper. Der Abschiedskuss, den er mir schenkte, kam mir ausgesprochen lang und intensiv vor. Mir wurde heiss und ich musste mir Luft zufächeln, als mich mein Sandleser losliess und in die Obhut des Pflanzensäers übergab, nicht aber ohne Karim einen letzten, warnenden Blick zuzuwerfen.
Seufzend schaute ich Zahir hinterher, wie er zwischen den etlichen Zelten in Richtung Trainingsplatz verschwand. Es war besser, wenn er seinen Frust dort ausliess.
„Nach dir", bat mich Karim und gab mir den Vortritt.
Zu zweit machten wir uns auf den Weg durchs Kriegslager. Hamzas grosse Jurte befand sich im Zentrum des Camps, mehrere dutzend Zeltreihen von unserem entfernt. Ich spürte, wie mich Karims waldgrüne Augen ausgiebig musterten. Was auch immer er sah, es schien ihm zu gefallen.
„Exzellente Farbwahl", bestätigte er meinen Verdacht.
Ich blickte nicht auf, als ich „Danke" murmelte.
„Der Feldmarschall hat eine Schwäche für alles, was brandrot leuchtet."
Nun drehte ich meinen Kopf doch in seine Richtung und hob eine Augenbraue in die Höhe.
„Feldmarschall und nicht Sultan? Ich dachte, Hamza hätte seine gesamte Gefolgschaft dazu genötigt, ihm die Fusssohlen zu lecken und ihn den heissesten Sultan aller Zeiten zu nennen."
Karim lachte einmal laut auf, was dafür sorgte, dass uns die Soldaten, an denen wir vorbeimarschierten, neugierig beäugten.
„Als ranghohes Mitglied in seiner Armee gehöre ich automatisch der Kategorie der Loyalisten an", erwiderte Karim. „Ich musste dafür keine Sohlen abschlecken."
Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Wenn der Pflanzensäer seinem Feldmarschall treu ergeben war, dann musste ich aufpassen, was ich sagte. Schliesslich wollte ich nicht der Verhöhnung beschuldigt werden. Meinen unabsichtlichen Witz schien er trotz allem gut aufgenommen zu haben und ich musste dafür sorgen, dass er bei Laune blieb. Je mehr Menschen auf meiner Seite waren, denen Hamza vertraute, umso besser.
„Dann warst du als Sympathisant am Sturz des Sultans beteiligt?", fragte ich weiter, des Bisses in meiner Frage durchaus bewusst.
Karim verlangsamte seinen Gang und ich musste feststellen, dass wir nur noch wenige Schritte von Hamzas Zelt entfernt waren. Er schien unser verfängliches Gespräch beenden zu wollen, ehe wir vor den Feldmarschall der blauen Krieger traten.
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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Fantasy☆ Band II ☆ Gefangen in ihrer Zeit ergibt sich Najmah dem Schicksal, das sie seit Beginn ihrer Abenteuerreise erwartet hatte: Ein Leben ohne Magie, in welchem sie die treue Frau eines Nomaden wird. Die Rückkehr in den Palast von Azoul und in ihr Leb...