25 - Überraschung

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"Die Feindschaft der Verwandten ist gefährlicher als der Stachel eines Skorpions."

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„Bist du dir wirklich sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte mich Amela zum hundertsten Mal.

Wir ritten gen Norden, in die Richtung, in welche kein Mensch mit einem gesunden Verstand reiten würde: Zur Schlacht. Dort hin, wo tapfere Männer kämpften und ihr Blut den Boden tränkte wie Wasser eine Oase.

Kein Ort für die Prinzessin, aber genau der Ort, an welchen ich sie gebeten hatte, mich hinzubringen.

„Hamza wird mich als seine Beraterin aufnehmen müssen", erwiderte ich. „Er wird keine Wahl haben, denn ich werde ihm keine geben."

Amela runzelte die Stirn, wie auch gestern. „Der Mistkerl hat es nicht verdient, dass du ihm hilfst."

„Er vielleicht nicht, aber die Muzedin, die Serengeke und die Casbari haben es", antwortete ich und liess meinen Blick über die Hügel Tulhaias schweifen, die sich in sanften Wellen vor uns erstreckten. „Es ist ihre Zukunft, die ich im Auge habe."

Dazu hatte Amela nichts mehr anzufügen. Da wir eine Weile über die Dünen reiten mussten, vertrieb sie sich die Zeit bis zu unserer Ankunft damit, mich über ebendiese Zukunft auszufragen.

Sie stellte sich diese Epoche viel besser vor, als ihre Gegenwart und Amela konnte nicht aufhören, davon zu schwärmen, wie gerne sie einmal durch die Zeit reisen würde. Ihr verging allerdings schnell die Lust danach, als ich ihr schilderte, unter welchen Bedingungen die Mädchen und Frauen in der Zukunft ihr Dasein fristeten.

Das war der Prinzessin dann doch zu viel.

„Dann bleibe ich eben hier bei meinen grenzdebilen Brüdern", seufzte sie und ich konnte nicht anders, als leise aufzulachen.

Amela gehörte hier hin. Genauso wie ich.

Um die Mittagszeit erreichten wir die ersten Zelte des Kriegslagers. Die Sonne brannte gnadenlos am Himmel und trieb mir den Schweiss aus den Poren.

Flaggen mit dem Siegel des Sultans flatterten im Wüstenwind. Ich sah meiner Freundin an, dass eine unbändige Wut sie bei dem Anblick überkam. Hamza bediente sich der Symbole ihres Vaters. Ihres verstorbenen Vaters. Dafür würde sie ihn sicherlich auseinandernehmen wollen.

Die weissen Stoffzelte reihten sich zu unseren Flanken. Hunderte, tausende blaue Krieger kampierten mitten in der Wüste und liessen ihre Leben auf dem Schlachtfeld, welches sich nicht mehr weit von uns befinden musste.

Mir wurde bei dem Gedanken mulmig zumute.

Ein Pfad führte durch die Zeltstadt bis ins Zentrum, zu einem grossen Zelt mit weiten, hohen Planen. Die Schlafstätte des Feldmarschalls und der Ort, an welchem er seine strategischen Züge plante.

Wir sprangen von den Pferden und banden sie in der Nähe der Stallungen an zwei freie Pfähle. Das Soldatenlager schien leergefegt, als wären die Krieger noch nicht von ihrer Schlacht zurückgekehrt.

Eine unheilvolle Stille tanzte im Wind wie ein Vorbote des Todes.

Ich streichelte das weiche Fell meines Pferdes und bemühte mich, meine Nervosität nicht auf das Tier zu übertragen. Es graute mir davor, wieder vor Hamza treten zu müssen, besonders nach all dem, was er zuletzt gesagt und getan hatte. Doch keinen Weg führte daran vorbei. Ich musste in dieses Zelt.

Latifs Schimmel, den ich liebevoll Nazim getauft hatte, schnaubte unbeeindruckt. Mein Zittern schien ihn nicht aus der Ruhe zu bringen, also lehnte ich meine Stirn an seinen muskulösen Hals und hoffte, dass sein Seelenfrieden und sein Selbstbewusstsein ansteckend waren. Ich brauchte diese Furchtlosigkeit nämlich unbedingt.

Zwischen Wunsch und WirklichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt